Mike Leigh ist bekannt für seine ernsten Sozialdramen, die oftmals in der Arbeiterschicht spielen. Das ist einer der Gründe, warum er ein gern gesehener Gast auf den Filmfestspielen dieser Welt ist. In Cannes bekam er schon drei Auszeichnungen, darunter eine Goldenen Palme für Lügen und Geheimnisse und einen Award für die Beste Regie für Nackt, in Venedig erhielt er den Goldenen Löwen für Vera Drake und sogar bei den Oscars wurde er bereits siebenmal in seiner Karriere nominiert. Da ist es nicht verwunderlich, dass dem Briten dieses Jahr die Ehre zuteil wurde, als Jury-Präsident der Berliner Filmfestspiele zu fungieren. Zumindest genauso verwunderlich wie die Hauptfigur des Films war jedoch Mike Leighs Berlinale -Beitrag 2008, als er mit Happy-Go-Lucky seine erste Komödie seit 1990 vorstellte und Sally Hawkins eine Auszeichnung als beste Schauspielerin bescherte.
Gleich in der ersten Szene wird das übersprudelnde Gemüt ihrer Figur, die ständig gut gelaunte Poppy, deutlich. Unablässig stellt sie dem Verkäufer in einem Buchladen Fragen, wobei sie sich nicht im geringsten davon stören lässt, dass dieser aufgrund einer Kombination aus Schüchternheit und einer scheinbar generell negativen Einstellung zum Leben keinerlei Lust auf Konversation hat. Unbeirrt läuft sie überdreht, kommunikativ, albern und immer vor Lebensfreude nur so sprudelnd durch die Welt, in guten wie in schlechten Zeiten. Eine ausufernde Handlung bietet Happy-Go-Lucky dabei nicht. Vielmehr ist der Film in mehrere zusammenhängende Episoden aufgeteilt, in welchen dargestellt wird, wie Poppys Mitmenschen mit ihrer unbeschwerten Art umgehen. Dabei sind es gerade diejenigen, die Poppys angebliche Kindlichkeit und ihr fehlendes Verantwortungsbewusstsein kritisieren, die mit ihrer eigenen Existenz am unzufriedensten sind.
Auf den Zuschauer wirkt die von Sally Hawkins wunderbar verkörperte Poppy sowohl faszinierend als auch in gewisser Weise abstoßend. Ihr Ausblick auf das Leben ist zwar beneidenswert, allerdings fehlt ihr jegliches Einfühlungsvermögen. Rücksicht auf diejenigen, die ihre sorgenfreie Einstellung nicht teilen wollen, nimmt sie keine. So erzeugt sie bei ihrem Fahrlehrer eine solch gewaltiges Unverständnis über ihr Verhalten, dass die Situation schließlich physisch und psychisch eskaliert. Obwohl Happy-Go-Lucky in den Medien oft als fluffige Komödie beschrieben wurde, reichert Mike Leigh sein Werk mit allerhand Szenen an, die zum Nachdenken anregen. Wer einen Schenkelklopfer nach dem anderen erwartet, ist bei Shanghai Knights auf kabel eins heute wohl besser aufgehoben.
Heute im TV: Happy-Go-Lucky
Wann: 20:15 Uhr
Wo: Arte
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