Die Einzigartigkeit vom Waltz with Bashir

25.07.2011 - 08:50 Uhr
Aktion Lieblingsfilm: Waltz with Bashir
Razor Film Produktion/ moviepilot
Aktion Lieblingsfilm: Waltz with Bashir
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In der Aktion Lieblingsfilm schreiben moviepilot User über ihre Lieblingsfilme und wie sie zu diesen wurden. Heute erzählt ein User, warum der Waltz with Bashir der Schönste ist.

Prolog
Sechsundzwanzig schwarze Schatten
hetzen durch die dunkle Nacht,
Und es scheint als hätt‘ von innen
Feuer Zorn zu Tag‘ gebracht.

Alle rennen, streben sie,
durch die Straßen, durch die Stadt,
Hin zum einen den sie suchen
der die Last zu tragen hat.

Hauptteil
Kämpfer, voll von Furcht und Reue,
will kein Menschenmörder sein,
Schießt er auf das Tier stattdessen,
lädt sich auf die schwere Pein.

Zwanzig Jahr‘, dann weckt es ihn,
Schuld sitzt ihm im Nacken tief,
Hunde aßen ihm die Seele,
rissen sich drum als er schlief.

Was Waltz with Bashir von Dramen mit ähnlichem Thema unterscheidet ist, neben dem markanten Comicstil, vor allem auch die einzigartige Erzählweise. Zeitlich wechseln sich hier die Kriegserfahrungen der Charaktere mit den langen Gesprächen über eben jene Geschehnisse ab. So ist es dem Film möglich, die gerade gezeigten, oft traumatischen Szenen, direkt in den Dialogen zu verarbeiten und dem Zuschauer so einen Einblick ins Innere der ehemaligen Soldaten zu gewähren. Eine einzigartige Grundlage für ein so unvorstellbar schwieriges Thema.

Er versichert ‚Keine Sorge –
Flashbacks hab‘ ich keine mehr‘,
Wahrheit sitzt nicht selten tiefer,
alle Worte scheinen leer.

Auszudrücken nicht im Stande,
was geschah an jenem Tag,
Und es trennen sich die Pfade,
als das Meer im Sturme lag.

Ruhige See. Entblößte Leiber,
steigen aus dem Nass empor,
Und der Himmel, hell erleuchtet,
gibt den Kämpfern Wege vor.

Kaltes Grau erfüllt die Gasse,
Schmerzen, Leiden, und bald sind,
Alle Schreie frei von Hoffnung,
Mutter sucht verlor´nes Kind.

Oft spielt zudem die Frage eine Rolle ob, bzw wie man denn mit einer solchen Vergangenheit überhaupt umgehen kann. Als Ari Folman sich beispielsweise von einem alten Freund ein Experiment darlegen lässt, bei welchem Probanden gefälschte Familienfotos vorgelegt werden, wird erläutert, wie uns unser Gedächtnis oft in die Irre führt und die Wahrheit sich mehr und mehr verflüchtigt. Doch der Protagonist besucht weitere seiner alten Kumpanen und vervollständigt so die lückenhaften Erinnerungen. Oft mit entsetzlichen Erkenntnissen.

Immer weiter, auf der Suche,
Alles das vergessen schien,
tritt allmählich aus den Schatten,
was verloren wird gelieh´n.

Eine unbekannte Schönheit,
naht heran aus blauer Front,
ist erfüllt von Stolz und Grazie,
zeigt mir auf, den Horizont.

Blitz erdrosselt ew’ge Stille,
Feuer bricht durch dunklen Rauch,
Und ich sehe, voll Ensetzen,
Freund, er geht in Flammen auf.

Die Dramaturgie erweist sich als erstklassig, Erzählstränge gehen nahtlos ineinander über und der Film nimmt den Betrachter an der Hand, wenn er von einem Extrem ins Nächste führt, unterlegt von dezenten Streichern oder treibenden, elektronischen Bässen. Beides bleibt dank Max Richters unfehlbarer Routine noch lange im Ohr hängen.

Ohne Pause wird gefeuert,
schießen, beten, wie im Takt,
Lautes Dröhnen füllt die Stille,
schließlich folgt der letzte Akt.

Tod wird sich bald aufgeladen,
und gebracht zum heil’gen Schein
der die Körper schluckt wie Wasser,
nur zurücklässt Erde, rein.

Überwiegend dunkle Farben, kaum heitere Gesichter und unerträgliche Gewalt. Eine endlose Schwere scheint den Film stets zu begleiten. Der Comiclook kann über die Tragik des Gezeigten nicht hinwegtäuschen, vermittelt er doch viele Szenen erschreckend real. Bald wird klar, dass die Aufarbeitung des Themas nicht nur die Vergangenheit einer einzigen Person, sondern vielmehr die Tragödie eines ganzen Volkes widerspiegelt.

Ein Fels in der Brandung,
wird letzte Instanz,
und vor mir das Wasser,
verschlingt mich jetzt ganz.

Im Rausch der Patronen,
das Blut schon gerinnt,
und Schatten bedecken,
ein regloses Kind.

Die Linse umhüllt mich,
der Vorhang bleibt dicht,
Die Hände, sie zittern,
die Deckung zerbricht.

Der blutrote Vorhang,
zu Boden er fällt,
die einst stolzen Tiere,
vom Grauen entstellt.

Was zudem auffällt ist das immer wiederkehrende Motiv des Unterbrechens, das Zerreißen der Stille. Fast als wären die Soldaten nie vollkommen in Sicherheit, als könnte hinter der nächsten Ecke schon eine weiteres Blutbad auf sie warten. Und genau diese Ahnung, diese Furcht, bewahrheitet sich nur allzu oft

Town full of strangers,
passing along,
And voices, they tell me,
‘It’s not a Lovesong!’

Die Gefechte sind ein ums andere Mal intensiv und vermitteln einen Eindruck von der Aussichtslosigkeit vieler Situationen. Doch es geht nicht darum Action oder gar Explosionen in den Vordergrund zu rücken, es sind immer menschliche und emotionale Abgründe, die durch das Kanonenfeuer und die Blutlachen aufgezeigt werden.

Zischen kündigt im Gefechte,
schon das bald’ge Chaos an,
Geister drängen sich am Rande,
wer am Besten sehen kann.

Alte, Frauen, Zivilisten,
werden dort verschleppt, verhört,
und ermordet ohne Zögern,
Niemand der das Schauspiel stört.

Aus der Ferne überblicken
Sie das Chaos ohne Paus‘.
Zwei gemeinsam in der Hausung,
Nur ein einz’ger kommt heraus.

Hände die ins Leere greifen,
die nur fordern einen Grund,
und auf Antwort hoffen ewig,
den verschlossen bleibt sein Mund.

Epilog
Mit der letzten Szene eskaliert die Situation, der Zuschauer wird konfrontiert mit den plötzlichen Realaufnahmen aus den Straßen Shatilas. Doch dieser gewollte Stilbruch erlöst nicht. Er erdrückt und lässt den Atem stocken. Lässt keinen Zweifel mehr zurück, für niemanden. Eine lange Aufnahme eines ermordeten Kindes, mitten in den Trümmern, brennt sich vor das innere Auge. Der Abspann läuft, doch das Bild bleibt. Kein Abschalten, kein Wegdrehen oder Augen verschließen. Das Bild bleibt.

Atemlos kam bald die Stille.
Lautlos fielen in den Sand,
all die Tränen. Und ganz sachte
schwärzt die Dämmerung das Land.


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