Requiem for a Dream - Eine Achterbahnfahrt durch die Hölle

25.07.2011 - 08:50 Uhr
Aktion Lieblingsfilm: Requiem for a Dream
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Aktion Lieblingsfilm: Requiem for a Dream
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Requiem for a Dream wird von vielen als Meisterwerk angesehen. Auch von einem moviepilot-User. Sein Text zur Aktion Lieblingsfilm zeigt, welche Bedeutung dieser Film für ihn hat.

Die Familie ist kaputt. Kaputt gemacht worden. Schuld sind die Drogen, ob Magerpillen oder Heroin. Aber nicht nur sie sind es, nein, auch die Gier, der Drang danach, die einem nach Benzin rufenden Motor gleichende Sucht nach dem zwanghaften Einnehmen der Drogen. Da spielt es auch keine allzu große Rolle, dass die Freundin und der beste Freund gar nicht wirklich zur Familie gehören – denn mit diesem Alptraum sind sie es und gerade da brauchen sie eine Familie. Und insofern unterscheidet sich Darren Aronofskys zweites (Meister-)Werk inhaltlich kaum von anderen Drogen-Filmen, haben sie doch alle die gleiche Message – Keine Macht den Drogen. Doch es ist die Art und Weise, wie Aronofsky die Bilder einfängt, sämtliche Konfrontationen, Konversationen und Konationen in Szene setzt und die Hoffnung immer weiter dahinfließen und damit sämtliche Depressions- und Angstzustände zum Vorschein kommen lässt, die die Botschaft dann auch wirklich verinnerlicht. Ob hastige und drastische Bewegungen gepaart mit schnellen Schnitten oder die von der Kamera eingefangenen sich immer wieder wiederholenden Gesten und Mimiken der Protagonisten bei der Einnahme der Muntermacher – Aronofsky weiß, wie, wo und in welchem Maße er die Intensität des Visuellen an den Zuschauer loslassen muss, ihm sie ins Gesicht wirft und jedweden Optimismus liquidiert. Was bleibt, ist die pessismistische und grauenhafte Realität.

Die Familie zerstört sich mehr und mehr. Alle Hoffnung schwindet mit jedem Schuss, mit jeder Pille, und immer tiefer geraten die Individuen in den Sumpf der Abhängigkeit und des Verlorengehens, dem Ausscheiden aus der Gesellschaft. Ob Jared Leto, Jennifer Connelly oder Ellen Burstyn – allen Dreien sieht man ihre Hoffnungslosigkeit an, ihre anfängliche Freude an ihren Spaßmachern und dem endgültigen Verlorensein in dieser hassenswerten Welt voller Abschaum und erledigten Mensch, in der sich jeder nur noch um sich selbst kümmert, wo doch gerade Zerronnene Beistand und Hilfe brauchen, und Ärzte den Patienten, dem sogar ein Taubstummer die Drogensucht anmerkt, nicht mehr anschauen und ihm ohne Zögern das Remedium ausschreiben. Ja, auch el oh mundo tan hermoso ist kaputt, regiert von einer noch kaputteren Majorität.

Die Familie findet den Tod. Rein innerlich, hinuntergezogen in die Tiefen des Selbsthasses, verschwunden zwischen dem Nichts und der Grenze dessen, was wir als Ottonormalverbraucher nicht mehr wahrnehmen. Gefangen in der eigenen Welt, verlassen auch vom letzten Freund, den mittlerweile lebensnotwendigen Aufpuschmitteln, und zurückgelassen dort, wo dich niemand sieht und sehen will, genau da ist der einzige Ausweg aus den physischen Schmerzen – “I can’t take it man, my arm, MY FUCKING ARM!” – wie psychischen Wunden – der abgrundtiefe Willen, alles Notwendige zu tun um die Drogen zu bekommen – die Wiedergeburt, der neue Lebensbeginn in der ungeschützten, gebrechlichen und Hilfe suchenden Kindslage.

Die Familie ist keine mehr. Dass dieser (Anti-)Drogentrip dem Zuschauer auch als solcher vorgeführt werden kann, ist nicht nur allein Aronofskys Verdienst; es ist die vollkommende Symbiose seiner Arbeit mit der Musik Clint Mansells – allem voran Lux Aeterna, welches seine Wirkung und Intensität schon bei der harmlos erscheinenden Exposition beweist, in dem selbst der Transport eines einfachen Fernsehers zur emotionalen Belastung der Sinne wird. Requiem for a Dream ist wie eine wilde Achterbahnfahrt durch die Hölle, die ganz unten anfängt (Summer), stürzt ([=] Fall) und tiefer nicht fallen kann (Winter); und dennoch berührt und überwältigt, zeigt der Film doch den sozialen Niedergang von vier Personen innerhalb eines dreiviertel Jahres.

“We got a winner, I said we got a winner, we got a winner.” – keiner der Protagonisten, nein, wir, die Zuschauer. Ein Film, den man der Abschreckung wegen rechtzeitig in Schulzeiten zeigen sollte. Ein Film, den man als Liebhaber des Mediums gesehen haben muss. Ein Film, der unter deine Haut geht und dir deine Nerven zerfetzt. Schau nicht weg, sonst ist die Reaktion die selbe. Schau hin und erlebe es.
Keine Macht den Drogen – alle Macht dem Darren Aronofsky.


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