Münster macht Schluss mit lustig

26.10.2009 - 07:00 Uhr
Boerne: Mit allen Wassern gewaschen
ARD/WDR
Boerne: Mit allen Wassern gewaschen
Ein Priester wurde totgefahren, Boerne schwer verletzt und der Tatort Münster wollte zeigen, dass er mehr bieten kann als satirische Spaßkrimis.

So gut die Münsteraner Kriminalfälle um das in Hass-Liebe verbundene Ermittlerpaar Boerne und Thiel sind, sie hatten sich in den vergangenen Folgen immer weiter in Richtung Komödie bewegt. So weit, dass es fraglich war, wie lange das Konzept als reine Farce noch funktionieren konnte, ohne zu implodieren.

Foto-Show: die Bilder zum “Tatort: Tempelräuber”

Wieviel Klamauk, wieviel Slapstick, wieviel absurde Situationen vertragen Figuren, ehe sie von Charakteren zu Karikaturen werden? Offenbar nicht unendlich viel, denn mit dem jüngsten Beitrag der Reihe zogen die Macher die Notbremse. Und das war auch gut so.

Was nicht heißen soll, dass der Fall um den ermordeten erzkonservativen Regens, das zwiespältige Priesterseminar und einen im wahrsten Sinne des Wortes gehandicappten Boerne humorlos war. Wie immer gab es die bissigen Plänkeleien zwischen der Stammbesetzung, wie immer durfte Boernes Assistentin “Alberich” gegen den Chef austeilen, wie immer herrschten Reibereien zwischen Thiel und seinem taxifahrenden Vater. Besonders da dessen Wagen die Mordwaffe war.

Ein toter Priester zählt in Münster für zwei Bürgermeister

Doch diesmal wurde mehr als Spaß geboten. Regisseur Matthias Tiefenbacher und sein Drehbuchautor Magnus Vattrodt schafften es, Boerne tatsächlich von der unausstehlichen, selbstgefälligen Schnöselskizze zu einem Menschen werden zu lassen. Mit zwei gebrochenen Armen, unfähig sich selbst zu versorgen, musste Boerne sich widerwillig mit einer Haushälterin und ihrem Sohn arrangieren. Anfänglich voller Abscheu, zeigte Jan Josef Liefers feine Nuancen, die Boernes menschliche Seiten erahnen ließen. Wenn er sich nach einem ungerechtfertigten Wutausbruch beim jungen Steffen entschuldigt und ihm anvertaut, wie sehr er als Kind Geige spielen gehasst hat, weil ihn sein Vater dazu nötigte, ist das ein durchaus rührender Moment, der überrascht, weil sich die Münsteraner Tatorte gemeinhin keine sentimentale Blöße geben wollen.

Ein Kind als Mörder: Konsequenz des Zölibats?

Am Ende stellte sich heraus, dass Steffen der heimliche Sohn eines Priesters ist und den Regens in Panik umbrachte, weil er fürchtete, dieser wolle das Leben seines Vaters zerstören. Diese Auflösung kam dann zwar nicht sehr überraschend und verlor durch die etwas steife Schauspielleistung des jungen Wolf-Niklas Schykowski an Wucht, bot aber immer noch emotionale, packende Unterhaltung mit spannenden Fragestellungen. Das Leid, das das Zölibat über viele “heimliche” Familien bringt, wurde hier fast beiläufig, dafür aber umso glaubwürdiger thematisiert. Auch wenn es dafür mehrere dramaturgische Zwangsgriffe brauchte, blieb doch die Zwangslage des Priesters in sich stimmig: Er verliebte sich unerlaubt und zeugte ein Kind, das er sein Leben lang verleugnen und nur heimlich sehen durfte.

Und auch das Ermittlerteam tat gut daran, die reine Komödie diesmal – im wahrsten Sinne des Wortes – die zweite Geige spielen zu lassen. Beim nächsten Fall dürfen Boerne und Thiel dafür dann gerne auch wieder mehr herumalbern. Wir wissen ja jetzt, dass sie ab und zu auch ernst sein können.

Jetzt ist eure Meinung gefragt: Wie gefiel euch dieser ernstere Tatort: Tempelräuber? Schaffte er den Spagat zwischen Spaß und Drama?

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