Isabelle Huppert kämpft gegen die Revolution in Venedig 2009

07.09.2009 - 14:55 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
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Claire Denis kennen hierzulande nur die hartgesottensten Arthouse-Fans. Jetzt wird ihr neuer Film in Venedig vorgestellt: White Material zeigt deutliche Bezüge zur Revolution in Ruanda.

Der neue Film mit Isabelle Huppert, White Material, scheint ganz schön starker Tobak zu sein. Die Regisseurin Claire Denis entführt den Zuschauer in ein fiktives afrikanisches Land, in dem die Revolution tobt. Der Kolonialismus ist endgültig zusammengebrochen und Rebellen eine ganze Region ins Chaos stürzen. Der Film zeichnet den Verlauf von 36 Stunden nach: Trotz der Eskalation von Gewalt und dem immer größer werdenden Hass gegen Weisse harrt die Plantagenbesitzerin Marie (Isabelle Huppert) aus und versucht verzweifelt Arbeiter anzuheuern um ihre letzte Kaffeeernte einzufahren. Stur verschließt sie die Augen vor der sich ändernden Realität und verkennt die Gefahr in der sie sich befindet, während ihr Sohn (Nicolas Duvauchelle) dem Wahnsinn verfällt und ihr Mann (Christopher Lambert) mit den Rebellen kooperiert, um seine Haut zu retten.

Die deutsche Presse scheint von dem Film angetan zu sein – insbesondere, da er am gleichen Tag mit dem neuen Film von Michael Moore vorgestellt wurde und ein willkommenes, tiefsinnigeres Gegenstück bildete, das seine Politik nicht mit dem Vorschlaghammer predigt. Zumindest Christina Nord von der taz ist dankbar für die Platzierung gegenüber Kapitalismus: Eine Liebesgeschichte.

Michael Althen von der FAZ bewundert die Zurückhaltung und Vielschichtigkeit in Denis’ Film: “Die Faszination rührt daher, dass die Figuren nie um Aufmerksamkeit buhlen, sondern nur so viel preisgeben, wie man in die Begegnung mit ihnen zu investieren bereit ist. Durch ihre Welt bewegt man sich auf Augenhöhe, erst tastend, dann neugierig, bis man irgendwann gefangen ist.” Auch die “Beiläufigkeit der Gewalt” hebt laut Althen diesen Film vom üblichen Kino ab, denn es sei gerade dieses Brechen mit konventionellen Regeln, das den Film umso eindrucksvoller und schockierender mache.

Eine tiefergehende Motivation für White Material sieht Peter Zander von der Welt. Für ihn ist der Film mehr als seine Handlung, sondern eher eine Metapher auf eine Gesellschaft im Chaos. Außerdem hebt er die Hauptdarstellerin hervor: “Isabelle Huppert zieht in dieser Rolle einmal mehr alle Register, wie sie sich nach außen unerbittlich gibt und doch innerlich erlischt. Keine Spur von „Jenseits von Afrika“-Schwulst, von Ich-hatte-eine-Farm-in-Afrika-Nostalgie”.

Bewunderung für den Film findet auch Dominik Kamalzadeh vom österreichischen Standard, wenn er betont: “Denis macht aus dem brisanten Stoff keines dieser einschlägigen Politdramen mit einfältigen Rollenmustern, sondern eine faszinierende Meditation über die Widersprüche einer postkolonialen Identität. Mit Maria Vial kreiert sie eine eigensinnige Figur, die sich zwischen allen Fronten bewegt und gegen jede politische Vernunft agiert.”

Der Film scheint sich also durchaus zu lohnen – auch ohne Michael Moore im Vorprogramm. In weiteren Rollen treten unter anderem Isaach de Bankolé und Michel Subor auf. White Material hat noch keinen deutschen Starttermin und es ist offen, ob er überhaupt in den deutschen Kinos zu sehen sein wird.

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