Die Eiskönigin 2 frustriert mit einer Überdosis Disney-Kitsch

24.11.2019 - 08:50 UhrVor 4 Jahren aktualisiert
Frozen 2: Anna und ElsaWalt Disney
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Die Eiskönigin 2 versucht sich an einer ganzen Reihe ernsterer Themen, nur um sie dann wie eine heiße Kartoffel fallen zu lassen. Wie viel Disney ist eigentlich zu viel Disney?

Die Eiskönigin - Völlig unverfroren eroberte 2013 die Herzen und Ohren eines Millionenpublikums im Sturm und avancierte sogar zum erfolgreichsten Animationsfilm aller Zeiten. Hinter den Kulissen musste bei Disney wohl niemand lange darüber nachdenken, ein Sequel auf den Weg zu bringen - so sehr die Produzenten auch beteuern, dass Die Eiskönigin 2 nur zustande kam, weil alle Beteiligten zu 100 Prozent von der Geschichte der Fortsetzung überzeugt sind.

Nachdem Frozen 2 nun in den Kinos gestartet ist, wirkt diese Einlassung alles andere als glaubwürdig. Während nämlich die Animationen noch mehr begeistern als beim Vorgänger, schwächelt das Drehbuch vor allem im letzten Drittel. Die einen freuen sich über ein klassisches Disney-Finale, ich nenne es Angst vor der eigenen Courage. Achtung, es folgen Spoiler zu Die Eiskönigin 2!

Frozen 2 könnte ein fantastisches Sequel sein, aber ...

  • Die Frozen-Fans von damals ist jetzt etwas reifer, aber dem wird der Film nur in Ansätzen gerecht.
  • Am Ende bleibt das unbefriedigende Gefühl, dass nie etwas auf dem Spiel stand - wie so oft bei Disney.
  • Der Konzern sollte seinen jungen Zuschauern ruhig mehr zutrauen. Leider ist Die Eiskönigin 2 jedoch einfach zu groß, um Risiken einzugehen.
Die Eiskönigin 2

Seit Frozen sind sechs Jahre vergangen, was eine ganz schön lange Zeit ist. Wer einst als sechsjähriger Knirps bewundernd zu Anna und Elsa aufgeschaut hat, will auch von der Fortsetzung abgeholt werden, hat jetzt aber wohl etwas andere - höhere - Ansprüche. Das wissen die Macher, die "ihr" Publikum von damals wieder ins Boot holen wollen oder vielleicht sogar müssen, um den bahnbrechenden Erfolg des Originals wiederholen zu können.

Entsprechende Bemühungen stechen in Die Eiskönigin 2 auch wirklich ins Auge, denn in den Vordergrund rücken nun gleich mehrere Themenpunkte, die ihrer Natur nach nicht unbedingt leicht verdaulich sind. Darunter fällt:

  • Die Wiedergutmachung für begangenes Unrecht durch frühere Generationen
  • Das Erfahren und Verarbeiten von Verlust als Teil innerer Reifeprozesse
  • Das Streben nach der Wahrheit, so unbequem und schmerzhaft sie auch sein mag

Um all das unterzubringen, schlägt das Sequel einen sehr weiten, mit Twists versehenen Handlungsbogen, der bis in die Kindheit der Eltern von Anna und Elsa zurückreicht. Davon ausgehend absolvieren die beiden Schwestern in Frozen 2 dann eine klassische Heldenreise mit Rückschlägen und Triumphen.

Den Machern um Chris Buck und Jennifer Lee gelingt es in den ersten zwei Dritteln des Films, die schwierige Mission seiner Figuren in ein vertrautes erzählerisches Korsett zu pressen. Zwischendurch setzt der Film sogar dazu an, uns das Herz zu brechen, wenn ausgerechnet Olaf einfach zu Staub (bzw. in Eiskristalle) zerfällt. Sogar dem lieblichen Schneemann sind in der Fortsetzung nachdenkliche Momente vergönnt, bevor er droht, mitsamt seiner Schöpferin Elsa unterzugehen.

Disney fährt Die Eiskönigin 2 im Finale voll gegen die Wand

Ganz so weit kommt es dann aber - natürlich - nicht. Im hektischen Finale kriegt Disney plötzlich kalte Füße und schreckt vor jenen Konsequenzen zurück, die so bedrohlich nah schienen (oder bereits eingetreten waren). Wenn Olafs Tod im Handumdrehen rückgängig gemacht und das Königreich in letzter Sekunde gerettet wird, erweisen sich das Märchen und das ambitionierte Drama als unvereinbar. Weder als das eine noch das andere überzeugt Frozen 2.

Olaf in Die Eiskönigin 2

Ist es vermessen, einem Disney-Film vorzuwerfen, zu sehr Disney zu sein? In diesem Fall nicht unbedingt, denn Die Eiskönigin 2 gibt sich als ärgerliche Mogelpackung zu erkennen. Niemand verlangt, dass eine Welt mit sprechenden Rentieren so bitterlich wie die in einem Lars von Trier-Film untergehen muss, doch durch das verkrampfte Happy-End wirkt es beinahe so, als verspotteten die Regisseure ihre eigenen Ambitionen, die über weite Strecken behutsam vermittelt wurden.

Nein, Disney: Kinder müssen nicht (und wollen vielleicht auch gar nicht) um jeden Preis vor den unbequemen Aspekten des Lebens beschützt werden. Genau darum schauen sie überhaupt erst zu Heldinnen wie Elsa und Anna auf, die Herausforderungen annehmen und wissen, dass es immer irgendwie weitergeht ... weitergehen muss.

Es bietet sich ein Verweis auf das tolle Pixar-Abenteuer Coco an, das mit einer verblüffendem Leichtigkeit von Vergänglichkeit erzählt und dabei sehr berührt, ohne jemandem etwas vorzugaukeln: Der Tod ist endgültig, unsere Fähigkeit zur Erinnerung aber immerhin ein kleiner Trost. Musste das Kitsch-Pedal bei Die Eiskönigin 2 wirklich durchgetreten werden oder hätten die Autoren hier nicht vielmehr auch einen besseren Weg zwischen Familienunterhaltung und Anspruch finden können?

Frozen 2: Disney in einer kreativen Sackgasse

Können sehr wahrscheinlich schon, doch die finanziellen Interessen von Disney wollen es anders. Nach dem enormen Erfolg des Vorgängers ist Die Eiskönigin 2 kein Film, mit dem ein etabliertes Studio inhaltliche Risiken eingeht - am wenigsten der Mäusekonzern, wo man ohnehin kaum noch auf originäre Stoffe setzt.

Auf visueller Ebene begeistert die Fortsetzung zwar fast zu jeder Sekunde mit atemberaubenden Animationen, aber was bedeutet das schon, nachdem Disneys technische Revolution bereits beim Remake von Der König der Löwen frustrierend blutleer daher kam? An den Kinokassen mag sich der Trend bislang buchstäblich auszahlen, aus kreativer Sicht liefert der Konzern jetzt das nächste Armutszeugnis ab. Mich lässt Frozen 2 eiskalt.

Konnte euch das Ende von Die Eiskönigin 2 überzeugen?

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