Liebling Kreuzberg hat das Herz am rechten Fleck

07.11.2012 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Manfred Krug als Liebling Kreuzberg
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Manfred Krug als Liebling Kreuzberg
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Als Rauchen in öffentlichen Gebäuden noch erlaubt war und ein kleiner Cognac während der Arbeit keinen störte: Manfred Krug in seiner Paraderolle als schnoddriger Berliner Anwalt Robert Liebling gehört immer noch zu meinen Favoriten

Der Rechtsanwalt Robert Liebling isst für sein Leben gern Götterspeise, trägt mit größtem Vergnügen die häßlichsten Krawatten, raucht Zigarre und trinkt schon mal ein kleines Cognäckchen zwischendurch. Nicht gerade ein Freund ausufernder Arbeit legt er in seinem Büro öfters mal ein Schläfchen ein. Er kann sich’s leisten, da er dank einer Erbschaft finanziell ganz gut dasteht. Im ehemaligen Westberliner Randbezirk Kreuzberg hat er seine Geschäftsräume und nimmt sich gern der Fälle kleiner Leute an. Denn Robert Liebling ist zwar gelegentlich ein arbeitsfauler Miesepeter, trägt sein Herz jedoch am rechten Fleck und gilt als lokale Größe in seiner Branche.

Manfred Krug spielt seine Rolle in Liebling Kreuzberg mit sichtlicher Freude, schließlich wurde ihm die Figur von Autor Jurek Becker auf den Leib geschrieben. Aber auch die Nebenfiguren sind bestens gezeichnet und perfekt besetzt. In der ersten Folge der ersten Staffel tritt sein künftiger Sozius mit dem liebreizenden Namen Giselmund Arnold, gespielt von Michael Kausch zum ersten Mal in Aktion. Er soll einen Großteil von Rechtsanwalt Lieblings Arbeit übernehmen, damit dieser sich noch mehr den schönen Dingen des Lebens zuwenden kann. Der stets korrekt und etwas spießig auftretende Arnold ist natürlich ein reizvoller Gegenpart zum flapsigen Robert Liebling. Die beiden Sekretärinnen Paula und Senta, verkörpert von Corinna Genest und Anja Franke, runden die Bürobesetzung perfekt ab. Besonders letztere sorgt mit ihrer frechen Berliner Schnauze und ihren teils bizarren Outfits für reichlich Lacher.

Durch alle fünf Staffeln ist Robert Lieblings notorisch klamme Tochter Sarah, gespielt von Roswitha Schreiner, die stete weibliche Konstante in dessen Leben. Von Sarahs Mutter geschieden ist der Herr Anwalt nämlich kein Kostverächter und so wechseln seine Frauenbekanntschaften durch die fünf Staffeln recht häufig.

Die geteilte und später wiedervereinte Stadt Berlin spielt bei der Serie immer eine Rolle. Zwar wird in den ersten drei Staffeln, die in den achtziger Jahren in Westberlin gedreht wurden, die Teilung nicht explizit thematisiert, dafür ist die Mauer in vielen Szenen deutlich sichtbar. Die teils chaotischen Verhältnisse in Lieblings Praxis und im Kreuzberg seiner Zeit führen am Ende der dritten Staffel dazu, dass sich Rechtsanwalt Arnold dazu entscheidet, die Kanzlei zu verlassen und wieder nach Süddeutschland zu ziehen. Daraufhin beschließt Robert Liebling, nun endgültig die Nase vom Arbeitsleben voll zu haben und zuzumachen. Damit endet die gelungenste Staffel, die kurz vor dem Fall der Mauer gedreht wurde und im Frühjahr 1990 zum ersten Mal ausgestrahlt wurde.

Ein Highligt des gehobenen Blödsinns ist für mich ein Gespräch zwischen Herrn Liebling und dem Staatsanwalt mit einem Asylbewerber, dem sie erfolglos zu erklären versuchen, wie ein Berliner etwas “mit Fassung” nimmt. Sowieso sind die Dialoge von Jurek Becker durchweg Brüller und die Episoden mit so viel Tempo von Regisseur Werner Masten inszeniert, dass das Zuschauen auch über zwanzig Jahre später noch richtig Spaß macht. “Ich habe die Goldwaage für meine Worte aus Versehen zu Hause gelassen.” ist nur einer von vielen lässigen Sprüchen von Anwalt Liebling vor Gericht.

1993 muss der Privatier Robert Liebling dann feststellen, dass seine Freundin sein gesamtes Vermögen verspielt hat und ihm keine andere Wahl bleibt, als wieder zu arbeiten. Er schließt sich der Ostberliner Rechtsanwältin Isolde Isenthal, gespielt von Jenny Gröllmann an, holt Senta mit an Bord und wohnt zeitweise auch gezwungener Maßen in den Büroräumen seiner neuen Partnerin im gerade entstehenden Bezirk Mitte. Die vierte Staffel fällt nicht nur aufgrund des Bezirkswechsels etwas aus der Reihe. Anstelle von Jurek Becker hat nun Ulrich Plenzdorf die Drehbücher geschrieben und Sekretärin Paula kommt nicht mehr vor. Die Themen der einzelnen Folgen haben sich auch verändert und sind politischer geworden. Es geht um ungeklärte Eigentumsfragen nach der Wende, die Stasivergangenheit von Mandanten oder die zu der Zeit neu aufflammende Fremdenfeindlichkeit. Erst in der fünften und finalen Staffel, wieder geschrieben von Jurek Becker, praktiziert Robert Liebling erneut in alter Konstellation in Kreuzberg. Einzig sein Sozius ist neu, funktioniert aber als Figur dramaturgisch ähnlich wie Giselmund Arnold. Der Rechtsanwalt Bruno Pelzer, gespielt von Stefan Reck, rückt Robert Liebling allerdings näher auf die Pelle, als es diesem recht ist, er wird nämlich der neue Freund von Tochter Sarah.

Der Tod von Autor und Liebling -Erfinder Jurek Becker 1997 markierte dann auch das Aus der Serie nach fünf Staffeln, die letzte Folge wurde im März 1998 in der ARD ausgestrahlt. Damit endete nicht nur eine der unterhaltsamsten deutschen TV-Serien, sondern auch ein Stück Fernsehgeschichte.
Darauf einen Teller Wackelpudding, eine gute Zigarre und ein kleines Gläschen Weinbrand. Prost!

Könnt ihr euch noch an Robert Liebling erinnern?

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