Gekaufte Oscar-Garantie? Wie Netflix Roma zum Besten Film peitscht

21.02.2019 - 15:35 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Roma soll für Netflix den Oscar holenNetflix
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Die Kampagne für Roma ist schon jetzt legendär. Netflix will den Oscar für den Besten Film dieses Jahr unbedingt haben. Der Aufwand könnte tatsächlich Früchte tragen: Roma ist der große Favorit.

Eine gut ausgeführte Oscar-Kampagne kann alles niederwalzen und sogar Shakespeare in Love in einem Der Soldat James Ryan-Jahr den Bester Film-Berg hochschieben. Netflix ging dieses Jahr auf Nummer sicher. Zwischen Oktober und Dezember, den heißen Oscar-Monaten im US-Kino, veröffentlichte der Streaming-Dienst zwei Filme von Regisseuren, die bereits Best Picture-Oscars in ihren Regalen stehen haben: The Ballad of Buster Scruggs von den Coen-Brüdern und natürlich Roma von Alfonso Cuarón.

Zusammen vereinen sie 13 Nominierungen auf sich, zehn davon für Roma. Das erste Etappenziel der lange Reise zum Netflix-Oscar war erreicht: Zum ersten Mal schaffte es mit Roma ein Netflix-Film ins enge Feld der 8 Besten Filme. Das in Schwarzweiß gedrehte Sozialdrama, in dem kein Satz Englisch gesprochen wird, powerte Netflix in der Folge sogar zum Topfavoriten auf den Preis hoch.

Warum Netflix der Oscar dieses Jahr so wichtig ist

Andere Studios erhoffen sich von einem Oscar-Gewinn Werbung für einen einzigen Film und etwas Prestige vielleicht. Ein Oscar für Netflix in der Kategorie Bester Film jedoch bewirbt die Zukunft des Filmeschauens an sich, und damit, nach eigenem Selbstverständnis, natürlich allein Netflix. Netflix hat es in diesem Jahr so weit wie noch nie zuvor geschafft. Bereits mit Beasts of No Nation und Mudbound wollte der Streaming-Dienst unbedingt in das Rennen um den Besten Film einsteigen, was jedoch nicht gelang.

Roma

Der Marketing-Effekt eines Oscars ist für Netflix Gold wert. Der Streaming-Dienst wird immer noch vorrangig über (Serien-)Massen und Filmramsch wahrgenommen. Was Netflix fehlt, ist ein Flaggschiff, ein Aushängeschild, das zeigt: Wir können auch anders. Für Filmemacher und strategische Partner in der Branche wäre ein Oscar-Gewinn ein wichtiges Signal: Bei Netflix ist vieles möglich, sogar der Oscar. Denn auch ein Cuarón oder Scorsese kommt nicht jeden Tag mit einer Filmidee zu Netflix. Umso wichtiger ist das Oscar-Rennen 2019. Wer weiß, wann Netflix sich wieder so einen Film mit eingebautem Oscar-Gen angelt.

So viel lässt sich Netflix das Oscar-Rennen kosten

Über die Netflix-Kampagne für Roma werden sich gerade wilde Geschichten erzählt. Wenn wir sie alle glauben, müsste Los Angeles gerade komplett in den Roma-Farben (das wäre dann ja eher reizlos) geschmückt sein. Außerdem können Academy-Mitglieder und Journalisten wohl keinen Schritt mehr tun, ohne dass ihnen ein Netflix-Mitarbeiter den Weg versperrt und sie mit Schokolade mit Roma-Schriftzug zuschüttet. Später mehr dazu.

Relativ sicher ist, dass Netflix für die Roma-Kampagne sein mit Bird Box-Millionen gefülltes Festgeldkonto geplündert hat. Die Angaben schwanken, aber wahrscheinlich gab Netflix zwischen 20 und 25 Millionen US-Dollar aus, um Roma (Produktionsbudget 15 Millionen Dollar) mit ordentlich Schwung in die Verleihung am kommenden Sonntag zu schubsen. Das ist viel. Die Roma-Kampagne, so heißt es in einer Reportage von Fast Company , soll die teuerste seit der für The Social Network sein. Netflix gebe nicht nur ein bisschen mehr aus als alle anderen, nein, sie geben mehrere Millionen mehr aus als ihre Mitbewerber.

The Ballad of Buster Scruggs

Nun müssen wir das ins Verhältnis setzen. Der Variety zum Beispiel flüsterte ein Insider zu, dass "derzeit so viel mit Geld um sich geworfen wird wie nie zuvor." Netflix musste sich entsprechend strecken, um die gewünschte Aufmerksamkeit für seinen Schützling zu generieren. Die Studios haben sich gegenseitig hochgepeitscht, weil in dieser Saison kein klarer Favorit alle anderen überragt. Jeder sieht noch die Chance für seinen Film.

Auch Netflix, nur dass Netflix mal so richtig in die Vollen geht. Im Vergleich zu den Kampagnen-Budgets kleinerer Studios sehen die 25 Netflix-Millionen wirklich gewaltig aus. The Favourite, der ebenso viele Oscar-Nominierungen wie Roma vorweist, also nominell der größte Konkurrent ist, knapst am Hungertuch und muss mit 5 bis 10 Millionen auskommen. Bohemian Rapsody und A Star is Born, die beide größeren Studios entstammen, dürften dieses Jahr aber in ähnlich Bereiche wie Netflix vorstoßen.

Aber wo fließt dieses Geld eigentlich hin?

Wie Netflix Roma bewirbt

Jetzt sind wir wieder bei den Schokoladen-Legenden. Indie Wire  zitiert Journalisten, die ein Hollywood beschreiben "das mit Plakaten bedeckt ist, die Yalitza Aparicios Gesicht zeigen". Yalitza Aparicio ist die, ebenfalls nominierte, Hauptdarstellerin von Roma. Außerdem schickt Netflix offenbar ein 175 Dollar teures Buch über Roma rum, das die Schreibtische von Academy-Mitgliedern ächzen lässt. In Los Angeles feiert Netflix praktisch minütlich irgendwo Roma-Partys, die von Angelina Jolie und Charlize Theron moderiert werden. Es ist der blanke Wahnsinn. Aber lohnt er sich auch für Roma und Netflix?

Warum es für Roma trotz allem knapp werden könnte

In der Tat liegt Roma etwa im Vulture -Ranking derzeit auf dem ersten Platz der Oscar-Anwärter. Die Ausschläge der Oscar-Seimografen sprechen für den Netflix-Film.

  • Die Regisseur-Gilde Hollywoods vergab ihren Preis an Roma. Von den letzten zehn mit dem Preis der Regie-Gilde ausgezeichneten Werken erhielten sieben den Oscar für den Besten Film.
  • Die Schauspieler-Gilde vergab zwei ihrer Preise an die Roma-Stars Yalitza Aparicio und Marina de Tavira. Roma darf sich also über Unterstützung aus dem Schauspieler-Segment der Academy freuen, das den größten Anteil der Mitglieder ausmacht.
  • Die Roma-Erzählung ist skandalfrei - im Gegensatz etwa zum Oscar-Narrativ des Konkurrenten Green Book.

Das spricht gegen Roma

  • Roma fehlt in der Kategorie Bester Schnitt - kein gutes Omen für den Besten Film 
  • Nie wurde ein Film aus der Kategorie Bester fremdsprachiger Film auch als Bester Film ausgezeichnet. Roma ist in beiden Kategorien nominiert und könnte sich damit selbst im Weg stehen.
  • In Roma wird Spanisch gesprochen, er wurde in Schwarzweiß gedreht und geht deutlich über 2 Stunden - das haut selbst stärkste Academy-Mitglieder, die ja für Roma abstimmen müssen, vom Schlitten.
Noch ein schönes Roma-Still

Warum Roma der Oscar für den Besten Film trotzdem nicht mehr zu nehmen ist

Aber jetzt kommt's: Das ist alles egal. Denn Netflix hat sich, um diese überaufwändige Kampagne auch vernünftig umzusetzen, Lisa Trabeck an Bord geholt. Die Awards-Strategin hält die Fäden in der Hand, wenn es darum geht, allen, die in der Filmwelt was zu sagen haben, diesen einen, atemberaubend schönen Film von Netflix ins Gedächtnis zu rufen.

Und Lisa Trabeck ist nicht irgendwer. Unter Trabeck gewannen sieben Filme die Königskategorie . Lisa Trabeck hat auch die Kampagne geleitet, die The Artist 2012 den Oscar für den Besten Film einbrachte. Es war das letzte Mal, dass ein Schwarzweißfilm diese Kategorie gewann.

Was glaubt ihr: Hat Netflix seinen ersten Bester Film-Oscar schon sicher?

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