Dr. Beutel oder wie ich lernte, Digital Copies zu hassen

02.09.2014 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Gentlemen, you can't fight in here! This is the War Room.
moviepilot/freepik.com
Gentlemen, you can't fight in here! This is the War Room.
K
30
16
Diese Woche prangern Community-Mitglied Haschbeutel und sein alter Ego Dr.Beutel ein Feature an, das ursprünglich einmal eine gute Idee zu sein schien: Die Digital Copies, die auf manch einer Blu-ray quasi mitgeliefert werden.

Hallo und herzlich willkommen bei einem weiteren Seminar von Dr. Beutel und einer erneuten, aufregenswerten Reise in die Abgründe bescheuerter Aspekte unserer geliebten Film- und Kinowelt. Eigentlich wollte ich mich ja mal ordentlich über Michael Bay auskotzen, aber dann kam tatsächlich etwas viel schlimmeres dazwischen.

Wie? Michael Bay ist nicht das schlimmste Elend, das die Filmindustrie momentan zu bieten hat? Nein, tatsächlich nicht ganz. Heute dreht sich alles um die “Digital Copy”, die mittlerweile fast jeder DVD- bzw. Blu-ray-Hülle beiliegt. Was prinzipiell eine wunderbare Idee ist, seine cineastischen Meisterwerke auch mobil auf Smartphones, Tablets oder via Streaming zu Hause auf Laptops ohne Laufwerk zu schauen, wird von der Industrie gerade mit aller Kraft in ein fragmentiertes, kaum verkraftbares Chaos an Frust und Undurchschaubarkeit zerhackt.

Von guten Ansätzen…

Prinzipiell bin ich ein großer Freund von digitalen Kopien – da mein beschauliches, cineastisches Reich zum Großteil auf Streaming zwischen meinen Geräten baut, genieße ich den Luxus, von der heimischen Couch einfach meine Bibliothek zu durchforsten und spontan einen Film schauen zu können, ohne dafür aufstehen und Filme aus dem Regal holen zu müssen. Ja, das sind #FirstWorldProblems, aber hin und wieder sind spontane Film- und Serienexzesse eben nicht planbar. Da freut man sich, einfach per Tastendruck spontan auf Serien und Blockbuster auf jedem beliebigen Gerät zugreifen zu können. Entsprechend hat es mich gefreut zu lesen, dass die Filmindustrie sich zusammengeschlossen hat, um unter einem gemeinsamen Banner ihre Filme an den Konsumenten weitergeben zu können, damit dieser sie auch zu Hause auf all seinen Plattformen nutzen kann. Löblich, der Gedanke. Und so wurde nach langer Planung im Jahr 2011 das Format UltraViolet geboren, das zunächst in den USA und UK versucht hat, Fuß zu fassen. Zu dem Beteiligten gehören neben Sony Pictures unter anderem auch die Warner Bros, Paramount und Lovefilm. Einige Größen der Branche wie Apple und Disney gehören nicht dazu, denn die kochen ihr eigenes Süppchen.

…und dem Bedürfnis, den Kopf an die Wand zu schlagen

In der Theorie ist die Digital Copy also ein feines Ding: ich kaufe einen Film, gebe den beigelegten Code auf der entsprechenden Plattform ein und lade mir den Film herunter. Das hat den Vorteil, dass ich standort- und netzunabhängig meine Filme auf jedem beliebigen Gerät schauen kann; also egal ob ich im Flieger sitze, in der Bahn oder auf dem Klo: ich kann jederzeit Filme & Serien genießen. Ganz einfach, denkt man. Denkt man? Denkste!

Denn hier beginnen die ersten Probleme. Je nach Plattform und Studio greift man nämlich auf unterschiedliche Zusatzdienstleister zurück, die ihre ganz eigenen Regeln haben. Beim Dienst Ultraviolet „besitzt“ man zum Beispiel keine physische Datei auf dem jeweiligen Gerät; vielmehr bietet der Dienst eine Online-Bibliothek, die es erlaubt, Filme auf entsprechende Geräte zu streamen. Blöd nur, dass UltraViolet keine eigene App auf den jeweiligen Android, iOS- und Windows-Geräten hat. Ja richtig gelesen: ein Service für digitales Streamen hat keine eigene App zum Streamen. Vielmehr muss man auf die Zusatzapp vom US-Only-Streaming-Dienst Flixster oder Vudu zurückgreifen, um die Filme auf die mobilen Geräte zu streamen. Leider funktioniert das nur bedingt: Da die Anbieter rein amerikanische Vertriebe sind, stehen auf deutschem Boden viele Filme ausschließlich als Stream und nicht als Download zur Verfügung, weshalb sich mir der Sinn für die Endgeräte nicht erschließt. Wer streamt sich schon 2,5GB Filme über die mobilen Daten? Wenn der Download mal funktioniert, ist dieser auf eine bestimme Anzahl limitiert – wenn das Kontingent verbraucht ist, ist es aus mit dem herunterladen.

Dass die App bzw. der Service nicht funktioniert, sieht man auch in den entsprechenden Portalen: Auf iTunes hat Flixster bei über 600 Bewertungen einen Durchschnittswert von ca. 1,6/5 Sternen. Im (wohlgemerkt deutschen!) Googlestore gibt’s bei knapp 4.000 Bewertungen eine knappe 3/5-Wertung, wobei es fraglich ist, wieso einige User die App als „Fehlerhaft & nicht funktional“ bezeichnen, aber dennoch 5 Sterne-Wertungen geben. Vudu selbst bietet keine eigene App an. Die Probleme sind aber plattformübergreifend immer die Gleichen: Man bekommt keinen Zugriff auf seine Filme, die Downloadfunktion will nicht so richtig und das Streamen funktioniert erst beim x-ten Anlauf. Filmfreude? Fehlanzeige. Doch selbst wenn es funktioniert: Auf Features wie eine übersichtliche Mediathek oder den Verleih an Freunde wartet man vergeblich. Auch, dass das Streaming erst verfügbar ist, wenn die DVD/Blu-ray im eigenen Land erhältlich ist, lässt Torrent-User müde mit den Achseln zucken.

Warum der Kunde lieber zu Torrents greift

Richtig haarsträubend wird es, wenn man den Nutzungsbedingungen einen größeren Augenmerk schenkt: Der Film bzw, die Serie ist nach einlösen des Codes „für mindestens ein Jahr nach dem Kauf“ kostenlos. Und dann? Es folgen dicke Fragezeichen. Theoretisch könnte jeder Anbieter danach für das Streamen & Downloaden erneut zur Kasse bitten. Das ist nicht nur fraglich, sondern auch einfach saudämlich, da es genau dieses Kleingedruckte ist, das potentielle Kunden vom Nutzen solcher Dienste abhält. Außerdem hat auch Flixster selbst ganz eigene Nutzungsbedingungen. Was ist, wenn Flixster den Service einstellt? Wie kommt man dann mobil an seine UV-Inhalte? Diese Frage vermag bisher niemand zu beantworten. In einem Interview mit dem Boss von Sky Movies, Ian Lewis, bringt er das Problem mit UltraViolet auf den Punkt: “If it takes me four to five minutes to explain to my CEO, it’s not ready for the public. That’s four minutes more than you get to convince consumers.” Auf deutsch gesagt: Wenn ich vier, fünf Minuten benötige, um meinem CEO zu erklären, wie es funktioniert, läuft was falsch. Das dauert grob vier Minuten mehr, als mir der Kunde gibt.

Ein Blick auf die FAQ von UltraViolet erklärt, was er damit meint. Das dürfte auch erklären, wieso der Dienst bei den Briten in den letzten 3 Jahren seit Launch gerade einmal spärliche 500.000 User gewinnen konnte. Zudem bietet der Service keinerlei Mehrwert: Alternative Tonspuren, Kapitelauswahl, Return-at-Stop, Bonus- und Extra-Content sind Fehlanzeige. Auch FullHD ist nicht immer garantiert und so stellt sich letzten Endes die Frage für den Kunden, wieso er tatsächlich so einen Service mit undurchsichtigen Klauseln und dem Registrierugswahn (zur Erinnerung: nach einer Registrierung bei UV folgt die selbe Prozedur noch einmal bei Flixster) nutzen sollte. Mit weit weniger Aufwand bekommt er auf gängigen Tauschbörsen die kompletten Blu-rays als .mkv Dateien präsentiert; Menüs und Bonus-Ausstattungen inklusive – und alles in 1080p, das man jederzeitauf jedes Gerät packen darf für unbegrenzte Zeit. Klar, das ist illegal – aber zeitsparender.

User wie ich, denen es zu blöd ist, mit solch halbgarer Scheiße das Nervenkostüm zu ruinieren, haben mittlerweile die Codes im entstandenen Sekundärmarkt verkauft – soll sich doch ein anderer damit rumärgern.

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare

Aktuelle News