Fahrraddiebe - Mit der Vespa durch Rom

12.04.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Fahrraddiebe - Mit der Vespa durch Rom
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Fahrraddiebe - Mit der Vespa durch Rom
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Diese Woche entführt uns der Kommentar der Woche auf der Vespa von Nanni Moretti durch Rom bis zu jenem staubigen Bordstein aus Fahrraddiebe…

Im Kommentar der Woche versuchen wir jede Woche einen eurer zahlreichen Kommentare zu feiern, egal ob kurz oder ausführlich, alt oder neu, zu einem Kassenschlager oder einem Geheimtipp – die Voraussetzungen für den Kommentar der Woche kann theoretisch jeder Kommentar erfüllen. Wenn ihr über einen gestolpert seid, der euch besonders gut gefallen hat, schlagt ihn uns vor, am besten per Nachricht – wie auch diese Woche.

Der Kommentar der Woche
Diesmal träumt sich francisco in die ewige Stadt von Fahrraddiebe – dem berührenden Film von Vittorio De Sica und Cesare Zavattini:

Vor einiger Zeit klopfte ein neuer Nachbar an meine Türe – Antonio, ein Radiologe aus Rom.
Ich war gerade dabei meine Espressokanne auf den Herd zu stellen, da war meine allererste Frage an ihn freilich, wie denn ein richtiger Italiener seinen Espresso trinke. Mit viel Leidenschaft und Gestik erklärte er es mir. Es muss ein wirklich hochkomplexer Vorgang sein.
Später an diesem Tag begab ich mich in einen der zahlreichen Wiener Parks, die das frühlingshafte Treiben der Stadt etwas entschleunigen, und konnte doch nur an eines denken: Rom. Die offene Stadt. Die ewige Stadt.

Vor meinen Augen fahre ich mit Nanni Moretti auf seiner Vespa durch den einstigen Nabel der Welt. Wir fahren nach Garbatella, seinem Lieblingsviertel, raus nach Ostia zu der Landzunge, auf der Pasolini ermordet wurde. Zurück in der Stadt überqueren wir den Tiber, streifen die Ruinen der Caracalla-Thermen. Es ist ein heißer Tag, die Sonne steht konkurrenzlos am Firmament. Doch wir müssen auf eine Abkühlung verzichten, denn Nanni will mir unbedingt jemanden vorstellen. Wir schlängeln uns durch die Villa Borghese, rattern auf der Via Antonio Gramsci Richtung Norden. Ich sehe den blinden Fausto wie er sich von Ciccio vor ein violett-weißes Blumenbeet führen lässt und tief Luft holt. Er lächelt und stampft mit seinem Gehstock in den tönernen Boden.
Wir erreichen jetzt unseren Bestimmungsort, das Stadio Flaminio im Norden, das sanft in einer Schleife des Tibers ruht. Das war nicht immer so.

Und dann erblicke ich sie. Da sitzt er, Antonio, die Hände verzweifelt auf seinen Hut gelegt und neben ihm der kleine Bruno. Nanni erkennt meine Unsicherheit, er nickt mir aufmunternd zu. Zaghaft nähere ich mich den beiden, durchquere die Heerscharen der freudig dem Feierabend entgegenstrebenden Arbeiter. Ich setze mich neben Bruno, während Antonio weiter mit verlorenen Augen in die Ferne starrt. Bruno will etwas sagen:

“Papa… Papa haben sie das Fahrrad gestohlen, weißt du…”
“Ja, ich weiß”, sage ich mitfühlend lächelnd. "Ja, ich weiß…“

Es kehrt Stille ein. Alle drei sitzen wir auf dem staubigen Bordstein dieser magischen Stadt und warten bis sich die Sonne blutrot hinter einem der sieben Hügel verabschiedet.
Ich schließe meine Augen..

… und ehe ich einschlafe weckt mich das metallene Klirren einer Klingel, einer Fahrradklingel.
Ich bin wieder in Wien, wieder in diesem Park. Ein Gefühl von Wehmut und Glück durchströmt meinen Körper während ich den Lauf der sich drehenden Räder verfolge, bis sie hinter einer Häuserwand verschwunden sind. Ich mache mich allmählich auf den Heimweg und als ich zu Hause angekommen bin, beschließe ich, meinem neuen Nachbarn noch ein Bier auszugeben, diesem Radiologen, diesem Espressoexperten, diesem Antonio aus Rom..

Den Kommentar findet ihr übrigens hier.

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