Sexy Girls und heiße Knarren

12.01.2011 - 08:50 Uhr
Rote Sonne
Rote Sonne
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Morgen startet Das Rote Zimmer im Kino, der neue Film von Rudolf Thome, einem Urgestein des Deutschen Kinos der späten 60er. Unser DVD-Kolumnist Thomas Groh empfiehlt Euch aus diesem Anlass Rote Sonne, Thomes zweiten Spielfilm mit Uschi Obermaier.

Es ist ein gutes Zeichen für das Kinojahr, wenn einer der schönsten Filme schon Mitte Januar startet: Mit Das rote Zimmer läuft morgen ein großartiges, entspanntes Stück Kino über Dreiecksbeziehungen und die Utopie eines gelingenden Lebens an. Dafür verantwortlich zeichnet Rudolf Thome, ein Urgestein der so genannten “Münchner Gruppe” aus den späten 60ern, die von Schwabing aus mit unbedingter Liebe vor allem auch zum amerikanischen Kino ins Filmemachen drängte. Heute dreht Thome auch mit 71 Jahren noch Filme, die frischer und jünger wirken als vieles, was gerade auch junge deutsche Regisseure im Herzen der Industrie zustande bringen: Pink etwa war ein kleines Kinowunder, Das rote Zimmer steht dem in nichts nach. Und weil ich es für einen handfesten Skandal halte, dass einer der interessantesten deutschen Regisseure der letzten 40 Jahre seine Filme fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit ins Kino bringt, mit niedrigen DVD-Verkaufszahlen kämpfen muss und seine Filme nur spätnachts im Fernsehen zu sehen sind, ist es für mich Ehrensache eine Lanze zu brechen: Für Rudolf Thome, für das bessere, das interessante deutsche Kino!

Bereits mit seinem ersten Langfilm Detektive gelang Thome 1969 ein kleines Meisterwerk in Schwarz-Weiß, das mit Uschi Obermaier, Ulli Lommel (der deutsche Alain Delon), Iris Berben und Marquard Bohm (ohnehin der heimliche Megastar des deutschen Nachkriegskinos) als coole Ermittler auf eigene Rechnung ungeheuer viel Esprit und Aufbruchstimmung verströmt (mehr dazu in meinem Blog). Nur wenig später und unter den Eindrücken der feministischen Revolte auch innerhalb der 68’er Bewegung entstand Rote Sonne, den Thome seinen beiden “Detektiven” Uschi Obermaier und Marquard Bohm geradezu auf den Leib zuschnitt.

Ein feministischer Western in München-Schwabing

Der Rumhänger Thomas (Bohm) kommt aus Hamburg nach München, wo er auf seine alte Freundin Peggy (Obermaier) trifft. Die wohnt mittlerweile in einer kargen Altbau-WG mit drei anderen jungen Frauen zusammen, die sich geschworen haben, fortan alle ihre Liebhaber am fünften Tage umzubringen … Am Starnberger See schließlich zückt das Pärchen die Waffen: Es kommt zum Showdown zwischen Mann und Frau, wie einst bei King Vidor in Duell in der Sonne.

Absurde Komödie, feministisches Manifest, ein Schwabing-Western im Popgewand der späten 60er, Hommage ans amerikanische Kino und doch lässig und unverbissen Münchner Bohème, gewürzt mit einer Coolness, wie sie nur der ewige Slacker Marquard Bohm auf die Leinwand bringen kann – das alles ist Rote Sonne. Wim Wenders hat den Film seinerzeit mit einem Comicstrip verglichen und völlig abwegig ist das nicht. Rote Sonne verströmt den Charme des Spröden, des Kunst-nicht-wollenden und wirkt dabei gelegentlich so hölzern und unbelebt wie die karg eingerichtete Wohnung der Killerfrauen (einen Eindruck vermittelt dieser YouTube-Clip aus Thomes YouTube-Channel). Und doch: im Zusammenspiel mit Uschi Obermaier s Schmollmund, der Aufbruchstimmung von 1968, der Sexyness von Knarren und Pop-Art, der Lust am Kino als eine Kunst des “bigger than life” ist Rote Sonne wirklich ganz, ganz großartig.

Eine schmalbrüstige DVD-Edition

Leider ist bei der vorliegenden Edition Schmalhans Kochmeister gewesen: Die vom “Spiegel” und “Kinowelt” in der Reihe “Deutscher Film” veröffentlichte Scheibe bringt lediglich den Film – that’s it! Das ist zwar insofern erfreulich, da die erste DVD-Veröffentlichung von Rote Sonne seit geraumer Zeit vergriffen und der Film somit überhaupt wieder erhältlich ist, doch bieten sich gerade bei einem solchen Stück Zeitgeschichte Extras unbedingt an: Wenigstens ein Interview mit Rudolf Thome oder Uschi Obermaier wäre wohl sicher möglich, vor allem aber interessant gewesen.

Immerhin gibt mir dies die Möglichkeit, euch Thomes sehr vorbildliche Website zu empfehlen, auf der man “Online-Bonusmaterial” in rauen Mengen findet. Seit vielen Jahren führt Thome dort ein täglich aktualisiertes, persönliches Blog und stellt viele Materialien zu seinen Filmen zur Verfügung: So gibt es an dieser Stelle Bilder, Clips, ein Kritikenarchiv und gesammelte Interviews zu Rote Sonne. Die Mankos der doch sehr rudimentär geratenen DVD werden dadurch spürbar ausgeglichen.

In diesem Sinne: Gönnt Euch einen Ritt in die Rote Sonne und wenn sich die Möglichkeit bietet: Schaut Euch Das rote Zimmer im Kino an – es lohnt sich!

Rote Sonne ist bei Amazon für 11,99€ erhältlich.

Thomas Groh lebt in Berlin, arbeitet für die Programmvideothek Filmkunst im Roderich und schreibt über Filme, zum Beispiel für die Filmzeitschrift Splatting Image, die taz und das Onlinekulturmagazin Perlentaucher. Wenn er nicht gerade sein Blog aktualisiert, verfasst er wöchentliche DVD-Kolumnen für den moviepilot, in denen er Filme von etwas jenseits des Radars empfiehlt, zuletzt etwa Hayao Miyazakis umwerfenden Animationsfilm Mein Nachbar Totoro, Blake Edwards anarchischen Slapstickfilm Der Partyschreck oder das japanische Antikriegsepos Barfuß durch die Hölle

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