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Mit Raumanzügen im Waschsalon

06.10.2018 - 08:42 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Die unendliche Geschichte
Constantin Film
Die unendliche Geschichte
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Buchverfilmungen in Zeiten von 3D, HD und mangelnden IDn.

Der Mensch hat schon immer Geschichten erzählt. Geschichten sind wichtig, um die Welt besser zu verstehen. Vor Urzeiten dachte man, die Sterne wären Lampen die die Götter anzünden, Sternschnuppen Münzen eines Arcadespiels in welchem wir uns befinden und zu dem der Himmel die Innenseite des Monitors ist, der Blitz wäre ein hammerwerfender Tor, und am Ende des Regenbogens tanzt ein Leprechaun auf einer Schatztruhe zu bulgarischen Frauenchören. Unsere ganze westliche Zivilisation ist auf einer fantastischen Geschichte eines jüdischen Zimmermans aus dem nahen Osten aufgebaut, der die Menschen mit Zaubertricks glauben lassen wollte, sein Vater wohne über den Wolken. Aber wir sollten nicht aus unserer Perspektive heraus urteilen. Als uneheliches Kind hatte man es seinerzeit nicht leicht.

Nachdem der Buchdruck erfunden wurde, fingen einige an, Geschichten in Bücher zu schreiben. Nicht jeder konnte lesen, also wurden diese Geschichten gemalt, oder im Theater aufgeführt. Vor allem die Oper diente als Platz zur Neuinterpretation von Dramen und Romanen. Das ist auch heute noch so. In der Oper gibt es heute einen Krieg zwischen Traditionalisten die am liebsten noch die originalen Kostüme inklusive der Motten aus der Renaissance verwenden möchten, und den Innovatoren, die Tristan und Isolde mit Raumanzügen im Waschsalon auftreten lassen. Häresie! Eine Vergewaltigung des ursprünglichen Autors! Wer auch immer das gewesen sein mag...

Im Kino ist es nicht anders. Seit es das Medium Film gibt, dienen Romanvorlagen als Stoff zum Verfilmen. Fast jedes Buch das etwas von sich hält, gibt es in mindestens einer Zelluloidversion. Einige wie Emily Brontës Sturmhöhen sogar in knapp 20. Es gibt Bücher die als „unverfilmbar“ gelten, bis sich dann doch ein Regisseur ran traut.

Die Frage die ich hier stellen möchte ist: Wann ist eine Buchadaption gelungen?

Es gibt Kritikpunkte die man bei nahezu jeder Buchverfilmung hört. Im Folgenden die wohl häufigsten Beispiele.

- Sachen wurden ausgelassen.

- Sachen wurden verändert.

- Es sieht alles ganz anders aus als im Buch.

Nun, ein Film tötet nun mal die eigene Fantasie die man zu einem Buch hatte. Darüber brauchen wir uns nicht zu streiten. Wer das nicht mag, soll sich den Film eben nicht ansehen.

Dass etwas ausgelassen wurde, oder gar verändert wurde, ist jedoch so gut wie immer ein Punkt der kritisiert wird. Und das ist etwas, das ich nicht verstehe. Warum gucke ich mir einen Film an, dessen Buch ich schon kenne, wenn der Film identisch zum Buch ist? Oder umgekehrt? Dann brauche ich doch nur eines von beidem. Ein Film kann nie eine Kopie eines Buches sein, und das sollte auch niemals seine Intention sein. Ein Film kann auch erst recht nicht ein Buch ersetzen. Ein Film ist immer nur eine mögliche Interpretation eines Regisseurs. Ich finde man sollte froh sein, dass ein Film sich vom Buch deutlich unterscheidet, denn sonst brauche ich den Film doch nicht sehen. Es gibt Filme, da schafft man es nur mit Mühe und Not, das originale Buch noch zu erkennen, und oft sind dies die besten Buchverfilmungen. Denn eines steht fest. Die mitunter entscheidendsten Elemente eines Buches, nämlich der Stil, die Mittel und die Sprache, können nicht in einen Film einfließen.

Die Handlung hinter Faulkners „Absalom, Absalom!“ ist für einen Film ziemlich banal, aber der literarische Stil macht aus dem Buch erst den nobelpreiswürdigen Träger, welches es ist. Die Erzählstrukturen aus McEwans „Atonement“ konnten in „Abbitte“ nur angedeutet werden, können aber niemals die gleiche Kraft entfalten wie im Roman. Die Verfilmung von „Der Name der Rose“ enthält lediglich die Story und die in dieser enthaltenen Metaebene. Ecos Ausflüge in die Semiotik und die für ihn typische Darlegung seines eigenen enzyklopädischen Wissens, haben im Film noch nicht mal ansatzweise einen Platz gefunden. Und dennoch lohnt sich der Film, da er atmosphärisch das Buch um Längen schlägt. Ganz anders Cronenberg. Er wusste, dass „Naked Lunch“ nicht verfilmbar ist, und hat Realität mit Fiktion vermischt, und dadurch etwas völlig eigenes kreiert, das dennoch näher am Geist des Buches ist, als so manch andere konservative Buchverfilmung. Einen ähnlichen Weg ist Gilliam mit „Fear and Loathing in Las Vegas“ gegangen, bei dem er uns höchstens ein „Gefühl“ für das Buch vermittelt.

Worauf will ich hinaus? Wenn sich nochmal jemand beschwert, dass die Harry Potter Filme nicht wie die Bücher sind, bekommt derjenige lebenslängliches Hogwartsverbot. Meistens geht es demjenigen sowieso nur darum, uns mitzuteilen, dass er die Bücher gelesen hat. Wer die Bücher nicht kennt, kann sie nach den Filmen ohne Probleme lesen, denn sie sind von der Story her in der Tat viel umfangreicher als die Filme. Und wer die Bücher gelesen hat, kann sich ohne Probleme auch die Filme ansehen, gerade weil sie nicht exakte Kopien der Bücher sind.

Das eigentliche Problem ist doch, dass wir aus Geschichten nur noch die Handlung mitnehmen. Gerade im hollywoodschen Erzählkino wird nahezu jeder Film darauf reduziert. Eine Geschichte enthält aber so unendlich viel mehr. Es sind diese zusätzlichen Ebenen die eine Geschichte ausmachen. Denn mal ehrlich, die mit Fantasyelementen bestückte Story vom oben erwähnten Zimmermann ist doch ziemlich öde. Und dennoch hat sie die letzten 2000 Jahre so sehr beeinflusst wie keine andere. Im Guten sowie im Schlechten. Und welche der gefühlt 665 Bibelverfilmungen sind einem am meisten im Gedächtnis geblieben? Genau die, die stark vom Original abweichen. „Das Leben des Brian“ oder wem das zu provokant ist Scorseses „Silence“.

Eine gute Buchverfilmung ist nämlich nicht dadurch definiert, dass diese sich so nah wie möglich an die Vorlage hält. Das wäre dann eine Kopie auf einem anderen Medium, und würde lediglich Lesemuffel dienen, um das Buch herumzukommen. Die Vorlage sollte wie bei jedem Kunstwerk lediglich die Inspiration dafür sein, etwas Neues und Eigenes zu kreieren. Eine gute Buchverfilmung ist nicht besser oder schlechter als das Buch. Sie ist anders.

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