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"Ich bin ein furchtbar schlechter Mensch!"

14.10.2014 - 12:00 Uhr
Jo in ihrem Zimmer
NIPPON ANIMATION CO., LTD.
Jo in ihrem Zimmer
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Meine Lieblingsszene:

Es ist Winter. Um sich ein bisschen die Zeit zu vertreiben, gehen Laurie und Jo Schlittschuhlaufen. Als sie zum zugefrorenen Fluss spazieren, werden sie unbemerkt von Jos kleiner Schwester Amy verfolgt. Wirklich unbemerkt? Die beiden Geschwister hatten einen schweren Streit und Jo hat sich fest in den Kopf gesetzt, nie wieder ein Wort mit ihrer Schwester zu reden und so ignoriert sie auch jetzt wieder Amy. Dieses recht kindische Benehmen provoziert jedoch eine gefährliche Situation herauf.
Am Fluss angekommen, weist Laurie darauf hin, dass nur das Eis am Rande sicher ist. Ein Ratschlag, den Amy, welche an anderer Stelle des zugefrorenen Flusses ihre Schlittschuhe anzieht, natürlich nicht hören kann. Jo überlegt kurz, Amy vor den dünnen Eis in der Flussmitte zu warnen, verwirft den Gedanke aber wieder. Als Laurie dann schließlich Amy auf dem Eis entdeckt, ist sie zu weit weg, um seine Warnung zu hören und dann passiert es auch schon, Amy bricht ein! Laurie und Jo eilen zur Hilfe und es gelingt ihnen, Amy aus dem eisigen Wasser zu retten.
Das ist aber nicht meine Lieblingsszene aus der Zeichentrickserie „Eine fröhliche Familie“ (JP, 1987), auch wenn sie für die Verhältnisse dieser ruhigen Serie ja schon fast actiongeladen ist. Die Szene, über die ich eigentlich schreiben will, findet nach der ganzen Aufregung statt.

Amy liegt im Bett und hat, neben vielleicht einer kleinen Unterkühlung und Schock, keine Blessuren davon getragen. Die ganze Geschichte ist also gut ausgegangen. Dennoch denkt Jo in ihren Zimmer über das Geschehene nach und hadert bald mit sich selbst und ihrem Verhalten. Ihr ist klar, dass sie hätte Amy warnen müssen und sie ist schockiert von ihrem Handeln (bzw. nicht-Handeln) und vor allem wütend auf sich selbst, da sie nicht in der Lage war, über ihren Schatten zu springen und diesen kindischen Streit auch nur mal kurz zu vergessen. Mit dem Wissen, nun mit ihrer Schuld leben zu müssen, wandelt sich die Wut in Verzweiflung bis sie schließlich weinend vor ihrer Mutter zusammenbricht und sie flehend fragt: „Oh Mutter hilf mir doch! Was soll ich nur tun?“.
Ich finde das eine interessante und starke Szene, wenn auch hier wieder die Dialoge, wie in der gesamten Serie, etwas hölzern und gestelzt klingen. Es ist einfach ein großer Charaktermoment. Jo ist temperamentvoll und handelt schon mal sehr impulsiv, gleichzeitig hat sie ein gutes Gespür dafür, was richtig und was falsch ist. Oft rügt sie sogar Amys Verhalten. Vor allem aber haben wir bis dahin Jo immer sehr selbstsicher, stark und eloquent erlebt. Sie so mit sich selbst hadern zu sehen, ist neu, bei genauerer Betrachtung des Charakters aber nicht unglaubwürdig. Das macht diese Szene so stark und spannend.
Ich finde diesen Moment aber auch bewegend, da ich mich recht gut in Jo hineinversetzen kann. Ich glaube, jeder, der sich mal ernsthaft vorgenommen hat, immer das Richtige zu tun, kommt früher oder später an einen Punkt im Leben, wo er feststellen muss, dass er selbst längst nicht so ein guter Mensch ist, wie immer geglaubt. Sich dieser Unzulänglichkeit bewusst zu werden, ist ein schmerzhafter Moment der Selbsterkenntnis und Jo erfährt genau einen solchen.
Ganz wie es von einer kitschigen Kindersendung erwartet wird (die aber immerhin auf einen US-amerikanischen Literaturklassiker basiert), nimmt die Mutter Jo in die Arme und versichert ihr, dass ihr vergeben wird, da sie ihre Fehler einsieht und diese ehrlich bereut.
Insgesamt eine theatralische wie letztendlich auch rührselige Szene, aus der eine ganz nette Botschaft mitgenommen werden kann. Gerade weil kein Mensch perfekt ist, ist Vergebung so wichtig.In diesen speziellen Fall ist es sogar so, dass es nie zu dieser Situation gekommen wäre, hätte Jo von vornherein Amy vergeben und den Streit damit aus dem Weg geräumt. Wut, Hass und all die anderen negativen Gefühle verspürt jeder, wichtig ist aber wie wir damit umgehen und wie wir aus unseren Fehlern lernen. Wenn alleine schon die Bereitschaft da ist, das eigene Verhalten kritisch zu reflektieren und wir uns wirklich bessern wollen, ist schon ein sehr großer Schritt getan. Viele kleine weite Schritte können diesen folgen um dem Menschen, der man gerne wäre, näher zu kommen. Auch wenn ein ganzes Leben nicht ausreichen wird um dieses Ziel zu erreichen, so kann der Weg dahin jedoch schon ungemein bereichernd sein.

Ach ja, natürlich vertragen sich die Schwestern am Ende wieder und alle haben sich lieb, wahrscheinlich sogar mehr als vor diesen Vorfall. Super harmlos eben, dafür aber auch mit dem Herz am rechten Fleck, wäre schön, wenn das auch über ein paar mehr Menschen behauptet werden könnte.


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