Pre-Code Hollywood: Verzweifelt auf dem Weg nach oben

26.11.2017 - 00:00 Uhr
Barbara Stanwyck und Theresa Harris in Baby Face
Warner Home Entertainment
Barbara Stanwyck und Theresa Harris in Baby Face
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Der Anziehungskraft von Pre-Code Hollywood-Filmen konnte ich mich monatelang nicht entziehen. Denn achtzig Jahre später ist die verzweifelte Kraft der Figuren immer noch ansteckend.

Manchmal geht es ganz schnell. Ich stolpere über einen Begriff namens Pre-Code Hollywood, höre die klangvollen, aber für mich eigentlich noch unbekannten Namen Howard Hughes, James Cagney oder Jean Harlow und schon bin ich davon überzeugt, dass ich schnellstmöglich alle wichtigen Filme, die unter diesem Begriff zusammengefasst sind, sehen muss. Ich durchstöbere Wikipedia nach wichtigen Titeln, konsultiere die Webseite des berühmten Kritikers Roger Ebert nach Filmbesprechungen, werfe einen Blick in meinen Filmführer und schon habe ich mir eine Liste zusammengestellt, an der ich wochenlang festhalte. Auf die ich starrsinnig in meinem Kopf wider alle sich ändernden Umstände beharre.

Unnachgiebig auf dem Weg zurück in die 1930er

Ich checke die Streaming-Webseiten, Plattformen für gebrauchte DVDs, Auktionsportale, die Stadt- und natürlich die Universitätsbibliothek und schaue bei jeder freien Gelegenheit, die mir mein Alltag bietet, einen Film aus der Liste, die ich mir zusammengestellt habe. Es reicht mir nicht, nur an der Oberfläche zu kratzen, nur die wichtigen Namen zu kennen oder ein leuchtendes Beispiel zitieren zu können. Ich muss zumindest so viel davon aufgesogen haben, dass ich rein hypothetisch die Signifikanz des Phänomens glaubwürdig einer nicht-kundigen Person beschreiben könnte. So sitze ich in einem der kleinen Medienräume, welche die Freiburger Universitätsbibliothek zu Verfügung stellt, klemme mir ein paar klapprige Leih-Kopfhörer auf den Kopf und schaue an einem Tisch in der hintersten Ecke auf einem kleinen Bildschirm Baby Face mit Barbara Stanwyck an. (Die UB gibt ihre Datenträger nicht heraus, sondern gestattet ausschließlich das Recht, DVDs in den dafür vorgesehenen Räumlichkeiten vor Ort anzugucken.)

1932: Filmposter zu Scarface

Meine Obsession treibt mich dazu an, Schnittfassungen zu recherchieren, Restaurationen nachzuvollziehen, Online-Bewertungen zu sichten und Bonusmaterial zu analysieren. Mal sitze ich im Wohnzimmer meiner Eltern in Tübingen, mal auf der Couch eines Freundes in Berlin. Wann immer ich – auch in solch turbulenten Monaten wie den letzten – Zeit finde, nutze ich die Gelegenheit einen Film aus der Pre-Code-Ära Hollywoods zu gucken. Es ist eine Aufgabe, der ich mit unnachgiebiger Trainingsverbissenheit nachgehe.

Das Gefühl, Schätze zu bergen

Je gröber die Bildschärfe, je körniger das schwarz-weiße Bild, je verzerrter der Ton, desto schwerer fällt es mir zwar konzentriert zu bleiben, aber desto mehr begeistert mich auch die Herausforderung. Sie gibt mir das Gefühl, Schätze zu bergen, die nur noch selten von Menschenaugen erfasst werden. Dabei begeistert mich die Vorstellung unter all der Hektik unserer Popkultur – mit der wahnwitzigen Geschwindigkeit, in der Filme einerseits Aufmerksamkeit auf sich ziehen und sie gleichermaßen schnell wieder verlieren – etwas zu finden, das greifbaren Wert hat. Geschichten zu entdecken, die in der Lage sind, die innersten Sehnsüchte der Menschen freizulegen und somit über Jahrzehnte ihre Anziehungskraft behalten.

Das macht Filme aus der Pre-Code-Ära für mich zu wichtigen Dokumenten ihrer Zeit; sie erzählen mir davon, wie es war im Amerika der Wirtschaftskrise, nach dem Ersten Weltkrieg und während großer gesellschaftlicher Veränderungen zu leben. Und obwohl diese Ära seit über achtzig Jahren vorüber ist, erkenne ich auch, dass ich mit den Menschen jener Zeit verwandt bin. Ich spüre, dass wir einer Spezies angehören. Nichts was diejenigen, die vor uns lebten, dachten, ist deshalb wertlos, weil ihre Konflikte in der Vergangenheit liegen

Der Weg nach ganz oben wird zur Falle

Die USA erlebten den Ersten Weltkrieg nur von 1917 bis 1918 und dennoch erschrak sie dieser erste voll-industrialisierte Konflikt  genauso, wie alle anderen Nationen, die daran beteiligt waren. Millionen Soldaten wurden in nie dagewesenen Armeen über den Kontinent geschickt. Bomben ungekannter Kraft zerstörten ganze Landstriche und die Giftgas-Angriffe gaben dem Krieg seine ganz besonders grausame Note.

Hell's Angels mit Jean Harlow

Es war schwer in all dieser Hässlichkeit die Vorstellung vom noblen Soldaten aufrecht zu erhalten. Zu viele hatten gesehen, was moderne Kriegsführung mit den Menschen anrichtet. Trotzdem suchte der Multimilliardär Howard Hughes einen Weg, auch dem Ersten Weltkrieg seine Helden zu geben. Für seinen konventionellen Ritterplot braucht er weder lebendige Pferde, noch eiserne Rüstungen. Hell's Angels erzählt die Geschichte dreier Flieger-Asse, die am Himmel ihre wundervollen Erfindungen durch die Lüfte jagen und am Boden um die Hand ihrer Angebeteten werben.

Doch heute ist die Pre-Code-Ära insbesondere für ihre tragischen Gangster-Epen bekannt. Die Grundlage dafür bot die von 1920-1933 gültige Prohibition , die festlegte, dass Alkohol in den USA weder produziert, noch transportiert, noch verkauft werden durfte. Deshalb fanden sich schnell Organisationen zusammen, die illegal Alkohol importierten und so den Bedarf auf dem Schwarzmarkt deckten.

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