Existenzkrise nach Game of Thrones: Peter Dinklage kämpft im Berlinale-Eröffnungsfilm mit mehr Problemen als in Staffel 8

17.02.2023 - 07:30 UhrVor 1 Jahr aktualisiert
She Came ot Me
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Was macht eigentlich Peter Dinklage? Der Tyrion-Darsteller aus Game of Thrones mischt die Berlinale mit dem Eröffnungsfilm She Came to Me auf und stolpert von einer Katastrophe in die nächste.

Peter Dinklage war jahrelang einer der wertvollsten Namen im Cast von Game of Thrones. Schon in der 1. Staffel verkörperte er den wortgewandten Tyrion Lannister mit einem Scharfsinn, der selbst langweilige Episoden der Fantasy-Serie vor einem Totalausfall rettet. Sobald Dinklage im Ränkespiel von Westeros mitmischt, ist Game of Thrones in Höchstform. Umso überraschender war seine Rolle in Staffel 8.

Das große Finale fokussierte sich auf Schlachten auf Blockbuster-Level und drängte die zuvor elementare Figur undankbar an den Rand. Obwohl ich das Ende der Serie nach wie vor verteidigen würde, lässt sich nicht leugnen, dass Tyrions Abschiedsvorstellung die Verve fehlt. Dinklage stolpert verloren durch die letzten Folgen. Als ich den Berlinale-Eröffnungsfilm 2023 gesehen habe, musste ich wieder daran denken.

Peter Dinklage stolpert durch den Eröffnungsfilm der Berlinale 2023

She Came to Me eröffnete am Donnerstagabend die 73. Internationalen Filmfestspiele Berlin. Die Eröffnungsfilme des Festivals genießen einen ... seltsamen Ruf. Sie sind weder sonderlich gut noch sonderlich schlecht, sondern meist austauschbar und nichtssagend. Das überrascht mich jedes Mal aufs Neue, denn immerhin gilt die Berlinale als das politischste unter den drei großen Festivals (Berlin, Cannes und Venedig).

Die wichtigste Anforderung bei der Eröffnung scheint jedoch zu sein: Bringt uns einen Film mit Stars. Ein Star ist Dinklage definitiv. Selbst wenn seine Post-GoT-Karriere bisher noch nicht so recht an Form angenommen hat, konnte er letztes Jahr in dem Musical Cyrano begeistern, ganz zu schweigen von seinem Casting im The Toxic Avenger-Reboot.

Im Gegensatz zum Game of Thrones-Finale ist Peter Dinklages Stolpern in She Came to Me ein aktiver Teil der Handlung. Dinklage spielt den New Yorker Opernkomponisten Steven Lauddem, der in einer Krise steckt. Angstzustände machen es ihm unmöglich, sein jüngstes Werk zu vollenden. Die kreative Blockade stößt den Künstler eine Abwärtsspirale hinunter, während die Welt erwartungsvoll fragt: Wann findet die Premiere statt, Maestro?

Als Lichtblick entpuppt sich die Begegnung mit der eigenwilligen Kapitänin Katrina (Marisa Tomei), die Steven morgens um 11 Uhr in einer Bar über den Weg läuft. Ehe er sich versieht, befindet er sich auf Katrinas Schlepper, der an einem Hafen in Brooklyn liegt, und betrügt seine Ehefrau Patricia (Anne Hathaway). Obwohl er den Seitensprung bereut, sobald er das Schiff verlässt, kann er nicht leugnen: Er ist inspiriert.

In She Came to Me führt ein Seitensprung zu einem Meisterwerk

Musik durchdringt Stevens Körper, er sieht sein nächstes Meisterwerk vor sich. Dass er beim Heimweg in den East River fällt, stört ihn keineswegs. Hier, im trüben Wasser, kann er seine erfüllte Sehnsucht ungestört in Noten formulieren. Das Erlebte übersetzt er eins zu eins in ein Kunstwerk. Nur der Schluss weicht er von der Wahrheit ab: Die Affäre mit Katrina endet in einem blutigen Sweeney Todd-Finale mit getauschten Geschlechterrollen – ein Mann wird von einer Frau in die Falle gelockt und verliert seinen Kopf.

Das Publikum ist begeistert, doch die Premiere geht als weiterer Albtraum in Stevens Tagebuch ein: Katrina, bei der er sich nie wieder gemeldet hat, sitzt ebenfalls im Saal, anfangs entsetzt, später entzückt. Sie gefällt sich als Stevens Muse, doch der versucht, so schnell es geht, Abstand zu ihr gewinnen. Abseits der ungeklärten Gefühle zwischen den beiden findet hier eine gewaltige Grenzüberschreitung statt.

Steven hat sich Katrinas Geschichte ohne ihr Einverständnis zu eigen gemacht. Sein Kunstwerk ist ein Übergriff, der mit Abstand das spannendste Element von She Came to Me ist. Regisseurin und Drehbuchautorin Rebecca Miller, die 2015 mit Maggies Plan das letzte Mal bei der Berlinale zu Gast war, adressiert einen explosiven Konflikt, der künstlerische Schaffensprozesse ganz allgemein hinterfragt.

Wirklich daran interessiert an diesem Konflikt ist She Came to Me jedoch nicht. Ehe der Film die unangenehmen Fragen stellt, die Steven zur ambivalenten Figur machen, flüchtet er sich an andere Schauplätze. Miller versteht ihren Film als Ensemblestück und konstruiert eine zweite Geschichte, die sich parallel zu der von Steven aufbaut: Eine zum Scheitern verurteilte Liebesgeschichte zwischen zwei jungen Menschen.

Nicht nur in Game of Thrones: Peter Dinklage wird auch in She Came to Me an den Rand gedrängt

Miller lässt zwei soziale Milieus miteinander kollidieren. Stevens Umfeld wird als gebildet, wohlhabend und aufgeschlossen porträtiert. Gleichzeitig sind die Menschen mit ihrer Freiheit überfordert und driften orientierungslos durch die Stadt. Bei der anderen Geschichte lernen wir ein erzkonservatives Gefängnis kennen, aus dem die junge Liebe einen gewagten Fluchtversuch unternimmt – der Film allerdings nicht.

She Came to Me will ein unglaublich romantischer Film sein, der im Zeichen der Liebe alle Konventionen bricht. Miller geht aber weder filmisch noch inhaltlich ein Wagnis ein, um das zu belegen. Als vermeintlich freche Screwball-Komödie besitzt She Came ot Me weder das Tempo noch den scharfen Witz und die Gefühle der Vorbilder. Damit steht er ganz in der Tradition vieler anderer Berlinale-Eröffnungsfilme.

Neben der Musik von The National-Mitglied Bryce Dessner erweist sich Anne Hathaway als wertvollster Teil des Films. Allein ihre Beziehung zu Dinklages Figur ist ein Faszinosum. Patricia, eine Psychiaterin, kümmert sich liebevoll um ihren Mann. Mitunter wirkt es aber, als würde sie mit einem ihrer Patient:innen sprechen. Irgendwann reißt der Geduldsfaden.

Patricia explodiert und Anne Hathaway lässt einen entfesselten Schrei los, der auf diesem Festival erst einmal übertroffen werden muss. Ausgerechnet als Nonne findet sie danach ihren Seelenfrieden. Für Dinklage muss es sich dagegen wie ein Déjà-vu anfühlen. Nachdem er schon in Game of Thrones-Finale von Staffel zu Staffel an Relevanz verlor, rückt er auch in She Came of Me zunehmend in den Hintergrund.

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