EU legt die Freiheit des Internets ad ACTA

24.12.2011 - 09:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
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Heute wird’s politisch. Diverse Abkommen, Verträge oder Vereinbarungen lassen des öfteren mal den Kamm anschwellen, aber der neueste Clou ACTA ist nicht nur unglaublich, sondern gefährlich.

Im Oktober standen Avatar – Aufbruch nach Pandora, The Dark Knight und Transformers an der Spitze der Charts der illegalen Downloads. Um der Urheberrechtsverletzungspraktik Einhalt zu gebieten, wurden vor allem im bald vergangenen Jahr zahlreiche Aktionen durchgeführt, beispielsweise die Verhaftungen und Verurteilungen der Betreiber von Kino.to. Doch nun wurde ein Weg eingeschlagen, der äußerst kritisch zu bewerten ist.

Das umstrittene Anti-Counterfeiting Trade Agreement, das vor kurzem durchgewinkt wurde, ist der diesmalige Aufreger der Woche.

Dem Fischereirat ins Netz gegangen
Heimlich, still und leise hat der EU-Rat, genauer der Fischereirat (!) der Europäischen Union, seine Zustimmung zum international ausgehandelten Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) gegeben. Noch nie etwas davon gehört? Kein Wunder, es wurde auch alles unternommen, dass ja niemand etwas von dieser Übereinkunft mitkriegt. Das Handelsabkommen, an dem etliche große Nationen bzw. supranationale Gebilde teilnehmen, wurde den Bürgern systematisch vorenthalten, es war nie Teil des demokratischen Diskurs. Verständlich, denn Menschen mit klarem Verstand hätten dem so nie zugestimmt. Um die immaterialgüterrechtlichen Schutzansprüche, zu denen das Urheberrecht gehört, leichter durchsetzen zu können, würden elementare Grundrechte beschnitten und die Rechtshoheit zu einem inakzeptablen Teil in die Hände Privater gegeben.

Totale Kontrolle
Das ist zugegebenermaßen noch ziemlich abstrakt, wird aber klarer, wenn es anhand von Beispielen verdeutlicht wird: Anbieter von Internetdiensten sollen für Daten haftbar gemacht werden können, die über ihre Dienste laufen. Um einer Strafe zu entgehen, bliebe ihnen nichts anderes übrig, als alle Nutzer und deren Daten zu kontrollieren und gegebenenfalls zu speichern. Bei dreimaligem Verstoß gegen das Urheberrecht würde der Internetzugang gesperrt werden. Das widerspricht auf dermaßen viele Arten unserem Rechtsverständnis, dass einem der Mund offen steht. Zum einen ist das Big-Brother-Prinzip schon unzulässig, die Überwachung des Datenverkehrs eines jeden Kunden erinnert in unguter Weise an antidemokratische Regime. Datenspeicherung ist in Deutschland ebenso nur unter bestimmten Voraussetzungen rechtens, nämlich zum Nachweis schwerer Straftaten – und das ist illegales Downloaden nie und nimmer. Außerdem steht die Sperrung des Internetzugangs im krassen Gegenteil zu einem freien Netz.

Von Regeln befreit
Die Konsequenz aus ACTA wäre das Aufkommen einer Internetpolizei, die zum Schutz geistigen Eigentums Zensur- und Überwachungspolitik sondergleichen betreibt und nicht an die Regelarien staatlicher Exekutivorgane gebunden wäre. Noch schlimmer ist es um elementare Rechte bestellt: Provider werden auf der einen Seite zur Filterung und Spionage genötigt, auf der anderen Seite könnten sie durch dieses Abkommen immensen Einfluss auf Meinungen nehmen und systematisch Daten sammeln. Der Internetnutzer wird dadurch immer mehr zum Spielball privater Unternehmen, wogegen er sich gar nicht mehr wehren kann. Wie die Entscheidung, ACTA zu unterzeichnen, wird auch das weitere Vorgehen der Konzerne dem demokratischen, rechtsstaatlichen Apparat zu einem ungesunden Anteil entzogen. Fraglos muss es einheitliche internationale Regelungen zum Schutz von Urheberrechten geben, aber nicht auf Kosten von Freiheiten und zum Schaden aller Internetnutzer. Wollen wir hoffen, dass ACTA letztlich doch nicht ratifiziert wird.

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