House of Cards oder wie ich lernte, ein Ekel zu lieben

04.04.2014 - 10:38 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Ian Richardson in House of Cards
BBC
Ian Richardson in House of Cards
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Bevor Francis Underwood die Washingtoner Politszene unsicher machte, intrigierte sich Francis Urquhart durch das britische Unterhaus. Mit House of Cards gelang der BBC Anfang der 90er ein Polithriller in drei Teilen, der vor allem mit einer abrechnet: Margaret Thatcher.

Am Anfang von House of Cards – Ein Kartenhaus steht die Verletzung eines Egos. Die Wunde, welche der angehende Premierminister Henry Collingridge in der (vermutlich vorhandenen) Seele von Francis Urquhart schlägt, ist nicht kleinzureden. Urquhart, Chief Whip und damit Dompteur der konservativen Fraktion im britischen Unterhaus, hatte nach dem Wahlsieg auf einen Posten im Kabinett gehofft. Collingridge aber hält sein Versprechen nicht. Und wenn wir eines in House of Cards – Ein Kartenhaus (im Original: House of Cards) und seinen Folgeserien lernen, dann dass niemand, also wirklich niemand jemals auf die beknackte Idee kommen sollte, Urquhart auf dem Weg nach oben ein Bein zu stellen.

Dabei spielt Ian Richardson mit Francis Urquhart keinen klassischen Ehrgeizling, der es durch seine politische Flexibilität nach oben schafft. Der Abkömmling eines schottischen Adelsgeschlechts ist ein Tory durch und durch, gefährlicherweise auch ein Menschenkenner mit einem durchdringenden Blick für die Machtverhältnisse in seiner eigenen Partei. Ein geborener Chief Whip, der mit Zuckerrohr und Peitsche die Fraktion auf Linie bringt und dazu auch auf die schmutzige Wäsche seiner Kollegen zurückgreift. Urquhart erscheint in der ersten Serie wie eine Allmachtsfantasie, die Karrieren (und nicht nur die) nach Belieben beendet. “Me? Well, I’m just a backroom boy”, schmunzelt er mehrmals in der vierteiligen ersten Miniserie in die Kamera, um seine Intrigen zu kommentieren. Durch die direkte Ansprache wird der Zuschauer selbst zum Komplizen. Eingeweiht in die Pläne dieses deutlich smarteren Macbeth des ausgehenden Kalten Krieges, schwanken wir in unseren Sympathien. Soll die junge Journalistin Mattie (Susannah Harker) den wahren Machenschaften ihrer “exklusiven Quelle” wirklich auf die Schliche kommen oder läuft sie nicht vielmehr Gefahr, uns den Spaß zu verderben?

Mit einer ungeheuren narrativen Effizienz verarbeitet die erste Serie in nur vier Episoden ihren dichten Plot, ohne einmal den Anschein zu geben, das wäre Schwerstarbeit. Francis Urquhart nimmt uns an die Hand, um uns die Dynamiken des oberen Parteikaders vorzustellen. Von Ian Richardson zunächst als charmanter Zyniker gespielt, können wir uns diesem Erzähler nicht entziehen. Richtig groß spielt der 2007 verstorbene shakespearean actor par excellence in den Folgeserien House of Cards – Um Kopf und Krone und House of Cards – The Final Cut auf. Da kommen die Risse in Urquharts Fassade stärker zum Vorschein und die personifizierte Allmachtsfantasie verwandelt sich in einen Süchtigen, der von der Macht nicht lassen kann. Geradezu in eine Dystopie verwandelt sich das House of Cards-Original in diesen späteren Folgen, eine, die der damals unmittelbaren Vergangenheit trotz vieler dramatischer Überzeichnungen nahe kommt. Mit der fiktiven Abdankung Margaret Thatchers beginnt die Serie und zehn Tage nach der Premiere im November 1990 scheidete die echte Eiserne Lady aus dem Amt aus. Sie hinterließ ein Land mit drei Millionen Arbeitslosen und einer in die Höhe geschossenen Armutsquote. In der ersten Folge von House of Cards richtet Urquhart noch abfällig über die ehemalige Premierministerin. Aber ihr Schatten ist länger, als er denkt.

Die ersten beiden Miniserien von House of Cards, Ein Kartenhaus und Um Kopf und Krone, sind am 25. März bei Pandavision auf DVD und Blu-ray erschienen.

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