Filmkritikerpapst Roger Ebert ist tot

05.04.2013 - 00:11 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Roger Ebert 1970
<a href="http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en">CC BY-SA 3.0</a>
Roger Ebert 1970
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Er gewann als erster Filmkritiker den Pulitzer-Preis und inspirierte Generationen von Zuschauern und Autoren zum Reden, Lesen und Schreiben über Filme. Nun ist Roger Ebert im Alter von 70 Jahren gestorben.

Seit 2002 kämpfte Roger Ebert mit dem Krebs, wurde schwer gezeichnet und verlor nach Operationen sogar seine Stimme. Trotzdem schien keine Krankheit der Welt diesen Mann, der in Zeitung, Fernsehen und schließlich auch dem Internet über Film diskutierte, von seiner Leidenschaft abhalten zu können. Am Dienstag kündigte er seinen Rückzug aus dem Tagesgeschäft der Filmkritik an. Der Krebs war zurückgekehrt. Seine Nachricht klang optimistisch, war voller neuer Ziele. Doch wie die Chicago Sun-Times bekanntgab, erlag Roger Ebert am Donnerstag seinem Krebsleiden.

Schon als Student begann der 1942 geborene Roger Ebert seine Arbeit bei der Chicago Sun-Times. Sein Aufstieg als Filmkritiker bei der Zeitung, der er bis zu seinem Tod treu blieb, fiel mit den Umwälzungen des New Hollywood zusammen. In einer Zeit, in der sich amerikanische Filme vom Studio-Glanz abwandten, in den Untiefen der Gesellschaft stocherten und beim Publikum mit offenen Armen empfangen wurden, führte Roger Ebert die Filmkritik zu neuer Popularität. 1975 wagte er gemeinsam mit Gene Siskel den Sprung ins Fernsehen. Siskel & Ebert wurden berühmt für ihre Wortgefechte und die knallharten Daumen hoch/Daumen runter -Wertungen. Vor allem aber brachten sie Filmkritik der breiten Masse nahe, in dem sie verständlich, respektvoll und differenziert über das stritten, was sie liebten (und manchmal eben auch hassten).

Nach dem Tod von Gene Siskel 1999 war die Sendung nie wieder dieselbe. Doch Roger Ebert fand neue Wege, Jung und Alt für das Nachdenken über Film zu begeistern. Er war einer der ersten alteingesessenen Filmkritiker, der die Möglichkeiten des Internets umarmte. Auf seinem Blog veröffentlichte er Essays über Trends der Filmindustrie, aktuelle politische Diskussionen, aber auch ganz persönliche Texte über seine Erinnerungen als Filmliebhaber und die Erfahrungen mit seiner schweren Krankheit. Von seinem Aufstieg in den 60er und 70er Jahren bis hin zu seinen Aktivitäten im Netz befand sich Roger Ebert stets in einem Dialog mit den Lesern. Dem Bild des Kritikers, der in seinem Elfenbeinturm verharrt und von oben herab den Zeigefinger schwingt, erteilte er eine Abfuhr. So sprühen seine Texte vor persönlichen Einschüben und Anekdoten und stellen die eigene Allgemeingültigkeit oft im selben Atemzug in Frage. Ebenso spielte er mit den stilistischen Grenzen seiner Zunft, veröffentlichte Kritiken in Gedicht-, Lied- und Dialogform und flocht immer wieder literarische Anspielungen ein.

An Meinung fehlte es Roger Ebert natürlich trotzdem nicht. Seine Fehde mit Vincent Gallo ist legendär. Nachdem er Brown Bunny als schlimmsten Film bezeichnete, der jemals in Cannes lief, beleidigte Gallo den Kritiker aufs härteste, woraufhin Ebert konterte: “Ich bin zwar fett, eines Tages werde ich dünn, aber Gallo wird dann immer noch der Regisseur von The Brown Bunny sein.” Diese Schlagfertigkeit legte er mit großer Eloquenz, aber ohne Arroganz auch in seinen Verrissen an den Tag. “Wenn sie sich den Preis für das Ticket sparen wollen”, schrieb er 2009 über Transformers – Die Rache, “dann gehen sie in die Küche, stimmen sie einen Männerchor an, der Musik aus der Hölle singt, und besorgen sie sich ein Kind, das Töpfe und Pfannen gegeneinander schlägt. Schließen sie dann ihre Augen und nutzen sie ihre Vorstellungskraft.”

Das Schönste an den Texten von Roger Ebert aber war, wie bei jedem guten Kritiker, wenn er Filme in einem neuen Licht erscheinen ließ, wenn er im Leser den Wunsch weckte, dem Werk eine erste, zweite oder dritte Chance zu geben. Dank seiner klaren Sprache sowie seiner Offenheit für Blockbuster, Independent-Filme und die Klassiker des Weltkinos wurde Roger Ebert über die Jahrzehnte die erste Anlaufstelle für Generationen von Filmkritikern, der große Kritiker, an dem sich ein junger Autor eben abarbeiten muss. Er inspirierte und regte auf, hatte aber immer auch ein offenes Ohr für den Nachwuchs, dem er in seiner Sendung eine Plattform bot.

Ein paar Mal versuchte sich Ebert, der 1975 als erster Filmkritiker mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde, im Filmgeschäft. Mit Russ Meyer arbeitete er an Im tiefen Tal der Superhexen, Blumen ohne Duft und dem nie verwirklichten Sex Pistols-Film Who Killed Bambi? Als sein Chef bei der Sun-Times ihn vor die Wahl stellte, entweder zu schreiben oder Filme zu drehen, entschied sich Roger Ebert für die Filmkritik. Wir können uns glücklich schätzen.

Am Donnerstag ist Roger Ebert, neben Pauline Kael und Andrew Sarris wohl der bedeutendste amerikanische Filmkritiker, im Alter von 70 Jahren verstorben. Er hinterlässt seine Frau Chaz, eine Stieftochter und zwei Stiefenkel.

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