Matrix-Erklärung: Versteckte Bedeutung macht Sci-Fi-Meilenstein noch (!) besser

06.08.2020 - 11:11 UhrVor 6 Monaten aktualisiert
MatrixWarner Bros.
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Matrix-Regisseurin Lilly Wachowski bestätigt, dass es in Matrix im Kern um Transformation von Transpersonen geht. Diese Erklärung macht den Sci-Fi-Meilenstein noch besser, als er ohnehin schon ist.

Netflix ist Vorreiter auf dem Gebiet, queeren Content in den Mainstream zu tragen. Nicht nur in den Filmen und Serien, auch in kurzen YouTube-Essays gibt Netflix lange überhörten Personengruppen eine Stimme. Der neuste erfreuliche Zuwachs ist ein berührendes Video der Matrix-Regisseurin Lilly Wachowski, in dem sie die oft vermutete Trans-Interpretation ihres Filmklassikers bestätigt.

Das Wichtigste zur bestätigten Matrix-Erklärung auf einen Blick

  • Matrix ist laut Regisseurin Lilly Wachowski ein Sinnbild für Transformation und "Transheit".
  • Das macht den Sci-Fi-Meilenstein Matrix noch besser, weil wir ihn jetzt unter einer neuen, wichtigen Linse betrachten können.
  • In Matrix selbst gibt es unglaublich viele versteckte Hinweise für diese Interpretation.

Spätestens als sich Lana Wachowski 2010 und Lilly Wachowski 2016 als Transfrauen outeten, wurde auch Matrix neben all ihren anderen Filmen von Fans und Kritikern unter einer Trans-Linse beleuchtet.

Matrix: Neo nach seiner Transformation

Die endgültige Bestätigung von Lilly Wachowski, dass der damalige Wunsch von ihr und ihrer Schwester nach Transformation bereits in Matrix tief verankert ist, ergänzt den Werdegang der beiden und des oft besprochenen Films auf eine wundervolle Art. Lilly Wachowski im Video:

Ich bin froh, dass bekannt ist, dass es die eigentliche Intention war, (...) aber die Unternehmenswelt war damals noch nicht bereit.

Warum Matrix eine Trans-Geschichte ist - und es den Film noch besser macht

Seht die Erklärung von Lilly Wachowski, die Netflix auf YouTube beim Netflix Film Club  hochgeladen hat:

Why The Matrix Is a Trans Story According to Lilly Wachowski
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Matrix ist nicht nur einer der wichtigsten Einträge ins Science-Fiction-Genre, der Film aus dem Jahr 1999 hatte auch darüber hinaus riesigen Einfluss auf Hollywood und die Welt. Es ist vermutlich das global populärste Kunstwerk einer Transperson.

Durch diese spätere Neuverhandlung der Themen in Matrix gibt es uns nun allen die Chance, Transformation aus den Augen von (damals noch nicht geouteten) Transpersonen besser zu verstehen, indem wir diesen Filmklassiker neu besuchen und untersuchen.

  • Zum Weiterlesen: Warum Lilly Wachowski Hollywood den Rücken kehrte

Im Jahr 2020 gibt es, anders als 1999, für alle noch besser zugängliche und gut verständliche Serien und Filme, die die Lebenswelten von Transmenschen beleuchten. Von der Netflix-Doku Disclosure: Hollywoods Bild von Transgender bis hin zur Ryan Murphy-Serie Pose, in Deutschland auch bei Netflix, ist jeder gefragt, seinen Horizont zu erweitern, um eine stark marginalisierten Gruppe an Menschen sichtbar und vor allem hörbar zu machen.

Lilly Wachowski in der Netflix-Doku Disclosure

Mit Matrix kann jeder, der sich noch nie mit Trans-Themen beschäftigt hat, den ersten Schritt gehen und verstehen lernen, wie sich dieser innere Wunsch nach äußerer Veränderung manifestiert. Ihre Kunst ist laut Lilly Wachowski genau dafür da, ständig auf neue Arten und Weisen gelesen zu werden, transformiert zu werden, sozusagen:

Bei jeglicher Art von Kunst, die du in die Welt entlässt, hast du den Prozess des Loslassens, weil es mit der Öffentlichkeit in einen Dialog tritt. Ich mag diese Evolution, dass wir Menschen uns nicht geradlinig mit Kunst befassen und wir immer neue Wege finden können, um etwas zu reden und etwas zu sehen.

Wenn sie es seit Sense8 nicht schon waren, dann gehen Lana und Lilly Wachowski spätestens jetzt als Pionierinnen und Vorbilder in die Filmgeschichte, Popkultur und generell in die queere Geschichte ein.

Trans-Interpretationen von Matrix existieren schon länger - und ergeben so viel Sinn

Es finden sich online einige spannende Texte von Transfrauen, die Matrix für sich selbst bereits vor Längerem als Trans-Allegorie eroberten. Emily VanDerWerff schreibt bei Vox , dass sich Matrix perfekt als Erfahrung einer nicht geouteten Transperson lesen lässt. Lilly Wachowski spricht diesen Punkt im Video von Netflix Film Club an:

Bei Matrix ging es sehr stark um das Verlangen nach Transformation, aber es kam alles aus einer nicht geouteten Sichtweise.
Matrix: Neo nach seinem "Erwachen"

Laura Dale erzählt bei Syfy  von ihrer Interpretation des Science-Fiction-Films und findet zahlreiche, versteckte Hinweise. Allen voran ist die größte Allegorie natürlich die Matrix an sich, in der sich jeder neu erfinden und sein Äußeres und sein Geschlecht seiner Identität anpassen kann.

Neo lehnt es außerdem ab, mit dem männlich definierten Namen Mr. Anderson angesprochen zu werden, was symbolisch als der Deadname  von Neo verstanden werden kann. Von Agent Smith wird betont, dass Neo zwei Leben lebe.

Morpheus' zahlreiche, bedeutungsschwangere Reden geben zudem viel Aufschluss über Neos Genderdysphorie . Beispielsweise meint Morpheus zu Neo, dass Neo schon sein ganzes Leben lang etwas gefühlt habe, das nicht erklärbar sei. Wie ein Splitter im Kopf, der einen verrückt mache.

Natürlich hat auch Morpheus' rote Pille eine weitere Bedeutung, wie Laura Dale schreibt.

Matrix: Die blaue oder die rote Pille?

Sie kann als Spironolacton gesehen werden, eine kleine rote Pille, die Transfrauen gegen die Produktion von männlichen Hormonen hilft, wie Laura Dale schreibt:

Er nimmt wortwörtlich Antiandrogene, um sein altes Leben als Mr. Anderson hinter sich zu lassen.

Wer sich jetzt Zeit für einen Rewatch nimmt und Matrix aus einer Transsicht zu lesen versucht, wird noch zahlreiche weitere Hinweise finden.

Die Matrix-Figur Switch sollte ursprünglich trans sein

Lilly Wachowski ist sich nicht sicher, wie präsent ihr ihre Transheit (transness im Englischen) bereits war, als sie Matrix vor über 30 Jahren mit ihrer Schwester schrieb, doch die Themen kämen "von demselben Feuer" wie die eigene, spätere Transformation.

Wie sie im neuen Video durchscheinen lässt, war sogar eine Transfigur im Film gedacht: Switch hätte mit männlichem Äußeren in der echten Welt und als Frau in der Matrix existieren sollen. "Genau da waren unsere Gedanken damals", meint Lilly Wachwoski lachend.

Matrix: Switch

Switch sollte eigentlich von zwei verschiedenen, androgynen Schauspielern gespielt werden; einer Frau in der Matrix und einem Mann in der echten Welt. Der Name Switch (zu Deutsch Wechsel) spricht für sich. Letztlich lag es an Warner Bros., dass die Rolle in beiden Welten von derselben Schauspielerin Belinda Mcclory gespielt wurde.

Dieses Versäumnis kann Warner Bros. in Matrix 4, an dem Lillys Schwester Lana Wachowski derzeit arbeitet, wieder gut machen und bewusst mehr Freiräume für die Filmemacherin schaffen.

Denn letztlich geht es darum, mit mehr Repräsentation und Liebe Transpersonen Halt zu geben, wie Lilly Wachowski kurz nach ihrem Outing bei den GLAAD Awards 2016  meinte:

Während Ideen über Identität und Transformation Teile unserer Arbeit sind, liegt all diesen Ideen Liebe zugrunde. Liebe ist das Entscheidende für Transpersonen, es ist ein Haltegurt.

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