Die Antwort auf schlechte Pornografie ist nicht das Verbot von Pornografie, sondern der Versuch, bessere Pornografie zu machen. (Annie Sprinkle) – Was ist das, gute Pornografie? Gibt es das, gab es das? Was könnte das sein? Eine Reise durch die wechselhafte Geschichte des Pornofilms, vom Stummfilm bis in die Gegenwart.
Pornofilme sind dumpf, langweilig, primitiv, immer gleich und frauenfeindlich. Könnte man meinen. Und in den allermeisten Fällen hätte man damit sogar recht. In neunundneunzig komma neun Prozent aller Fälle, vermutlich, denn Pornografie wird in nahezu unüberschaubaren Massen auf einen Markt gepumpt, der sie unersättlich zu verbrauchen scheint. Hunderte von Porno-DVDs erscheinen Monat für Monat, werden vom geneigten Publikum verkonsumiert und meist zu Recht umgehend wieder vergessen. Nicht viel zu holen also für eine filmhistorische Betrachtung des Pornofilms? Weit gefehlt, denn das war keineswegs immer so und erscheint auch heute vielfältiger, als der oberflächliche Blick es offenbart. Wie andere Genres auch hat die Pornografie eine recht wechselhafte Geschichte, inklusive künstlerischer Meilensteine und langer Durststrecken, mit Phasen der Marginalisierung, der Subversion und der Konventionalisierung. Aber beginnen wir ganz am Anfang.
Im Falle der Pornografie bedeutet das: in prähistorischer Zeit. Denn solange es die Menschheit gibt und solange diese Spuren ihrer selbst hinterlässt, sich auf Höhlen- oder Leinwänden ein Bild von sich selbst, dem eigenen Körper und dem eigenen Tun macht, gibt es auch Bilder vom sexuellen Akt. Bilder, die sich von noch so rigiden moralischen Regimes von Kirche, Staat oder Stil nicht unterdrücken ließen. Bilder, die eine Konstante, und nicht die unwichtigste, eines jeden menschlichen Daseins abbilden. Pornografische Bilder.
Aber wie ließe sich der Begriff überhaupt definieren: Pornografie. Schließlich gibt es nicht den einen Begriff von Pornografie, sondern viele mitunter sehr verschiedene Definitionen derselben: eine moralische, eine juristische, eine ästhetische, eine generische Definition, und all diese müssen nicht unbedingt deckungsgleich sein. Somit war es immer schon eine Frage der Perspektive, wo die kulturell akzeptable Darstellung von Sexualität endet und die Pornografie beginnt. Denn darum geht es unbedingt immer: um eine Darstellung von Sexualität. Einen pornografische Akt gibt es per definitionem nicht, lediglich eine pornografische Darstellung, eine pornografische Perspektive – einen pornografischen Blick.
Dieser ist dem Begriff selbst bereits eingeschrieben, denn der kommt aus dem Griechischen und meint von vornherein eine Abbildung – nämlich die Abbildung dessen, was die »porne«, die Dirne, in ihrer Profession so alles treibt. Die Abbildung dieses Tuns kann in den unterschiedlichsten medialen Codes vorgenommen werden: die unerschöpfliche Fülle pornografischer Literatur aus unterschiedlichsten Epochen und Kulturen spricht Bände. Ganz neue Möglichkeiten der Abbildung erfuhr die Pornografie freilich mit dem Beginn der Filmgeschichte, und auch hier gilt: solange es Filmkamera, belichtete Filmstreifen und Projektoren gibt, solange Menschen Kameras und kameraähnliche Apparaturen aufeinander richten, um sich gegenseitig auf Film zu bannen – solange gibt es auch den Pornofilm.
Der sah freilich in seinen frühen Tagen noch spürbar anders aus als heute, und zwar nicht unbedingt schlechter. Am Anfang nämlich gab es, wie es überhaupt für die bewegten Bilder des jungen Mediums Kino noch keine Regeln und Grenzen zu geben schien außer denen, die ihnen durch die seinerzeit noch schwerfällige Technik auferlegt wurden, noch keine Regelwerke für das, was im Pornofilm passieren durfte, musste – und was nicht. Kurz gesagt: so wie es nicht die eine Sexualität gibt, die es auf Film zu bannen galt, sondern so viele Sexualitäten, wie es Menschen gibt, gab es seinerzeit auch nicht jene sterbenslangweilige und jede Lust schon im Kern erstickende Konventionalität, die heute den kommerziell produzierten Mainstream-Pornofilm so unerotisch macht.