Fear the Walking Dead - Wir schauen Staffel 2, Folgen 14 & 15

04.10.2016 - 10:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Ofelia gibt es auch noch!
AMC
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Nach der katastrophalen zweiten Hälfte sendet AMC gleich zwei Episoden als finalen Punch. Helfen tut dies der verkorksten 2. Staffel aber auch nicht. Fear The Walking Dead braucht einen Reboot. Hilfreiche Inspiration findet sich sogar beim eigenen Sender.

Den Vergleich verschenkten Potentials sucht man in der Serienlandschaft vergeblich: Fear the Walking Dead beendet seine 1. Staffel mit einigen Tiefpunkten und vielen Höhen. Das Spin-off setzt eigene Akzente, zeigt in ruhigen Momenten mehrfach mit dem großartigen Einsatz der Musik von Komponist Paul Haslinger, wie gespenstisch langsam der Zerfall der Apokalypse ablaufen würde. Der Prozess ist glaubhaft, die Reaktionen der letzten Institutionen sind vertretbar, das Chaos ist effektvoll inszeniert. Einzelne Figuren stechen positiv heraus, der Rest bleibt blass. Aber nach sechs Episoden war von dem zweiten Versuch im Zombie-Universum auch nicht mehr zu erwarten. Und so verließ uns Fear The Walking Dead mit einem schwelgenden Flug über den Pazifik in Träumereien über den möglichen Verlauf einer 2. Staffel. Da die Serie immer noch Wochen vor dem Aufwachen von Rick Grimes spielt, gibt es etliche Möglichkeiten, weiter den zivilisatorischen Zusammenbruch darzustellen und die bruchstückhaften Beziehungen der Figuren innerhalb der Patchwork-Familie zu erörtern.

Dieses Versprechen löste Fear The Walking Dead nie wirklich ein. Zunächst konnten einige Episoden auf hoher See kleine Bilder der Apokalypse zeichnen und so erfolgreich einen groben Gesamteindruck bieten, der sich jedoch weiterhin intim anfühlte. Spätestens mit der Landung in Mexiko aber brach die Serie in sich zusammen. Mit dem vermeintlichen Tod von Daniel Salazar raubte man der Serie ihren besten Schauspieler, die Figuren teilten sich erneut auf und man erzählte redundante Geschichten, die die Mutterserie besser schrieb und mit wandlungsreicheren Figuren und deutlicheren Akzenten versah.

Insbesondere die zweite Hälfte der Staffel war als Zuschauer und besonders als Fan des The Walking Dead-Universums enorm frustrierend. Der in einem Schneckentempo erzählte Plot kannte weder spannende Zombie-Momente, mitreißende Charakterentwicklungen oder überhaupt gut gefilmte Bilder. Paul Haslingers Musik wich dem Einsatz von Popmusik. Kein einziger Dialog oder auch nur Satz ist erinnerungswürdig, geschweige denn zitierbar. All das wäre nicht schlimm. Fear The Walking Dead muss keinen Kultstatus erreichen. Die Serie muss nicht den Einsatz von Kameraperspektiven in Serien revolutionieren oder Woche um Woche abliefern. Aber selbst das einzige, eigens auferlegte Thema der Eltern-Kind-Beziehung interessiert die Autoren nur am Rande und ansonsten treibt die Figuren schlicht keine Motivation an. Sie driften durch die Nachwelt, lassen sich mal hier nieder, dann dort, lassen sich von Bösewichten treiben und entscheiden sich schließlich, wenn der Plot es verlangt, mehr oder weniger hirnrissige Aktionen zu unternehmen.

Die größte Sünde, die Fear The Walking Dead in seinem zweistündigen Finale begeht, ist die Negation der bisher aufgebauten Konflikte. Es geht nicht darum, dass die meisten Konflikte nicht direkt ausgetragen werden, Partei gegen Partei, sie finden schlicht nicht statt. Das könnte theoretisch ein mutiger Ansatz im Sinne einer Verdrehung der Erwartungshaltung des Zuschauers sein. Aber wenn die gesamte Staffelhälfte auf der Stelle tappst und jegliche Weichen für ein Finale gestellt werden, in dem dann schlicht jeglicher Konflikt darin endet, dass die Figuren woanders hingehen, niemand von Wert stirbt und sich die Schicksale erneut aufteilen, muss ein vernichtendes Urteil gefällt werden.

Besonders bizarr ist die erneute Aufteilung der Figuren. Strand (Colman Domingo) bleibt bei dem Hotel und flüchtet nicht mit den Manawa-Clarks. Strand weiß, dass es ihm in dem Komplex besser ergehen wird als draußen in der Wildnis, aber die bisherige Zeichnung seiner Figur zeigte eher einen Wechsel vom pragmatischen Einzelgänger hin zum echten Teil der Familie – besonders, weil diese ihm gerade das Leben rettete. Aber nein, Strand bleibt bei dem Hotel, das gerade sein Haupttor verloren hat und somit für alle Walker dieser Umgebung freies Futter bereitstellt. Wieso Strand jedoch in Wahrheit dort bleibt? Vielleicht, weil er wie viele Zuschauer bemerkt hat, dass die Familie nur Unheil mit sich bringt und langsam aber sicher zu den Bösewichten dieser Erzählung wird. Das ist sicherlich unbewusst geschehen, da Fear immer noch vom Zuschauer erwartet, für Travis, Alicia und Madison zu fiebern. Dabei wäre gerade dies aber eine interessante Wendung der Narrative. Aber die Lösung ist vielleicht banaler: Ich würde basierend auf den bisherigen zwei Staffeln darauf wetten, dass man unter den Autoren glaubt, eine Hauptfigur bei einem Ort haben zu müssen, um dort Szenen abspielen zu lassen. Es ist schon fast pathologisch, wie bemüht Fear The Walking Dead (nach dem Vorbild der Mutterserie) seine Figuren aufteilt, um die Episodenzahl einer Staffel zu füllen. Wie ein Student, der den Zeilenabstand in seinem Essay vergrößert, um mehr Seiten zu füllen.

Das Finale bietet trotz all der frustrierenden Momente dennoch einen Lichtblick. Travis, nachdem er von dem Tod seines Sohnes erfahren hat (und ihn auch nicht anzweifelt – wieso sollten die zwei Apokalypsenbros ihn auch bezüglich dessen anlügen?), dreht komplett durch und es ist eine Transformation, die zwei Staffeln lang am Brodeln war. Travis‘ bisherige Zurückhaltung wird nun durch Rage von einem Extrem ins Nächste befördert. Er tötet die beiden Killer seines Sohnes mit bloßen Händen, während Madison ihn verzweifelt anfleht, Gnade walten zu lassen. Kim Dickens mag in der Situation vielleicht laut schreien, doch ihr Gesichtsausdruck ist erneut von Valium beeinflusst. Die Schauspielerin, die in all ihren anderen Rollen brilliert, kann mit dem ihr anvertrauten Material offensichtlich nicht viel anfangen. Das ist enorm problematisch, immerhin verbindet sie so viele der Figuren direkt miteinander und steht im Mittelpunkt der Serie. Man möchte fast zurückschreien. Einmal, weil man ihr das Klagen nicht abkauft. Und dann, weil dies einfach Travis‘ Moment ist. Es ist ein Moment der rapiden Transformation, auf den man als Zuschauer seit Anbeginn der Serie wartet. Der langsam inszenierte Austausch versprüht durch seine rohe Gewaltdarstellung eine selten vernommene Realität, die schlicht beeindruckt. Also, Ruhe, Madison. Zumal sie später den Tod der beiden ohnehin rechtfertigt. Sorgte sie sich also nur um Travis oder ist dies erneut ein Fall von ihrer, drücken wir es liebevoll aus, ambivalenten Darstellung?

Die Auflösung des „La Colonia“-Handlungsstrangs (RIP, best camp ever) ist noch frustrierender. Fear the Walking Dead kann hier weder die Gore-Hounds befriedigen, da die Mitglieder des Drogenkartells off-screen sterben. Noch kann man auf einen großen Kampf oder einen Kampf der Ideen hoffen. Nick führt schließlich die leicht zu beeindruckende Menge weg zur Grenze, wo sie von gut bewaffneten Söldnern niedergemetzelt wird. Es war ein schönes Bild: Nick, der den Beginn der Staffelhälfte alleine in der Wüste verbrachte und sich selbst kaum retten konnte, wuchs zum Anführer heran und rettete die Leben der Menschen – zumindest für die Dauer einer Hälfte des eingespielten Popsongs. Nichts ist in dieser Welt von Dauer. Am Ende der 2. Staffel kehren alle Figuren zurück zum Status Quo. Selbst das sonstige Massaker im Finale wird ausgelassen.

Also: Quo vadis, Fear The Walking Dead? Zunächst einmal scheinen alle Kräfte die Serie zurück in die USA zu drängen. Es wird wahrscheinlich eine Serie bleiben, die nahe an der Grenze spielt. Auch thematisch scheint man weiterhin an den offensichtlichen Referenzen zur Realität interessiert zu sein. Die aktuelle politische Debatte dürfte inspirierend wirken. Bereits im Finale gibt es erste Zeichen dafür: Sowohl Nick und seine Freundin als auch Ofelia begegnen an der Grenze bewaffneten Schurken, die den Oath Keepern  ähneln. Selbsternannte Patrioten, die das Gesetz selbst in die Hand nehmen wollen und in der Postapokalypse womöglich Sicherheit in faschistischen Systemen bieten könnten.

Ebenso wird Madison weiterhin verzweifelt den Kontakt zu ihrem Kind suchen. Travis (Cliff Curtis) und Alicia, die besonders in den letzten Folgen positiv auffiel, bleiben nach zwei Staffeln noch recht blass, können aber diesem Drang durch ihre eigenen Bedürfnisse gut entgegenwirken. Konflikt! Drama! Das wäre doch mal etwas.

Doch das reicht nicht. Die Serie braucht einen Reboot. In Wahrheit würde Fear The Walking Dead am besten die zeitlich positive Positionierung innerhalb der Narrative nutzen, um einen krassen Wechsel zu wagen. Noch ist genügend Zeit übrig, um die Prämisse gebührend auszunutzen – und noch mehr!

Reboot. Have you tried switching it off and on again? Das erinnert an eine andere Serie auf dem gleichen Sender. Der mutige Schritt der Showrunner, in der 2. Staffel von Halt and Catch Fire nicht nur die Szenerie zu wechseln, sondern auch Nebenfiguren zu Hauptfiguren zu gestalten – und umgekehrt –, hat fantastisch funktioniert. Der Wechsel nach Silicon Valley in der 3. Staffel war noch erfrischender. Die Serie läuft ebenfalls auf AMC. Noch. Bald wird sie leider auf Grund schlechter Zuschauerzahlen abgesetzt. Nicht, weil die Serie schlecht ist. Halt and Catch Fire konnte einfach genügend Hype um sich generieren, um für diese mutigen Schritte belohnt zu werden. Gerade deshalb ist es doch zum Haare raufen, dass Fear The Walking Dead, das Spin-off einer Rekorde-brechende Zombie-Serie, in jeglichen Punkten so uninspiriert, so langatmig, ohne Risiko und Motivation Geschichten erzählt.

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