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Die Macht der Unterhaltungsindustrie

27.02.2019 - 16:00 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Blade Runner 2049
Sony Pictures Releasing GmbH
Blade Runner 2049
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Jeder nutzt Netflix, Google, Youtube und viele weitere Dienstleistungen. Unbeschwert und frei stecken wir Zeit und Geld in diese Unternehmen. Möglichst komfortabel soll das sein. Glücklich und unabhängig soll es uns machen. Aber zu welchem Preis?

In den letzten Tagen ist mir anhand verschiedener Ereignisse wieder klar worden, was für eine bahnbrechende Erfindung das Internet ist und welche Macht dadurch jedem einzelnen Menschen gegeben wird. Innerhalb von Minuten können sich Menschen zusammenfinden und für eine Sache kämpfen. Berechtigt oder nicht, mit Erfolg oder nicht, Plattformen wie Twitter, Facebook und YouTube geben jedem Bürger eine Stimme, die auch Politiker nicht mehr ignorieren können. Gerade weil es so einfach geworden ist, bilden sich immer schneller Interessensgemeinschaften. Eine Technologie, welche die Demokratie stärkt. Trotz alledem kommt die Frage in den Sinn, ob eigentlich auch immer für das Richtige gekämpft wird? Für wen kämpfen wir, wenn wir uns für die Internetfreiheit  und damit gegen die Gesetze der EU stellen?

Wir kämpfen für die Konzerne, die das Internet kontrollieren: Google (YouTube, Android, Chrome), Facebook (Instagram, WhatsApp), Amazon und Twitter. Die einen kontrollieren unsere Daten, die anderen, was wir sehen und lesen, die nächsten streben die Kontrolle des Welthandels an. Mir ist bewusst, dass die Aktionen und Demonstrationen gegen die neue Urheberrechtsreform eine wichtige Sache ist. Nichtsdestotrotz sehe ich auf der anderen Seite grinsende Digitalkonzerne, die das Proletariat soweit konditioniert haben und für sich erobert haben, dass wir bereit sind jeden Eingriff des Gesetzgebers konsequent abzuwehren. Hauptsache wir können uns weiter frei in unserer YouTube- und Instagram-Spirale drehen. Weil wir natürlich eigentlich an der Information- und Pressefreiheit interessiert sind (*hust*). Nicht, dass uns unser so wichtiges YouTube-Video und weltbewegendes Meme zensiert wird. Nein, es geht womöglich um viel mehr und es ist toll, dass sich so viele Menschen dafür engagieren. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um das größte Interesse an der EU, welches die Staatengemeinschaft je erleben durfte. Welche Gesetzte hat die EU eigentlich ansonsten in den letzten 10 Jahren verabschiedet?

Zitate aus einem Meisterwerk

Ähnliche Bewegungen vollziehen sich in der Streaming- und Gaming-Industrie. Recht aktuell fällt mir da die Kontroverse um den Epic Store  ein. PC-Spieler und "Metro"-Fans erinnern sich vielleicht. Es ging darum, dass das neue Spiel "Metro: Exodus" für PC-Spieler nicht auf der größten und bekanntesten Plattform Steam erscheint, sondern auf einer kleineren Konkurrenz-Plattform, dem Epic Store. Hier soll das Spiel zeitexklusiv für ein Jahr erhältlich sein, bevor es auf Steam angeboten werden darf. Dieser Deal hat das Entwicklerstudio abgeschlossen, da von jedem Verkauf im Epic Store mehr Geld beim Studio landet. Die PC-Spieler sind derweil empört: Wie könne man nur so frech sein und sein neues Spiel nicht auf Steam veröffentlichen (wo im Prinzip alles veröffentlicht wird)? Als Spieler muss man sich jetzt den Epic-Launcher herunterladen und über einen weniger guten Store mit deutlich weniger Komfortfunktionen zurückgreifen. Mal ganz davon abgesehen, ob das jetzt so dramatisch und zeitaufwendig ist, zeigt die Debatte vor allem eins: der Nutzer akzeptiert keine Konkurrenz. Man ist bereit einem Store, einem Unternehmen, die Macht über den gesamten PC-Gaming-Bereich zu übertragen. Ganz egal wie Entwickler davon profitieren, egal welche Gelder wie und wo ausgeschüttet werden. Hauptsache der Nutzer hat seinen Komfort und alles auf einer einzigen Plattform.

Ein ganz ähnliches Bild zeigt sich in der Streaming-Landschaft. Auch wenn es hier momentan keinen größeren Aufschrei gibt, sind sich viele Konsumenten einig: Wäre es nicht schön alles auf einer Plattform zu haben? Wenn einfach jeder Film und jede Serie auf Netflix verfügbar wäre; Ach, wie schön. Dann müsste jeder nur einmal zahlen und sich nur einmal irgendwo anmelden. Maximaler Komfort für jedermann. Und nebenbei ein gigantisches Monopol, welches den kompletten Film-Markt kontrolliert. Aber das ist scheinbar kein Problem; es wäre nicht mal ein notwendiges Übel. Der Bürger ist bereit alle Macht in die Hände ein paar weniger Unternehmen zu legen. Und wehe der Rechtsstaat mischt sich ein!

Endzeit-Kapitalismus in "Ready Player One"

Der Kapitalismus hat sich in seiner Geschichte einmal mehr erfolgreich gewandelt. Solange der Bürger seinen Unterhaltungsprogrammen nachgehen kann, ohne Einschränkung, dann ist alles recht. Das Konkurrenzprinzip, die wichtigste Stärke eines innovativen, funktionierenden und fairen Marktes wird mit Freude aufgegeben. Im Notfall wird dann auch gegen den bösen Staat vorgegangen, der ja nur von ahnungslosen, korrupten Politikern gelenkt wird. Dann legen wir unser Schicksal doch lieber in die Hände von nutzerfreundlichen, sinnesbefriedigenden, netten, völlig intentionslosen Digitalkonzernen. Etwas besseres hätte Google und Co. nicht passieren können. Eine neue Welt, in der Unternehmen die Gesetze bestimmen sollen; legitimiert vom Volk. Entweder so oder vielleicht einfach mal den Anspruch herunterschrauben.

Epilog: Dieser Kommentar soll kein Statement für die unangefochtene Richtigkeit der EU sein. Mir geht es auch nicht darum, den wichtigen Aufschrei gegen die Urheberrechtsreform ironisch aufzubrechen und für fadenscheinig zu erklären (ich habe damals selbst die Petition unterschrieben und finde das Engagement immer noch wichtig). Es sollte lediglich im Sinne einer funktionierenden Demokratie und einem fairen Kapitalismus sein, sich gründlich über solche Themen zu informieren, bevor man voreingenommen den Worten einiger Überschriften glaubt. Und es sollte im Sinne jeder Person sein vielleicht erstmal die indirekten Vorteile einer Entscheidung abzuwägen, bevor man den "Angriff" auf seine eigene Komfortzone über alles andere stellt.

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