Deutsche Filme, die beim Filmfestival von Cannes für Aufsehen sorgen – das gibt es nur alle paar Jahre mal. Toni Erdmann schaffte es 2016 und dieses Jahr versetzte In die Sonne schauen von Mascha Schilinski die Jury und die internationale Presse in Verzückung. Ab heute hat endlich auch das deutsche Publikum die Möglichkeit, das herausfordernde Generationenepos über vier Mädchen und junge Frauen auf einem Bauernhof in Sachsen-Anhalt zu begutachten.
In die Sonne schauen breitet ein Zeit und Raum überwindendes Panorama aus
In die Sonne schauen spielt sich ausschließlich im Umkreis dieses Bauernhofs in der Altmark ab und handelt von vier Mädchen aus unterschiedlichen Epochen, die ihre Jugend hier verbringen: Die kleine Alma (Hanna Heckt) lebt im Kaiserreich der 1910er Jahre, Erika (Lea Drinda) erlebt die ausgehenden Kriegsjahre in den 1940ern.
In der späten DDR der 1980er Jahre treffen wir Angelika (Lena Urzendowsky) und die 2020er werden von Nelly (Zoë Baier) verankert. Dabei spielt sich die Geschichte des Films nicht chronologisch ab, sondern sie springt von Zeitebene zu Zeitebene, wechselt spielerisch zwischen Traum und Realität.
Man sollte keinen großen Twist erwarten, der am Ende alle losen Enden abschließt. Stattdessen ist In die Sonne schauen eher eine Erfahrung zwischen Bilderrausch und dem Grauen des Alltags, dem insbesondere die Mädchen und Frauen in ihren jeweiligen Zeiten ausgesetzt sind. Gerade wer die eher impressionistisch erzählten Filme von Terrence Malick (The Tree of Life, Der schmale Grat) liebt, dürfte an In die Sonne schauen Gefallen finden.
Episch und intim: Warum In die Sonne schauen ein ganz besonderer deutscher Film ist
Das tat jedenfalls auch die Jury beim Festival in Cannes, die dem zweiten Spielfilm von Mascha Schilinski im Mai den Jury-Preis verlieh. Auch ich durfte den Film beim Festival an der Croisette sehen und habe im Film-Check zu In die Sonne schauen meiner Begeisterung freien Lauf gelassen:
Fast hätte es mich in dem 2.300-Plätze starken Premierenkino beim Filmfestival in Cannes aus dem Sitz gehoben, wie es später noch Figuren in diesem Film passieren wird. Fast, weil ich die ganze Zeit daran denken musste, dass die Füße der beiden bereits blutige Wunden hatten, bevor sie zum Sprint über die steinige Erde angesetzt haben. Freude und Schmerz liegen in dieser epischen und doch intimen Geschichte über vier Mädchen aus vier Epochen erschreckend nah beieinander. Es ist schon jetzt einer der besten deutschen Filme des Jahres.
Dermaßen ambitioniertes deutsches Kino, sowohl was die Inszenierung als auch die Erzählung angeht, sieht man nur selten auf der großen Leinwand. In die Sonne schauen läuft ab dem 28. August in den deutschen Kinos.