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Mit dem Presslufthammer einen Nagel in die Wand hauen

14.11.2019 - 10:57 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
The Limits of Control
Tobis Film GmbH & Co. KG
The Limits of Control
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Objektive Subjekte

Es wurde schon oft diskutiert... Wie objektiv kann eine Bewertung sein? Ich behaupte, es gibt keine Objektivität bei Bewertungen. Andere sind der Meinung, man könne einen Film durchaus nach objektiven Kriterien beurteilen. Wer hat denn nun Recht?

Alleine die Tatsache, dass derart unterschiedliche Meinungen existieren, beweist in meinen Augen nur, wie subjektiv das ganze Thema ist. Um es mit dem Getrigger jetzt nicht zu übertreiben, sei gesagt, dass mir durchaus bewusst ist, dass jeder auf unterschiedliche Weise bewertet, und wenn jemand seine Bewertung alleine nach Kriterien wie Kameraarbeit, Handlungsaufbau, schauspielerische Leistungen oder Schnitttechnik bewertet, ist das eine legitime Bewertung. Sie ist aber ebensowenig objektiv wie jemand der lediglich bewertet, wieviel Spaß er beim Zusehen hatte.

Der Unterschied zwischen diesen beiden Herangehensweisen liegt demnach nicht in der Objektivität, sondern genau genommen darin, was ich eigentlich wirklich bewerte. Denn beide Vorgehensweisen bewerten letztendlich nicht den Film selbst. Zumindest nicht direkt. Wenn ich zur zweiten Kategorie gehöre, bewerte ich die Wirkung die der Film auf mich hatte. Hatte ich Freude beim Schauen? Hat es mir ein unvergessliches Erlebnis beschert? Hat es mich zum Nachdenken angeregt, und mir vielleicht neue Aspekte aufgezeigt? Oder habe ich mich unglaublich gelangweilt, geärgert oder geekelt? Ich denke, die meisten werden mir zustimmen, wenn ich behaupte, dass diese Vorgehensweise komplett subjektiv ist.

Was ist aber mit Kandidat A? Eine gute Kameraarbeit kann man doch würdigen, unabhängig davon wie man den Film gefunden hat. Klar kann man das. Was hier bewertet wird ist aber auch nur indirekt der Film selbst. Was hier bewertet wird, ist die Arbeit die hinter dem Film steckt, und weniger das Endprodukt selbst.

„Mag ja sein“, werden jetzt einige denken. „Aber objektiver geht es ja wohl gar nicht mehr!“. Doch wer legt fest, wann die Kameraarbeit gut ist? Geht es wirklich nur darum, wieviel technisches Know-How dahinter steckt? Oder wie aufwendig eine bestimmte Arbeit ist? Sind solche Kriterien nicht vollkommen willkürlich? Ist die Art der Kameraarbeit nicht davon abhängig, was der Film gerade treibt? Also, sollte die Kamera nicht zweckdienlich eingesetzt werden? Ist es nicht so, dass was für den einen Film brillant sein kann, für den anderen das schrecklichste Mittel überhaupt ist? Und wer entscheidet wann denn nun was der Fall ist? Ist all dies nicht ebenfalls rein subjektiv? Oder geht es mir wirklich darum, dass alle Beteiligten sich halb kaputt gearbeitet haben, damit ich genau dies würdigen kann? Kann man machen. Ist aber auch nur subjektiv, denn alleine die Festlegung nach welchen Kriterien ich etwas bewerte ist weit davon entfernt objektiv zu sein.

Es gibt Leute, die staunen über die neusten Spezialeffekte, sind derart begeistert, wie realistisch sie wirken, dass dies zu einem wahren Freudenjubel wird. Dann gibt es Leute, die sehen nicht den Mehrwert in diesen Effekten, weil sie ihrer Meinung nach nur zu Selbstzwecken eingesetzt wurden, und dem Film überhaupt nicht dienlich sind. Beide Einstellungen entstammen aus einer persönlichen Herangehensweise, die von dem, was einem selbst bei einem Film wichtig ist, stammt. Und wenn jemand sich für Spezialeffekte interessiert, vor allem über deren Entstehung, ist es doch nachvollziehbar, dass diese Person eine hohe Bewertung gibt, da ihn diese Effekte begeistert haben. Für jemanden aber, dem solche technischen Details egal sind, und beispielsweise nach Emotionen in einem Film sucht, der wird diese Spezialeffekte nicht würdigen. Umgekehrt gilt natürlich das gleiche. Alles subjektiv also.

Es ist ein wenig wie mit Musik. Ich kann mir eine Band ansehen, die nur aus reinen Virtuosen besteht, welche die abgefahrensten Kunststücke auf ihren Instrumenten fabrizieren, und in Folge dessen ich mit ausgerenkter Kinnlade wegen deren technischem Können dastehe. So wie im Zirkus. Da staune ich auch meist darüber, welch großartige Körperbeherrschung Akrobaten haben. Andere Leute wollen aber, dass Musik sie emotional in irgendeiner Form berührt, und das geht nur in den seltensten Fällen bei so einer musikalischen Selbstbefriedigungsorgie. Das bedeutet nicht, dass Musik einfach gespielt sein muss um ihre Wirkung zu erzielen. Wenn ein Musiker sein Instrument beherrscht, und viele Tricks kennt, kann das nur ein Vorteil sein. Er sollte aber seine technischen Fähigkeiten als Werkzeuge betrachten, die sich alle in einer großen Werkzeugkiste befinden, und die er bei Bedarf rausholt. Er muss aber nicht jedem den kompletten Inhalt seiner Kiste präsentieren. Schließlich soll er ja Musik machen. Wenn ich einen Nagel in die Wand hauen will, muss ich das nicht mit dem Presslufthammer machen, auch wenn ich das Jahrelang geübt habe, und nun auch kann. Damit konnte man natürlich früher zu Wetten, dass...? gehen.

Man merkt vermutlich an meinem zynischen Unterton zu welcher Gruppe ich mich selbst zähle. Allerdings möchte ich nochmal betonen, dass meine Herangehensweise weder die richtige, noch die bessere ist. Sie ist lediglich eine mögliche Herangehensweise. Und man sollte immer diejenige wählen, die einem selbst am meisten gibt. Diejenige, die dafür verantwortlich ist, dass man überhaupt Filme guckt. Dies ist in der Regel aber keine bewusste Entscheidung, sondern bei jedem nun mal die Art wie er oder sie Zugang zu einem Film findet. Die Weise wie jemand etwas für sich aus einem Film entnehmen kann. Und diese Herangehensweise ist auch der Grund für jeden überhaupt Filme zu gucken. Wie kann an alldem also irgendetwas auch nur ansatzweise objektiv sein?

Wer sich auf Objektivität stützt, um seine Bewertung zu legitimieren, versucht somit im Prinzip nur seine Meinung als die „wahre“ zu verkaufen, anstatt sich einfach darüber zu freuen, dass er einen Zugang gefunden hat, den andere scheinbar nicht haben.

Daher schließe ich auch mit einem Filmzitat ab.

„Everything is subjective. Reality is arbitrary.“

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