Im Gedenken an Leonard Cohen

04.11.2017 - 09:40 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Leonard Cohen
Lionsgate/3L/moviepilot
Leonard Cohen
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Vor fast genau einem Jahr starb Leonard Cohen, einer der größten Songwriter der Welt. Dieser, zur Nachricht seines Todes verfasste Kommentar erinnert daran, was uns verloren gegangen ist, was er hinterlassen hat - und wie Musik ein Leben verändern kann.

Erinnerungen und Erlebnisse, Analysen und Aufregungen, Persönliches und Profanes, Gedichtetes und Geniales, Verrisse und Vielgeliebtes - so vielfältig wie eure Kommentare ist auch der Kommentar der Woche. Aber das gilt nur dann, wenn ihr uns Kommentare vorschlagt. Wenn ihr da draußen auf moviepilot also irgendwo, ganz gleich wo, über einen Kommentar stolpert, der so toll ist, dass ihr ihn unbedingt jemandem zeigen wollt: Zeigt ihn uns und wir zeigen ihn der Welt!

Der Kommentar der Woche
2016 war kein besonders gutes Jahr. Viele Stimmen, die die Welt verändert haben, sind verstummt. Eine von ihnen war Leonard Cohen. Seine war vielleicht nicht die lauteste, meistbeachtete Stimme von allen - aber sie hat die Welt verändert. Sie hat das Leben von LoveandTheft verändert. Und sein Kommentar ist die vielleicht beste, persönlichste, ehrlichste Art, dieses großen Musikers zu gedenken - denn er hat die richtigen Worte gefunden.

"I'm good at love, I'm good at hate, it's in between I freeze."

Egal wie sehr ich Bob Dylan in meinem Leben bewundere, letztlich ist es immer Leonard Cohen gewesen, mit dem ich mich wirklich identifizieren konnte und der mir die Schönheit der Poesie offenbart hat.
Noch vor einigen Wochen hat er seine Äußerung
"I am ready to die" zurückgezogen, nur um all die bestürzten Gesichter mit “I think I was exaggerating. One is given to self-dramatization from time to time. I intend to live forever" wieder etwas zu erhellen.

Diese Nachricht erschüttert und deprimiert mich umso mehr, da ich Cohens Karriere verfolgt habe und weiß, dass er zeitlebens (ich kann dieses Wort nur ungläubig niederschreiben) immer mit Depressionen zu kämpfen hatte, und immer und überall auf der Suche nach dem Glück gewesen ist, nur um letzten Endes vom Tod eingeholt zu werden. Ich kann da nur an das Montaigne-Zitat: "Ich fühle, wie der Tod mich beständig in seinen Klauen hat. Wie ich mich auch verhalte, er ist überall da." denken. Vor einem Jahr, als ich mit fürchterlichen Angstattacken und Depressionen zu kämpfen hatte, war Leonard Cohen mein ständiger Begleiter. Mein einziger wirklicher Freund, mit dem ich manchmal ganze Tage verbracht habe, der mich in meiner Isolation oft sogar bis in die frühen Morgenstunden begleitet hat.

In dieser Zeit hab ich zum ersten Mal Take this Waltz gehört, dieses Gefühl der Begeisterung, Offenbarung, Schönheit und Geborgenheit war so vollkommen, dass mich dieses Gefühl bis heute nicht mehr verlässt. Dies muss einer der schönsten Erinnerungen meines gesamten Lebens sein. Ich weiß bis heute sogar noch, dass ich damals gegen 18:00 auf mein Tram mit der Nummer 7 beim „Hirschengraben“ gewartet habe, und dass es gerade anfing zu regnen, während ich das Tram von weitem kommen sah. Dieser Moment war so einschneidend, so gewaltig, dass ich mich noch an alles erinnern kann.

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In gewisser Weise kann man sagen, dass dieser Song mein Leben verändert hat. Ich hatte davor nie wirklich Interesse an Literatur, doch als ich diese Verse gehört habe, bin ich am nächsten Tag in die Bibliothek gerannt und hab mich in kürzester Zeit quer durch die Weltliteratur gelesen. Jeden zweiten Tag hab ich neue Bücher nach Hause getragen, egal ob Gedicht- und Philosophiebände oder uralte Romane alter Denker. Egal ob Lorca, Schopenhauer, Bernhard, Bukowski, Celine, Hesse, Steinbeck, Tolstoi, Dostojewski, Camus oder Sartre. All diese großartigen Schriftsteller eröffneten mir eine neue Welt und ganz oben, über all dem ist immer Leonard Cohen geblieben. Ich weiß bis heute nicht, ob ich diese dunkle Zeit ohne ihn überstanden hätte. Zusammen mit Herrmann Hesse ist mir kein Künstler bekannt, dessen Bindung zu Wörtern derart innig und wahrhaftig ist. In Cohens Songs steckt die ganze Welt. Es gibt Verse, mit denen ich mich so identifizieren kann und die mir seit Ewigkeiten so nahe gehen, dass ich immer und immer wieder in den exakt gleichen Wörtern und Zeilen eine Erschütterung empfinde, die nur seine Texte in mir auslösen können. Ich könnte da beispielsweise folgenden Vers aus seinem ersten Album zitieren:

“The stories of the street are mine, the Spanish voices laugh.“

Entfremdung, Einsamkeit, Schwermut und Aussichtslosigkeit. Wie großartig und göttlich muss ein Poet sein um mit so wenig Wörtern so viel sagen zu können?
Schon zum dritten Mal sitze ich heute hier und versuche irgendetwas zu sagen, zweimal hab ich schon eine A4 Seite mit wirren Wörtern gefüllt nur um sie dann wieder zu verwerfen. Diesen Text mag ich auch überhaupt nicht. Er kennt keinen Anfang und kein Ende, er ist bloß unzusammenhängend und unsorgfältig, doch ich lass das jetzt alles so stehen, da ich weiß, dass ich nie die richtigen Worte finden werde, denn in meinem ganzen Kopf herrscht viel zu viel Chaos, wenn ich versuche meine Liebe zu Cohen zu beschreiben. Ich höre jetzt also einfach auf und schließe mit einer Lieblingsstrophe ab:

"And I loved you when our love was blessed
And I love you now there's nothing left
But sorrow and a sense of overtime
And I missed you since the place got wrecked
And I just don't care what happens next
Looks like freedom but it feels like death
It's something in between, I guess
It's closing time"

So Long, Leonard. Danke.

Den Originalkommentar findet ihr hier.

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