Regisseure aus Österreich - Hart und schonungslos

19.09.2012 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Szene aus Funny Games von Michael Haneke
Concorde-Castle Rock/Turner
Szene aus Funny Games von Michael Haneke
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Ab morgen könnt ihr Michael Hanekes Liebe, ein ungeschöntes Porträt des Alterns, im Kino bewundern. Auch unabhängig davon fällt auf, dass die harten und schonungslosen Themen im deutschsprachigen Raum oft von Österreichern angegangen werden.

Liebe von Michael Haneke kommt morgen in die deutschen Kinos. Das Drama ist vor allem eins: schonungslos. Nicht im Sinne von Blut oder Gewalt, eher im Bezug auf die Darstellung des Lebens. Der Regisseur begleitet in seinem Film ein Paar beim Sterben. Er zeigt in ungeschönten Bildern den körperlichen und geistigen Verfall, der damit einhergeht. Während die Jury des Filmfests von Cannes diese Herangehensweise mit dem Hauptpreis, der Goldenen Palme, belohnte, sticht uns vor allem die Nationalität des preisgekrönten Regisseurs ins Auge. Hart und ungeschönt bis an die Schmerzgrenze – eine Beschreibung die auf einige österreichische Filme zutrifft. Sind die Österreicher nicht nur die lustigeren, sondern auch die schonungsloseren Deutschen? Vier österreichische Regisseure belegen diese These.

Natürlich beginnen wir mit Michael Haneke persönlich, von dessen extremen Werk wir nur ein paar thesenstützende Beispiele behandeln wollen. Bevor er in Liebe den Verfall eines Pariser Ehepaars beleuchtete, hat er einen Film gedreht, der der klassischen Assoziation mit dem Wort ‘schonungslos’ dann doch etwas näher kommt. In Funny Games treiben zwei junge Männer ihre lustigen sadistischen Spielchen mit einer Kleinfamilie. Hier geht es jedoch nicht um Splatter oder Horror, am meisten schmerzen die Bilder, die der Regisseur nicht zeigt und die sich somit nur im Kopf des Zuschauers abspielen. Auch Die Klavierspielerin gehört in diese Reihe. Was für Liebe der Tod und für Funny Games die (psychische) Gewalt ist, ist in Die Klavierspielerin der Sex. Die Vorlieben der Musikerin sind zum Wegsehen und wieder hat es Michael Haneke geschafft, ein ungutes Gefühl in unserer Magengegend zu erzeugen.

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Doch der frankophile Regisseur ist nicht der einzige Österreicher, der es versteht Bauchgrimmen beim Zuschauer zu erzeugen. Auch Michael Glawogger hat dieses Talent. Nicht unbedingt bei seinen Spielfilmen. Nacktschnecken oder Contact High enthalten zwar durchaus auch Sex und Gewalt, aber was diese beiden Urtriebkraften der Filmindustrie angeht, sind wir mittlerweile doch einiges gewohnt. Der gebürtige Grazer wühlt sein Publikum in seinen Dokumentationsfilmen auf. Schon mit Workingman’s Death, in dem er das Schicksal und die Lebensumstände der weltweiten Arbeiterklasse beleuchtet, legte er den Finger in weltweite Wunden. Im Jahr 2011 folgte Whores’ Glory – ein Triptychon. Im Film begleitet er Prostuierte aus verschiedenen Teilen der Erde – beobachtend, realistisch, schonungslos. Whore’s Glory tut so weh, dass jeder ihn einmal gesehen haben sollte.

Auch ein langjähriger enger Begleiter Michael Glawoggers gehört in diese Sammlung: Ulrich Seidl. Bereits 1989 haben die beiden gemeinsam die Doku Krieg in Wien gedreht. Im Übrigen reden wir über den Ulrich Seidl, der vor kurzem mit Paradies: Glaube das Filmfest von Venedig aufgemischt und einige Katholiken verärgert hat. Die Szene, in der eine strenggläubige Christin sich mit einem Kruzifix befriedigt, passt nur zu gut in diesen Artikel. Das schmerzhafte Meisterstück Ulrich Seidls, seine persönliche Tour de Force, ist jedoch Hundstage. Im dokumentarisch angehauchten Spielfilm beleuchtet er die zwischenmenschlichen Beziehung verschiedener Bewohner Wiens. Manchmal nur trist und hoffnungslos, manchmal geprägt von Gewalt und Sex. Wenn Ulrich Seidl Alltag zeigt, ist das nur schwer zu verdauen.

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Bemerkenswert ist, dass die österreichischen Filmemacher ihre Schonungslosigkeit nicht einmal dann vergessen, wenn sie lustig sind. Klar, der schwarze Humor ist in der Alpenrepublik sowieso Exportgut Nummer Eins, doch unser letztes Beispiel beweist, dass auch die Grenzen zwischen Humor und Härte in Österreich fließend sein können. So auch in Silentium von Wolfgang Murnberger. Im zweiten Brenner-Film wiegt der Regisseur uns anfangs noch in humoristischer Sicherheit. Doch als die Machenschaften eines Frauenhändlerrings visualisiert werden, gefriert unser Lächeln. Diese Szenen sollen nicht lustig sein, sondern schonungslos – und das inmitten einer Komödie. Eine mutige, aber äußerst gelungene Herangehensweise.

Warum nun kommt solch starker cineastische Tobak aus Österreich? Vielleicht ist es eine Frage der Mentalität. Unsere südlichen Nachbarn sind bekannt für ihren zynischen und schwarzen Humor – womöglich lassen sich diese Adjektive auch auf die generelle Weltsicht oder zumindest auf die Fähigkeit, negative Aspekte des Lebens zu benennen, übertragen. Natürlich spielt auch die Größe der Alpenrepublik eine Rolle. Länder wie Dänemark oder Belgien haben bewiesen, dass eine größere Marktunabhängigkeit – in kleinen Ländern lassen sich auf Grund des kleinen Marktes mit Filmen sowieso kaum Gewinne erzielen – die Kreativität einer Filmszene befördert. Vielleicht reden wir auch einfach nur von vier bemerkenswerten Regisseuren, die jeder für sich versuchen, Grenzen zu durchbrechen. Wir wünschen uns jedenfalls mehr davon, auch wenn die Meinungen über oben genannte Filme durchaus kontrovers ausfallen dürften. Aber der Mut, sich an Grenzen zu reiben, hat dem Kino noch nie geschadet.

Was haltet ihr vom schonungslosen Kino aus der Alpenrepublik?

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