Warum ein Politthriller als Lieblingsfilm, keine Emotionen, bleibt zurückhaltend, große Momente sind selten und die Handlung strapaziert den Zuschauer eher als ihn zu unterhalten. Auch "Die Macht und ihr Preis" macht hier keine Ausnahme, aber er ist ästhetisch überragend, hebt sich künstlerisch deutlich von Genre-Vertretern ab und bietet mit Lino Ventura als Inspektor Rogas in physischer und psychologischer Form einen einzigartigen Protagonisten auf.
Doch vorher ein paar Worte zur Entstehung meines Lieblingsfilmes.
In der Ära, welche heute auch den Namen " Anni di Piombi" trägt, inszeniert Francesco Rosi nach "Der Fall Mattei" und "Lucky Luciano",welche ich ebenfalls sehr schätze, 1976 "Die Macht und ihr Preis", den dritten Thriller mit politischem Hintergrund, basierend auf dem Roman "ll Contesto" von Leonardo Scaiscia.
Auf den ersten Blick ein typischer Plot dieser Zeit, der Kriminalfall wird eine Mordserie und mündet in eine politische Intrige, aber Rosi beschränkt sich nicht darauf, sondern eröffnet das Spiel zwischen Öffentlichkeit und der Welt hinter verschlossenen Türen, der Staat im Staate erhält schattenhafte Konturen. Nicht zuletzt Enthüllungen über die politischen Ereignisse im Italien der 70er, haben diesen Film reifen lassen, von einer fiktiven Beschreibung politischer Verhältnisse, über die Jahre zur Darstellung einer Realität, wie es dem heutigen politischem System inhärent zu sein scheint.
Wenn Teile der parlamentarischen Opposition im Bundestag flächendeckend überwacht werden, unklar ist, ob nationale Geheimdienste als Unterstützer oder Gegner wirken, politisch interessierte Blogger dem Verdacht des Landesverrats unterliegen, Personen, welche mit ihren Enthüllungen der demokratischen Gesellschaft einen Teil ihrer Souveränität zurückgeben wollen, nur Zuflucht bei einem offiziellen "Feind der Demokratie" finden, beeindruckt "Die Macht und ihr Preis" vielleicht heute mehr als vor 40 Jahren.
Betrachtet man eine 6-jährige Mordserie, deren rechtsextremen Motive und Hintergründe derzeit im Gerichtsprozess aufgeklärt werden sollen, entsteht ebenfalls Raum für Spekulation über Beteiligung staatlicher Organe. Für Öffentlichkeit und Kriminalpolizei ist keine Wahrheitsfindung mehr zu erwarten, es entscheidet politischer Wille.
So lernt man Inspektor Rogas kennen , unbeirrt, integer, hartnäckig und den Tatsachen verpflichtet, sich in der Aufklärung einer rechtsextremistischen Mordserie oder den Attentaten auf Richter aber gleichsam verstrickt, wie in "Die Macht und Ihr Preis".
Es sind jene Charaktermerkmale, welche den Inspektor in die Ohnmacht zwingen. Gleichsam dem Staatsanwalt Vargas in der Eröffnungssequenz, den Erzählungen der Verstorbenen in einer mittelalterlichen Gruft lauschend, weiß auch Rogas, wenn er durch die Hallen und Paläste der Macht streift, um die Geheimnisse jener Wände, an denen er vorbeizieht. Er wartet, hofft, aber sie bleiben stumm.
Sein Telefon wird abgehört, obwohl er nichts preiszugeben hat, der Blick vom Balkon seines Appartements zeigt Beton-Ödnis, keine Erkenntnis, kein Licht.
Doch was Rogas hören und sehen kann, lässt ihn sprachlos, schaudernd zurück. Richter werden gerichtet, die Gewaltenteilung gerät ins Wanken, potentielle Opfer, denen er begegnet, sind mutiert durch die Ausübung der Macht, unfähig zur Kommunikation oder Reflexion der Realität.
Jedoch ist es meine Lieblings-Szene, welche den Film für mich unvergessen macht. Ein oft zitiertes Bild, Francesco Rosi inszeniert es meisterhaft. Inspektor Rogas erscheint auf der Party der Eliten, ihm zur Seite ein Guide, ein großartiger Fernando Rey. Man sieht in eine Welt, surreal und ohne Regeln, offizielle Unterschiede verschwimmen, Rogas erkennt sich als Teil des Spieles.
Wer sich auf diese Party traut, dem sei der Film zu empfehlen.
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