Fear the Walking Dead: Das Midseason-Finale ist eine große Enttäuschung

12.06.2018 - 09:00 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Die Brand-Zombies sind ultra creepy.AMC
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Acht lange Folgen hat es gedauert, nun liefert Fear the Walking Dead endlich Antworten auf die im Staffelauftakt gestellten Fragen. Rückblickend stellt sich nun heraus, wie uninteressant der ganze Konflikt war. Er diente nur einem Zweck: Reboot.

Das Midseason-Finale der 4. Staffel von Fear the Walking Dead beginnt verheißungsvoll. Das liegt an einer gelungenen visuellen Umsetzung der neuen Brand-Zombies und einem überraschenden Treffen. Wenngleich Greg Nicoteros gruseligen Kreaturen unterschiedlich erfolgreich umgesetzt sind, kann den Autoren keine Ideenlosigkeit beim Erfinden neuer Arten vorgeworfen werden. So sind die Zombies des ausgebrannten Stadions durchaus beängstigend, teilweise erinnern sie sogar an wandelnde, schwarze Skelette. Ihre schiere Masse, die Altheas SWAT-Wagen umgibt, ist bedrohlich und eindrucksvoll. Ebenso funktioniert der Überraschungseffekt in dieser Woche ausnahmsweise: In einem Cold Opening trifft Madison auf Althea und im ersten Moment ist nicht klar, wann dieses Treffen stattfindet. Die unterschiedlichen Zeitebenen funktionieren hier deswegen so gut, weil sofort viele Theorien im Kopf herumschwirren. Wusste Althea von Madison und hat sie den anderen bewusst wichtige Informationen verschwiegen? Hat sie womöglich Madison umgebracht und ist sie eine Spionin? Ähnlich wie Alicia spinnen wir als Zuschauer Theorien, die tatsächlich Spannung erzeugen. Eine seltene, aber willkommene Abwechslung.

Fear the Walking Dead - Gestreckte Handlung, zäh wie Kaugummi

Das Treffen der beiden starken Frauen fällt dagegen fahl aus. Die Auflösung ist typisch banal. Es gibt keinen Kampf, keine wirkliche Idee, stattdessen dominiert erneut das Nacherzählen und Wiedergeben von bedeutungsschwangeren Geschichten das Geschehen. Es geht um Madisons Motivation, für ihre Kinder endlich einen sicheren Ort zu finden, und um eine Figur namens Twisted Round, eine Art Negan, dessen große Armee und Macht jedoch nur ein guter Bluff waren. Madison fühlt sich inspiriert und später stellt sich heraus, dass genau dieses Treffen zum Ausbau des Stadions führte. Dieses Nacherzählen bleibt auch im dramaturgischen Höhepunkt der bisherigen Staffel die Maxime des Storytellings. "Show, don’t tell", sagt eine der wichtigsten Regeln des Drehbuchschreibens. Regeln sind da, um gebrochen zu werden, aber sofern man eben nicht Quentin Tarantino oder sonst ein begnadeter Autor ist, sollte man seine Wahl überdenken. Es kommt, wie es kommen muss. Die Enttäuschung der bisherigen Staffel setzt sich auch im Finale fort. Während sonst die pulsierende Musik von Komponist Paul Haslinger pocht und plotmäßig die Fetzen fliegen, gibt sich Fear the Walking Dead in diesem Finale untypisch still. Am Lagerfeuer erfolgt endlich die Auflösung, mehrfach nacherzählt, für die Kamera, in Zeitlupe.

Das wichtigste Interview der Staffel.

Wie vermutet laufen die Mysterien der unterschiedlichen Zeitebenen nun erst im Midseaon-Finale zusammen. Das verschachtelte Erzählen ist eines der Schlüsselelemente in dieser Staffel. Fear the Walking Dead gibt dem Zuschauer und seinen Figuren nur nach und nach einen Flickenteppich an Informationen, sodass sich Fragen bezüglich der Vergangenheit stellen: Was ist mit Madison passiert? Ist sie noch am Leben? Etwas Schreckliches muss beim Untergang des Stadions passiert sein, doch weder Strand, Alicia, Luciana noch Nick wollen davon erzählen. All diese Handlungsfetzen konvergieren nach acht Episoden kurz vor der Staffelunterbrechung, wie wir es aus der Mutterserie kennen. Das hätte man aber durchaus ökonomischer erzählen können, wenn man denn wollte. Insbesondere wenn die Figuren miteinander gesprochen hätten. Man könnte dies rechtfertigen, in dem man auf die Feindseligkeiten innerhalb der Gruppe verweist, aber zwischenzeitlich arbeitet die Gruppe gut zusammen. Es ist schlicht kaum zu glauben, dass wichtige Informationen wie Madisons Tod nicht einmal zuvor erwähnt wurden - egal, wie schmerzhaft sie sein mögen.

Ein frustrierender Tod zum Midseason-Finale

Als Madison schließlich stirbt, macht sich keine Trauer breit und es kommt keine Spannung auf. Sehr schnell wird klar, dass ihr Schicksal endet und es keinen Ausweg gibt. Trotzdem wird das Geschehen wie Kaugummi in die Länge gezogen. Slow-Motion dominiert die Umsetzung des Drehbuchs. Das führt zu teilweise hübschen Bildern, begeistern kann die Serie hier aber nicht. Die gesamte Situation ist konstruiert, genau wie die ganze vierte Staffel, sodass sich die Serie einer Figur entledigen kann. Von einem organischen Aufbau kann nicht gesprochen werden. Die anderen Bewohner des Stadions wurden nicht genug etabliert, sodass ihr Verrat an Madison wirken kann. Auch wie Nick und Alicia überhaupt in die Situation kamen ist zum Haare raufen. Auch die Folgen, die das Event hat, sind verwirrend: Wollte Alicia Naomi nur töten, weil sie mit den Vultures auftaucht? Es gibt durchaus Antworten auf die Fragen, die sich hier stellen, teilweise banal einfache, aber dass sich diese Verwunderung überhaupt generiert, ist ärgerlich. Ein reiner Selbstzweck, um den Zuschauer zu verwirren - ohne höheres Ziel.

Friede, Freude, Eierkuchen

Kurzzeitig kommt im Midseason-Finale der 4. Staffel von Fear the Walking Dead dennoch Spannung auf. Alicia taucht im Stadion auf, als die Gruppe um Morgan gerade John Dorie retten will. Kurzzeitig ist diese ruchlose Rachelust, von Dave Ericksons Team drei Staffeln lang angeteasert, wieder da. Statt dem typischen Kampf mit einer anderen Gruppe entsteht plötzlich ein interner Konflikt, der gewaltsam ausgetragen wird. Ein neuer, spannender Ansatz, der jedoch schnellstens beseitigt wird. In der Konfrontation mit Morgan bekommt Alicia einen "You don’t wanna do this"-Monolog des besten Allround-Mönch diesseits des Mississippi und alles ist wieder gut. So gut sogar, dass Charlie am Ende mit Althea und allen neuen Figuren am Lagerfeuer sitzen darf und wohl nun Teil der Gruppe sein soll.

Das Reboot von Fear the Walking Dead ist komplett

Damit haben die neuen Showrunnern, Andrew Chambliss und Ian Goldberg, ihr Ziel nun erreicht. Dave Erickson hinterließ trotz Zuspitzungen gegen Ende der 3. Staffel sowie einem emotionalen und narrativen Ende vieler Handlungsstränge eine breite Masse an interessanten Charakteren und möglichen Ansätzen für folgende Staffeln. Die Explosion des Staudamms hätte nur ein Zwischenstopp auf einer längeren Reise werden können, doch die 4. Staffel macht klar, dass die Kreativen nicht an der bisherigen Geschichte interessiert sind. Alicia, Strand und Luciana mögen noch dabei sein - auch Ruben Blades soll als Daniel zurückkehren, wenn es ihm seine erfolgreiche Musikkarriere erlaubt. Unterm Strich jedoch sind sie aber weder die Hauptfiguren, noch haben die teilweise untypischen Handlungen in dieser Staffel dazu geführt, dass sie die Herzen der Zuschauer erobern. Insbesondere Alicias Handlungen haben in den letzten Folgen stark irritiert.

Dieser Reboot muss dem Zuschauer nicht grundlegend missfallen. John Dories Bottle Episode hat durchaus bewiesen, dass die Serie immer noch zu rührenden und guten Geschichten in der Lage ist und auch Laura/Naomi/June ist eine interessante Komponente dieses Gefüges. Für mich war dieser Wechsel jedoch zu krass. Morgan, der Zeitsprung, zwei tote Hauptfiguren, etliche Zeitebenen und Mysterien, kein klares Thema, vehemente, ästhetische Neuerungen - die Liste ist lang. Fear the Walking Dead wollte mit der 4. Staffel den Reboot der Serie. Das ist mit Ach und Krach gelungen. Jetzt steht nicht mehr die Clark-Familie im Mittelpunkt, sondern wie bei der Mutterserie eine Patchwork-Familie aus verlorenen Seelen. Wo ist da noch der Unterschied zum Original? Gefallen muss dies einem nicht, aber jetzt müssen die Showrunner beweisen, dass all diese Anstrengungen es wert waren. Die Serie ist am Zug.

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