Mit Peter Greenaway Bilder lesen lernen

05.04.2012 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Peter Greenaway bei Nachtwache
E1 Entertainment
Peter Greenaway bei Nachtwache
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Der britische Regisseur Peter Greenaway feiert heute seinen 70. Geburtstag. Vor einiger Zeit hat er das Kino für tot erklärt. Es lebt fleißig weiter und rückblickend hat der Filmemacher einiges dazu beigetragen.

Vor mehr als 10 Jahren hat der britische Filmemacher Peter Greenaway das Kino für tot erklärt. Dinosaurier sterben langsam, aber inzwischen wackelt Hollywood nur noch müde mit dem Schwanz. Das Kino ist längst tot, weil es immer noch als Illustration von Text funktioniert, statt eigenständige Bilder zu schaffen. (Spiegel) Ich mag diese These nicht teilen, aber kann den Regisseur für seinen Anspruch auch nicht verdammen. Immerhin hat er mit drei Filmen dazu beigetragen, dass Kino und Film für mich heute mit das Wichtigste in meinem Leben sind.

Der Kontrakt des Zeichners – Der etwas andere Historienfilm
Ein Maler, überaus angesehen bei der Bourgeoisie und extrem von sich eingenommen, soll zwölf Zeichnungen von einem Anwesen anfertigen. Weil er sich als exzellent einschätzt, soll die Hausherrin auch seinen sexuellen Wünschen nachkommen. Aber das höfische Spiel ist intrigant und das bekommt er zu spüren … Der Historienfilm kommt wie ein Kriminalstück daher, um dann über ästhetische Fragen der Bildkunst zu reflektieren: Was sich geschreiben anhört wie eine langweilige Vorlesung ist überaus doppeldeutig in Szene gesetzt und mit intelligenten sowie ironisch-satirischen Dialogen versehen. Zudem ist der Film exzellent fotografiert. Ein frühes Meisterwerk von Peter Greenaway.

Verschwörung der Frauen – Mathematik mal ganz anders
Drei Frauen – Großmutter, Mutter und Enkelin – sind ihre Ehemänner leid und verbünden sich mit einem Leichenbeschauer, um die Morde zu vertuschen. Was sich auf der Handlungsebene oberflächlich wie ein Krimi anhört, ist nicht nur auf der visuellen Ebene viel mehr. Peter Greenaway inszeniert rätselhafte Spiele mit Zahlen, Spiele, die einer Logik folgen, die der Zuschauer sich schwer erschließen kann. Spaß machen sie allemal, den sie sind überaus makaber und bieten zahlreiche Assoziationen, über die sich der Zuschauer lustvoll den Kopf zerbrechen kann. Und wieder sind es die Bilder, das Licht und die Farben, die regelrecht einen Rausch entfachen.

Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber – Kannibalistische Rachetragödie
In einem exklusiven Restaurant wird nicht nur dem Fressen gefrönt, sondern auch der Liebe, der Rache und der Brutalität. Ein Gangsterboss unterdrückt seine Frau und als diese eine Beziehung mit einem Buchhändler beginnt, löst sie damit eine Racheorgie der besonderen Art aus. Opulent wird hier die Hölle auf Erden in Szene gesetzt, paradox ist das Verhalten der Akteure und leidenschaftlichen Sex gibt es ebenfalls. Ein Leichenschmaus der ganz besonderen Art.

Mit diesen drei Filmen hat sich Peter Greenaway in meinen Verstand geschlichen. Auch wenn ich seinen späteren Werken nicht mehr viel abgewinnen konnte, bleibt er für mich einer der Meister des europäischen Films, der die Bilder immer in den Vordergrund rückte. Bei ihm macht es enorm Spaß, Bilder und Zeichen lesen zu lernen. Meine Gratulation zum 70. Geburtstag.

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