Lasst die Finnen den Tatort übernehmen!

05.04.2010 - 07:00 Uhr
Es geht auch ohne Dienstwagen.
© NDR/Pasi Räsämäki
Es geht auch ohne Dienstwagen.
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Der gestrige Tatort lief unter der Rubrik: Eurovision. Wie gut ein Tatort sein kann, wenn nicht nur die alten deutschen 08/15-Mannschaften ihr Standardprogramm abspielen, zeigte uns gestern der Gastgeber Finnland.

Was unserem Tatort manchmal fehlt, sind die Visionen. Wenn dann aber mal ein deutscher Regisseur in die filmische Wunderkiste greift, geht das auch meist nach hinten los. Im gestrigen Tatort: Tango für Borowski übernahmen deshalb die Finnen das Ruder und zeigten mit spannenden Figuren, toller Bildarbeit und viel Ruhe, warum der skandinavische Film zurzeit um Längen besser ist als der deutsche. Von so viel finnischer Lebenskunst ließ sich sogar unser deutscher Ermittler Borowski (Axel Milberg) anstecken.

Foto-Show: die Bilder zum Tatort

In der Ruhe liegt die Kraft
Finnland ist nicht Deutschland. Dies lies uns der finnische Regisseur Hannu Salonen in jedem einzelnen Bild spüren. Wo in deutschen Tatorten eine pausenlose Geschwätzigkeit herrscht, sagte im gestrigen Tatort: Tango für Borowski ein Schweigen mehr als alle Worte. Überhaupt war das Timing eine der ganz großen Stärken der Finnen: Statt hektisch hin und her zu schneiden, verblieb die Kamera manchmal sekundenlang auf den starren Gesichtern und den regungslosen Bildern der finnischen Weite. Dies verlieh dem Tatort eine Ruhe, die – ich ahne es schon – einige Zuschauer auch langweilig gefunden haben werden. Dabei war es gerade diese Langsamkeit, die auch Raum für die subtilen Töne ließ: Die Beziehung zwischen Borowski und Frieda Jung (Maren Eggert), das Innenleben der Täter oder die Funktionsweise finnischer Freundschaften – all dies wurde plötzlich erkennbar, da den Figuren einfach Zeit gegeben wurde.

Dabei war der gestrige Tatort: Tango für Borowski durchaus spannend. Auf der Suche nach dem Täter wurde der Zuschauer mehrmals in die Irre geführt. Eine als Hauptfigur eingeführte Person nach einer Stunde unvermittelt sterben zu lassen, war unkonventionell und mutig. Es ist, als ob uns die Finnen sagen wollten: “Wir kennen euer Krimi-Schema und machen es mit Absicht anders”. Beibehalten wurde lediglich der melancholische Grundton, der die Borowski-Tatorte in ihren besten Momenten auszeichnet. “Von jedem nur das Beste” war gestern Abend das Motto des Tatorts.

Sprechen Sie Finnisch?
Um den armen deutschen Zuschauer nicht zu sehr durch Untertitel zu quälen, zeigte der Drehbuchautor Clemens Murath viel Einfallsreichtum, um die deutsch-finnische Sprachbarriere zu umschiffen. Ein wichtiges Mittel war neben Dolmetschern und der finnischen Wortkargheit auch die beeindruckende Deutschkenntnis der Finnen. Hierbei wurde auch der trockene Sinn für skandinavischen Humor sichtbar, der sich durch den ganzen Tatort: Tango für Borowski zog. Wenn ein lustloses finnisches Dorfmädchen auf die Frage nach ihrem einwandfreien Deutsch antwortet, sie hatte die Sprache als “vierte Sprache in der Schule” gehabt, dann dürfen wir das sicher als einen augenzwinkernden Kommentar auf unser hiesiges Schulsystem verstehen. Von Pisa-Anführer Finnland lernen heißt nämlich Siegen lernen.

Aber wer wie die Finnen viel anders macht, der kann auch schnell enttäuschen. Wie fandet ihr also den gestrigen Tatort: Tango für Borowski?

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