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Meinungen und "Meinungen" - Konversation in Zeiten des Sturms

09.01.2020 - 14:44 UhrVor 4 Jahren aktualisiert
Bild zu Meinungen und "Meinungen" - Konversation in Zeiten des Sturms
Laudania/pixabay
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Seit einer ganzen Weile treiben mich ein paar Gedanken um, die ich versuchen will, hier in Worte zu verfassen. Ich habe lange überlegt, ob ich so einen Artikel überhaupt schreiben will, da er sich auf diese Community bezieht, eben weil dies das einzige einigermaßen "geschlossene" System online ist, in dem ich mich aufhalte. Wenn ich mich auf Social Media-Plattformen wie Instagram oder Twitter beziehen würde, sehe die Sache wahrscheinlich ähnlich aus, aber nach anderen Gesichtspunkten. Hier befinden wir uns schließlich in einem filmspezifischen Raum mit Menschen, die ähnliche Interessen verfolgen...

Wir leben in Zeiten der emotional belasteten Kritik. Diese Kritik ist per definitionem nicht als solche zu verstehen, beruht sie ja nicht wirklich auf einer Beurteilung der betreffenden Sache und der Hinterfragung mit dem Ziel, einen Konsens zu finden oder zumindest zu überzeugen und zu lernen. Hier werden auch keine Kritiken verfasst, sondern Meinungen. Laut einer Meinung ist ein Film gut oder schlecht. Laut einer Meinung hat ein Regisseur versagt oder eine große Leistung erbracht. Meinungen können sich vereinen oder auch unterschiedlicher Natur sein. Meinungen müssen rediviert oder ertragen werden können. Das hier lebt alles vom Austausch der Meinungen.
Und das ist gut so. Aber: Es gibt eben Meinungen und „Meinungen“. Heißt: Es gibt Menschen, die auf einer unreflektierten Gefühlsebene versuchen, sich online Luft zu verschaffen, ohne zu bedenken, dass sie sich nicht in einem rechtsfreien Raum bewegen. Es gibt außerdem Menschen, deren Meinungen sich so weit von meiner eigenen befinden, dass es schwierig für mich ist, mit diesen klar kommen zu wollen, weil unsere Weltbilder so komplett auseinanderdriften.
Meine Frage in dieser Sache wäre also: Wie geht man mit so etwas um?

Um vom Allgemeinen wegzukommen, will ich hier meine Perspektive darstellen. Schließlich, so denke ich, hat jeder eine andere Sicht auf die heutige Diskussions- und Meinungskultur, wobei die einen mir wohl mehr zustimmen würden, wie die anderen. Moviepilot hat im Kern eine stabile und über die Jahre fest etablierte Community entwickelt, mit einem Zulauf von Neulingen und immer mal wieder verschwindenden alteingesessenen Usern. In den meisten Fällen verlaufen die Dinge hier unglaublich friedlich, dafür, dass wir hier im (irgendwie kaputten) Internet sind. Es ist sogar erschreckend, wie nett teilweise alle zueinander sind, ohne das kritisieren zu wollen. Natürlich gibt es hier aber auch eine gewisse Streitkultur, die immer wieder erfrischt und belebend wirkt, ohne dass sich jemand beleidigt fühlen muss.
In gewisser Hinsicht ist Moviepilot eine Art Insel in dieser immer krasser und emotional aufgeladen orientierten Welt der Meinungsäußerung. Das kann man positiv verbuchen.

Meine Probleme beziehen sich im allgemeinen auf zwei Dinge:

1. Auch wenn wir hier über Filme sprechen, sind die Diskussionen hier natürlich oft auch politisch sowie gesellschaftsorientiert. Ich würde es nicht anders wollen. Ich hasse unpolitische Menschen und Menschen ohne Meinung zu gewissen Themen. Jeder kann sich Gedanken machen. Ich will diskutieren, auch wenn es manchmal weh tut. Und abgesehen davon kann man über diverse Filme nicht unabhängig von Zeitgeistthemen sprechen. Es wäre an sich auch sehr langweilig und trocken auf Dauer, wenn jeder Beitrag sich ausschließlich auf filmtechnische und erzähltechnische Elemente beziehen würde, kein Anspruch mehr an Doppelbödigkeit gegeben wäre und man sich über die neue Frisur von Scarlett Johannson unterhielte.
Nur, bis wann ist eine andere Meinung über bestimmte Themen ertragbar? Bis wann ist es möglich, zu sagen, man kann dem anderen seine Meinung lassen, ohne z. B. das Bedürfnis zu verspüren, den Meldebutton zu drücken (und ich wette, so einige drücken diesen Button zu früh). Bis wann kann man eine Meinung als konservativ betrachten, bevor es ins Rechte kippt? Davon abgesehen, dass ich konservative Meinungen an sich nicht mag, jedoch gewillt bin, unterschiedliche Denkweise zu akzeptieren. Aber auch außerhalb des Politischen: Ab wann ist eine Meinung als zu anzüglich, als abwertend, als unreflektierte Gefühlsäußerung, die auf Beleidigung abzielt, als nicht tragbar anzusehen? Mir fallen jetzt keine Adjektive mehr ein, die ich hier anfügen könnte, aber ich glaube, es kommt rüber, was ich damit sagen möchte.
Natürlich werde ich eine andere Linie vertreten als ein CDU-Stammwähler. Aber ich muss auch die Meinung dieses Menschen ertragen können. Auf der einen Seite muss ich in der Lage sein, diese Sichtweise so stehen lassen zu können, da es heutzutage oftmals auch keine Möglichkeit mehr gibt, zu kritisieren, weil man, auch wenn man versucht, objektiv zu argumentieren, oftmals das Gefühl hat, das Gegenüber fühle sich sowieso persönlich angegriffen (und das gilt auch für die Gegenseite oft genug). Auf der anderen Seite gibt es auch die Schwelle, an der man eine Meinung nicht mehr ertragen können muss.

2. In diesem Zusammenhang eben frage ich mich dann: Wie gehe ich damit um? Und meine Frage wäre hier explizit, wie andere Leute damit umgehen. Also: Wie geht ihr damit um?
Ausschlaggebend waren für mich ein paar Diskussionen zwischen Menschen, die unterschiedliche grundsätzliche Weltbilder vertreten. Die eine Position vertrat dabei definitiv die Meinung, die ich vertreten würde. Die andere eine für mich persönlich sehr zu verachtende Meinung. Und man denkt sich dabei immer wieder: „Okay. Ich lese diese Person sehr oft. Ich habe nicht gewusst, dass diese Person so denkt. Ich will diese Person eigentlich gar nicht mehr lesen.“ Möglicherweise hatte man so eine Person dann auch noch in der Freundesliste. Na gut, daraus kann man sie schnell entfernen. Und es geht mir gar nicht mal um meine Position an sich. Schließlich haben auch Menschen, die andere Positionen vertreten bis zu einem bestimmten Punkt ein Recht, ihre Meinung vertreten zu dürfen. Die Überschreitung liegt ja immer dahingehend, ab wann es menschenverachtend wird (Hier liegt mein Überschreitungspunkt. Es gibt durchaus andere Menschen, die möglicherweise andere Punkte setzen.).

Jedenfalls, um die Sache zu einem Ende zu bringen, würde mich interessieren, wie andere sich dazu positionieren würden. Schließlich ist das Thema wichtig und diskussionsbedürftig, vor allem hier, in einem öffentlichen Raum, der in Teilen noch zu funktionieren scheint, angesichts des Debakels in den großen Social Media-Portalen da draußen. Und bitte auch unabhängig davon, was von der Redaktion als würdig zu löschen eingestuft wird, denn ich denke, das ist nochmal ein ganz anderes Fass. Wahrscheinlich sollte heute jeder mindestens zwei Beauftragte haben, die sich nur mit diesen Dingen befassen, um der Flut der Meldungen Herr zu werden.
Es ist schwierig, eine Antwort auf diese Thematik zu finden, und ich verlange nicht, dass irgendjemand diese Antwort hat. Die einfachste Antwort ist wahrscheinlich, sich abzuschotten, zu gehen, wenn's einem nicht passt, aber im Endeffekt ist dies nicht die Lösung für ein gesellschaftliches Problem, wenn man es so nimmt.

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