Mr. Turner grunzt sich zum Cannes-Favoriten

16.05.2014 - 10:08 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Timothy Spall in Mr. Turner
Film 4
Timothy Spall in Mr. Turner
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Nachdem es für den Eröffnungsfilm Verrisse hagelte, stürzten sich die Kritiker regelrecht erleichtert auf den neuen Film von Mike Leigh. Mr. Turner und sein Hauptdarsteller Timothy Spall werden als erste Favoriten für die Hauptpreise des Festivals in Cannes gehandelt.

Seit rund 20 Jahren will Mike Leigh (Another Year) einen Film über den britischen Maler J. M. W. Turner drehen, der mit seinen romantischen Gemälden einer der einflussreichsten Künstler des 18. und 19. Jahrhunderts wurde. Nun feierte sein neues Werk Mr. Turner – Meister des Lichts beim Festival Cannes Premiere. Dabei eroberte das Biopic die Herzen der Kritiker, woran das Grunzen des gefeierten Timothy Spall (Lügen und Geheimnisse) nichts ganz unschuldig ist.

Worum es in Mr. Turner geht:
Der Film legt den Fokus auf das letzte Vierteljahrhundert des großen, wenn auch exzentrischen britischen Malers J.M.W. Turner (Timothy Spall). Turner, zutiefst bewegt vom Tod seines Vaters und geliebt von einer Haushaltshilfe, die er gelegentlich sexuell ausbeutet, entwickelt in dieser Zeit eine enge Beziehung zu einer Hausbesitzerin, mit der er schließlich unerkannt in Chelsea lebt, wo er 1851 stirbt. Währenddessen reist Turner, malt, umgibt sich mit dem Landadel, besucht Bordelle, ist ein beliebtes, wenn auch anarchisches Mitglied in der Royal Academy of Arts, lässt sich an einen Schiffsmast schnüren, um einen Schneesturm malen zu können und wird sowohl gefeiert als auch beschimpft von der Öffentlichkeit und dem britischen Königshaus.

Mehr: Wettbewerb für Cannes Filmfestival 2014 steht fest

“So gelungen wie in seinen Details ist [der Film] in seinem epischen Umfang”, schreibt Jonathan Romney in Screen Daily. “Mr. Turner funktioniert gleichermaßen als ungeschminktes Porträt des Malers und seines Umkreises, wie auch als groß angelegte Beschwörung des viktorianischen Englands. Der Film belebt seine Epoche so energievoll, dass wir Zuschauer Turners Zeitalter selbst so intim beiwohnt wie wir es beim zeitgenössischen Großbritannien in Leighs Dramen getan haben.”

“[Timothy Spalls Turner] grunzt und grimassiert und grabscht seinen Weg durchs Leben. Er redet wie ein Marktschreier nach einem Crashkurs in klassischer Literatur. Leigh derweil entdeckt Turners Leben unbelastet durch irgendeine andere Zielsetzung als die intensive, ansteckende Faszination für diesen Mann, sein Werk, seine Zeit und, zunehmend, den unaufhaltsamen, langsamen, unwiderstehlichen Trott in den Tod.” (Dave Calhoun, Time Out)

Ein Biopic ohne Heldenverehrung sei Mr. Turner geworden, schreibt Nino Klingler bei Critic.de “Von nun an wird uns jeder Huster an Turner erinnern. […] So grandios [die Natur] sich über die Seeszenen und flandrischen Landschaften ergießt, so penetrant rückt sie dem einzelnen kleinen Menschen auf den schwächlichen Leib. […] Auf diese Weise entsteht erst einmal eine enorme Distanz zwischen Person und Werk, was Mr. Turner zugleich meilenweit von der unterwürfig-ehrerbietenden Haltung vieler Biopics entfernt.”

Szenen von “absoluter Grossartigkeit” sah Michael Sennhauser in Mr. Turner, in diesem “Monster” von einem Film: “Das sterbende Rhinozeros, das wir da vor uns haben, erregt Mitleid und Bewunderung zugleich.”

Während manche Kritiker die Längen des knapp 150 Minuten umfassenden Films bemängeln, fällt Roman Schreiber vom ray Magazin nur die Musik negativ auf: “Wenn es einen Makel an diesem außergewöhnlich bildstarken, detailverspielten Film gibt, dann ist es die mitunter aufdringliche Musik – sie dramatisiert das Spektakel unnötig übertönend, was mit Leighs präziser Gestaltung geerdeter Figuren kontrastiert.”

Mehr internationale Kritiken zu Mr. Turner gibt es auf fandor. Eine Übersicht über die deutschen Kritiken wird bei Film-Zeit zu finden sein.

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