Life, Animated - Das sagen die Kritiker zur oscarnominierten Doku

21.06.2017 - 09:25 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
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Heute startet Life, Animated in den deutschen Kinos. Hier findet ihr heraus, was die Kritiker von dem rührenden Dokumentarfilm halten, der dieses Jahr für den Oscar nominiert wurde.

Im Zentrum des Dokumentarfilms Life, Animated stehen ein junger Mann und seine Familie. Bei dem jungen Mann wurde in seiner Kindheit Autismus diagnostiziert. Den Eltern teilen die Ärzte mit, dass es möglich ist, dass er irgendwann jegliche Form der Kommunikation zur Außenwelt einstellt. Seine Eltern machen allerdings eine interessante Entdeckung, als sie feststellen, dass ihr Sohn, Owen, durch Disney-Filme einen Weg sucht, mit seiner Umgebung zu kommunizieren. In Rückblenden sehen wir diese Entwicklung sowohl durch Aufnahmen der heimischen Kamera als auch durch liebevoll gezeichnete Momentaufnahmen, die zeigen, wie seine Eltern Dialoge aus Disney-Filmen nachsprechen.

Roger Ross Williams, der bei Life, Animated Regie führte, gewann 2010 bereits einen Oscar für beste Kurz-Dokumentation. In Music by Prudence erzählt er die Geschichte der Prudence Mabhena, die in Afrika eine Gesangsgruppe für Menschen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen leitet.

Hier die harten Fakten zu Life, Animated:

  • 9 Kritiker-Bewertungen mit einem Durchschnitt von 6,9444
  • 25 Community-Bewertungen mit einem Durchschnitt von 7,32
  • 4 Kritiken und 3 Kommentare
  • 0 x Lieblingsfilm und 0 x Hassfilm
  • 62 Vormerkungen, 4 sind nicht interessiert

Das sagen die englischsprachigen Kritiker zu Life, Animated:

Lanre Bakare vom Guardian  lobt insbesondere Williams' Versuch, durch die animierten Sequenzen ein ungefähres Bild davon zu vermitteln, wie autistische Menschen ihre Umwelt erleben:

Konversationen werden verstümmelt, die Worte sind fast unmöglich herauszuhören. Alltägliche Geräusche und Situationen, die für die meisten von uns in den Hintergrund rücken und kaum wahrgenommen werden, entwickeln sich zu einer Kakofonie aufbürdenden Lärms. Owens Eltern sprechen in herzzerreißender Ehrlichkeit darüber, wie sie befürchteten, ihren Sohn für immer verloren zu haben.

Justin Chang von Variety  fand den Protagonisten selbst äußerst faszinierend und hebt zudem die Unterstützung seiner Familie hervor:

Die vielleicht aufschlussreichste Erkenntnis kommt von Owen selbst, der seit seiner Kindheit begeistert Disney-Figuren zeichnet. Es sind allerdings nicht die Helden oder Heldinnen, sondern die Nebencharaktere wie Iago, Sebastian, Timon, Pumbaa und Jimini Cricket, die er alle in einer eigenen Geschichte mit dem Namen 'Das Land der verlorenen Sidekicks' verewigt hat. Diese handgezeichnete, persönliche Fiktion, die durch ein Team von französischen Animatoren zum Leben erweckt wurde und einen schönen Gegensatz zu den Aufnahmen der Disney Filme bildet, dient als einleuchtender Einblick darin, wie Owen sich selbst und seinen Platz in der Welt wahrnimmt. Schlussendlich zeigt der Film, dass Owen, neben seiner glücklichen Obsession, noch mehr mit seiner Familie gesegnet ist. Diese zeigt in aufschlussreichen Interviews ihre unermüdliche Unterstützung und die Weisheit, ihr Kind nicht davon abzuhalten, in diesen scheinbar kindlichen Dingen einen Platz für sich zu finden.

Jeannette Catsoulis von der New York Times  hingegen findet, dass die Darstellung von Autismus zu "disneyhaft" porträtiert wird und dadurch nicht ganz realistisch ist:

Der Unterschied zwischen dem, was wir uns für unsere Kinder wünschen und dem, was sie erreichen, kann besonders für die Eltern autistischer Kinder sehr schmerzlich sein. Das allerdings wird in Roger Ross Williams' unerbittlich heiterer Dokumentation, Life, Animated kaum sichtbar. Wie in den Disney-Filmen, deren Clips den Bildschirm hier teilweise fluten, lässt uns dieser zu zögerliche Blick darauf, wie ein gefangener Verstand durch Animationsfilme Freiheit fand, nie an einem Happy End zweifeln.
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Das sagen die deutschsprachigen Kritiker zu Life, Animated:

Manon Cavagna von Critic  sieht in Disney nicht unbedingt das beste Vorbild für jemanden, der mit seinen Gefühlen nicht umzugehen weiß:

Die Frage, ob Disney-Filme Owen tatsächlich dazu befähigen, eigenen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, oder ob das nur Widerhall ist, scheint meist zugunsten der ersten Antwort geklärt; [manche] Szenen werfen ein befremdliches Licht auf Owens Erlernen sozialer Konventionen. Wie sehr kann, wie sehr sollte zum Leben in der Gesellschaft angeleitet werden? Das ist eine Frage, die weder hier noch bei Disney gestellt wird.

Sonja Hartl von Kino-Zeit  bemängelt einen erweiterten Blick auf das Thema Autismus und sieht den Fokus auf Owens Leben etwas einseitig. Sie ging mit vielen Fragen aus dem Film:

Jedoch vernachlässigt Roger Ross Williams durch den intimen Blick in diese Familie auch naheliegende Fragen, die weder aufgeworfen noch gestellt oder gar beantwortet werden: Guckt Owen auch andere Filme, animiert oder real? Sind es immer wieder dieselben Disney-Filme? Was ist mit den neueren Werken? Wie wirkt sich die Sozialisation durch Disney-Filme auf den Alltag aus? Wie will er (...) etwas über zwischenmenschliche Beziehungen erfahren? Wie viele autistische Kinder finden über ein Hilfsmittel einen Weg, mit andere zu kommunizieren? Darüber hinaus werden auch Schwierigkeiten innerhalb der Familie nur angedeutet, lediglich Owens Bruder Walt deutet hier in Gesprächen etwas an. Dadurch fehlt (...) eine Perspektive, die über Owen hinausgeht.

Thomas Abeltshauser von EPD Film  kritisiert Owens Eltern für ihre Beteiligung an diesem Dokumentarfilm und findet sie aufgesetzt:

Dazwischen wieder und wieder Statements seiner Eltern, die wenig erhellend sind und aufgesetzt wirken und dabei das ungute Gefühl vermitteln, dass hier eine sehr persönliche Geschichte ausgeschlachtet wird, ohne dass der Pro­tagonist im vollen Umfang begreift, in was seine Eltern ihn verwickeln.

Fazit zu Life, Animated:

Die amerikanischen und die deutschen Kritiken gehen recht stark auseinander. Finden die meisten Kritiker aus den USA Life, Animated erfrischend, lebensbejahend und sehen ihn als eine liebevolle Hommage an die Disney-Filme, mit denen viele aufgewachsen sind, sehen die deutschen Kritiker viele Probleme im Film. Für sie steht das Thema Autismus nicht stark genug im Vordergrund für einen Film, der über einen autistischen jungen Mann berichtet. Auch erscheint ihnen Disney nicht als positives Vorbild und sie sehen Owens Obsession mit den Filmen als etwas kritisch.

Als nette und kurzweilige Unterhaltung scheinen Life, Animated alle zu sehen. Der Zuschauer sollte sich nur vorher darüber im Klaren sein, dass er hier nicht unbedingt zum Thema Autismus aufgeklärt wird, sondern dass eine individuelle Geschichte eines jungen Mannes erzählt wird, der mit dieser Erkrankung lebt.

Werdet ihr euch Life, Animated im Kino anschauen?

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