War das nicht schön, damals, wenn der Geschichtslehrer den guten alten Fernsehtisch in die Klasse schob und ein Relikt aus der Vorzeit namens VHS in den übergroßen Apparat darunter schob? Geschichte lässt sich schließlich nicht nur aus Büchern lernen, Filme werden dazu auch benötigt. Aber nicht selten passiert es, dass die Fiktion der Filmemacher von dem abweicht, was wir in den Büchern zu lesen bekommen. Waren die Perser wirklich ein Haufen degenerierter Krüppel und die Spartaner eine Herrenrasse mit Surfer-Boy-Muskulatur? Wendete sich das Blatt im 2. Weltkrieg tatsächlich mit den Ereignissen in einem kleinen, ansonsten unbedeutenden Kino?
Doch, doch, manchmal gehen wir recht blauäugig an das heran, was uns in “historischen” Filmen gezeigt wird. Nicht alles sollten wir für bare Münze nehmen, aber manchmal passiert es eben doch. Gerade bei Biopics ist Vorsicht geboten, wenn der eine oder andere Aspekt zugunsten der Hauptfigur unterschlagen wird. Wir haben in unseren Erinnerungen gekramt und den Film herausgesucht, der uns zum ersten Mal ein falsches Bild von der Vergangenheit vermittelte. Aber wann wurdet ihr das erste Mal geschichtlich verarscht?
Malte und Mel Gibsons missverstandener Sidekick
Mel Gibson hat uns viele pädagogisch wertvolle Filme geschenkt, die das große Mysterium der Vergangenheit hell erleuchten. Dabei schreckt er auch nicht davor zurück, religiöse Führer gefühlvoll und mit Würde zu inszenieren, zum Beispiel bei Die Passion Christi. Bei mir geht es aber um Braveheart. William Wallace ist ein großer Führer der Schotten, mit Corpse-Paint, und allem drum und dran. Die Figur ist eine Filmikone geworden. Die Realität sah aber anders aus, denn William Wallace war von Anfang an Sir William Wallace, also adelig und aus gutem Hause. Auch das Primae Noctis, also das Recht der englischen Lords, mit jeder vor der Heirat stehenden Schottin zu schlafen, wird von Historikern stark angezweifelt. Braveheart selbst war auch jemand anders, nämlich Robert the Bruce (Angus MacFadyen), der im Film nur ein verräterrischer Unterstützer von Wallace ist. Seine Erinnerung wird darüber hinaus geschändet, wenn er in der Schlacht von Falkirk zu den Engländern überwechselt, Wallace in der Realität aber nie direkt betrogen hat. Und damit beginnt die Liste nur.
Theo und die minderjährige indianische Prinzessin
Dass die Geschichte um die Indianerin Pocahontas, die sich in den gut aussehenden Engländer John Smith verliebt und somit kulturelle Mauern einreißt, nur ein Mythos ist, sollte den meisten klar sein. Für einen Achtjährigen klang die Legende allerdings mehr als plausibel, besonders wenn sie von Disney inszeniert ist und ein Waschbär in der wichtigsten Nebenrolle agiert. Doch heute weiß ich, dass die Liebesaffäre zwischen Pocahontas und John Smith genauso fiktiv ist wie moralisch bedenklich. Wenn wir historischen Aufzeichnungen Glauben schenken, war Pocahontas bei der Rettung des englischen Captains zarte zehn Jahre alt, wodurch John Smith plötzlich gar nicht mehr einen so makellosen Ruf besitzen würde. Wenn ich es mir recht überlege, wäre das eine Lovestory, die ich gerne vom Hause Disney sehen würde.
Ines und der große Friedrich
In diesem Jahr wird ein Jubiläum begangen: Der Preußenkönig Friedrich, der Große wird 300. Geburtstag. Seit es den Film gibt wurden Legenden um den Mann gestrickt, am deutlichsten wohl zu nationalsozialistischen Zeiten. Otto Gebühr durfte mehrfach den alten Fritz geben, der als Über-Vater loyal auf sein Volk herunterschaut. Letztlich dienten die Fridericus-Rex-Filme (unter anderem Der große König, Fridericus – Der alte Fritz) dazu, das Geschichtsbild zu verfälschen.
Thomas und die schwebenden Bretter
Ihr dürft mich gerne im Nachhinein mit einem “Thema verfehlt” bestrafen, aber so richtig verarscht hat mich eigentlich kein Film, der seinen Blick in die Vergangeneheit wirft, sondern einer, der mir ein besonders leuchtendes Bild von der Zukunft gemalt hat. Wie so viele Kinder der 90er war ich ein riesen Fan von Zurück in die Zukunft II. Am spannendsten waren für mich mit Abstand die zahlreichen coolen Gimmicks, die Marty McFly im fernen Jahre 2015 ausprobieren durfte. Sich selbst trocknende Jacken, Schuhe mit Power Laschen und natürlich das absolute Highlight: die Hover-Boards. Jede Nacht träumte ich davon, eines Tages wie Marty schwerelos durch die Straßen zu düßen. Und als der ältere Nachbarsjunge auch noch behauptete, es sei in naher Zukunft ganz leicht, Hover-Boards herzustellen, zählte ich bereits die Tage, bis die coolen Bretter endlich in den Läden stehen werden. Nun schreiben wir das Jahr 2012 und immernoch rolle ich durch die Gegend, anstatt elegant nach Hause zu schweben. Und das wird sich wohl auch in drei Jahren noch nicht geändert haben. Vielen Dank auch Robert Zemeckis!
Andy und der Kampf gegen das organisierte Verbrechen
Die Unbestechlichen, die Geschichte um den Prohibitions-Agenten Elliot Ness (Kevin Costner), der beauftragt wird den gewieften Mafia-Boss Al Capone zur Strecke zu bringen, macht zwar nicht wirklich einen Fehler, was die Fakten angeht. Trotzdem will ich die Gelegenheit nutzen um nochmal klar zu stellen: Ness war es nicht, der Capone schlussendlich dingfest machte; es war der hochrangige Mitarbeiter des damaligen US-Finanzministeriums, Frank J. Wilson, der den Mobster mit seinen Ermittlungen endlich hinter Schloss und Riegel steckte. Regisseur Brian De Palma konzentriert sich in seinem Film aber fast ausschließlich auf den Agenten Elliot Ness und kehrt die wahre Geschichte ein wenig unter den Teppich. Versteht mich nicht falsch, The Untouchables ist ein Meisterwerk der filmisches Mafia-Bekämpfung, aber ich halte es mit dem Sprichwort: Ehre wem Ehre gebührt.
Wann wurdet ihr das erste Mal geschichtlich verarscht?