Der wichtigste Netflix-Film des Jahrzehnts: Roma öffnet Türen und Welten

25.01.2020 - 09:15 UhrVor 3 Jahren aktualisiert
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Roma ist der wichtigste Film für Netflix und auf Platz 7 unserer Jahrzehnt-Bestenliste. Gemeinsam schrieben der Streaming-Dienst und Alfonso Cuarón Geschichte.

Wenn Okja Netflix' durchwachsenes Abitur war, dann ist Roma die Masterarbeit mit Auszeichnung. Als die Abenteuerkomödie Okja des gefeierten Regisseurs Bong Joon-ho 2017 als erster Netflix-Film beim Filmfestival in Cannes lief, wurde das rote N auf der Leinwand mit Buhrufen empfangen.

Zwei Jahre später wird das mexikanische Schwarzweiß-Drama Roma für zehn Oscars nominiert. 2019 war auch das Jahr, in dem Black Panther als erster Marvel-Film 10 Jahre nach Beginn der großen Superhelden-Ära im Kino die Tür zum Besten Film aufgestoßen hatte. Eine neue Zeitrechnung beginnt.

Die Fakten zu Roma von Alfonso Cuarón

  • Roma ist auf Platz 9 unserer besten Filme der letzten 10 Jahre.
  • Alfonso Cuarón wollte, dass Netflix Roma veröffentlicht, da er für seinen mexikanischen Film dort eine höhere Reichweite sah als bei einem regulären Kinostart.
  • Cuaróns autobiografisches Drama wurde an Originalschauplätzen in Mexiko City gedreht, deshalb musste die Crew auch mit Flugzeugen fertig werden, die alle 5 Minuten die Dreharbeiten störten.
  • Roma gewann bei der Oscar-Verleihung 2019 drei Oscars bei insgesamt 10 Nominierungen: Bester ausländischer Film, Beste Regie, Beste Kamera. Durch seine Nominierung als Bester Film näherte er sich für Netflix dem wichtigste Award an.
  • Auf Moviepilot hält Roma einen Schnitt von 7,4 bei 969 Bewertungen.

Mit Roma erweckte Netflix ein neues Filmverständnis

Wir werden noch oft mit einem wissenden Nicken auf die 2010er Jahre zurückblicken, als sich die Filmlandschaft wieder einmal für immer veränderte. Und ein wichtiges Puzzleteil dafür ist Alfonso Cuaróns meisterhaft inszeniertes Netflix-Drama Roma.

Damals, werden wir denken, als wir in einer schier endlosen Masse an Serien und Filmen des Streaming-Anbieters versunken sind, fingen sie an, ihre Aushängeschilder zu vergolden. Mit dem nötigen Selbstverständnis, das ihnen Filme wie Bird Box aus demselben Jahr bringen, der in seiner ersten Woche angeblich 45 Millionen Mal angesehen wurde.

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Auch für Mudbound gab es 2018 vier Oscar-Nominierungen, aber keinen Gewinn. Erst Roma öffnete die Türen zu den Königskategorien Bester Film, Beste Regie, Beste Hauptdarstellerin und Bestes Originaldrehbuch. Welche davon gewonnen wurden, ist letztlich egal, denn die Nominierung selbst ist der Keil, der die Türe für alle Prestigefilme von Netflix ab sofort offen halten wird.

Mit Roma erwachte nicht nur bei Netflix, sondern bei allen Filmfans und Branchenkennern ein neues Selbstverständnis für das Konsumieren von Filmen, das dieses letzte Jahrzehnt maßgeblich prägte. Wenn Netflix das bei den US-Amerikanern mit einem spanischsprachigen, in Schwarzweiß gedrehten Sozialdrama schafft, dann stehen uns noch große Erfolge des taktierenden Streaming-Giganten bevor.

Roma ist größer als sein Netflix-Siegel

Natürlich sprengte Netflix für die Oscar-Kampagne von Roma jeglichen Rahmen. Zwischen 20 und 25 Millionen soll die Überzeugungsarbeit an der Academy gekostet haben und die teuerste seit The Social Network (der den Oscar als Bester Film ebenfalls knapp verfehlte) gewesen sein. Weshalb wir Roma auf Platz 7 der besten Filme des Jahrzehnts gesetzt haben, liegt aber nicht an Strategie-Durchbrüchen von Netflix und Geldsummen, die Produzenten Angst einflößen.

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Das Ausmaß, in dem sich Roma bewegt, ist ein Wechselspiel, wobei Netflix nicht ohne Roma kann, und, die Finanzierung und Award-Saison betreffend, auch Roma nicht ohne Netflix. Dass Netflix nach Alfonso Cuarón nun auch Noah Baumbach und Martin Scorsese ins Oscar-Rennen schicken konnte, ist kein Zufall.

Das goldene Aushängeschild bewirbt den Streaming-Dienst als gutes Zuhause für renommierte Autorenfilmer. Immerhin steht Roma auch für den ersten Regie-Oscar für einen nicht-englischsprachigen Film. Das graviert sich Netflix gern in die goldene Plakette.

Dennoch existiert Roma neben all dieser Branchengeschichte als filmgeschichtlich und künstlerisch eigenständiges Werk eines begnadeten Regisseurs. Der, nebenbei erwähnt, auch mit seinem Vorgänger Gravity sieben Oscar-Gewinne einfuhr, doch Bester Film blieb aus. Es liegt im Bereich des Möglichen, dass Netflix diesen Bann irgendwann gemeinsam mit Cuaron bricht.

Alfonso Cuaron vereint all seine bisherigen Filme in Roma

All diese Geschichtsschreibung von Netflix mit Roma ist aber nur deshalb möglich, weil Roma inhaltlich, stilistisch und handwerklich einer der besten Filme des Jahrzehnts ist. Sieben Spielfilme schuf Cuaron davor als Regisseur (und vier davon als Drehbuchschreiber) und alle kulminieren sie in Roma. Einer der spannendsten und originellsten Regisseure unserer Zeit hat den Frauen in seiner Kindheit ein Monument geschaffen, das tief in seine Psyche blicken lässt.

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Melancholische und verloren wirkende Figuren standen bei Cuaron immer schon im Mittelpunkt und Roma erklärte uns endlich warum: das Verlassenwerden vom Vater, das angespannte Machtverhältnis der Haushälterin zur Mutter, die unsäglichen Verluste und Unruhen, die sein Aufwachsen prägten. Nach Roma lassen sich die Hauptrollen von Clive Owen in Children of Men, Sandra Bullock in Gravity und Ana López Mercado in Y Tu Mama Tambien komplett neu lesen und umso besser verstehen.

Roma steht für eine neue Zukunft des Filmeschauens und -vermarktens, die nicht mehr ohne Streaming-Dienste wie Netflix existieren kann. Er steht aber auch für sich, für seinen Regisseur und für die Empathie, die Filmmagie ins uns auslösen kann. Wer von euch hat sich vor Roma schon einmal Gedanken gemacht über die Situation von Haushälterinnen in Mexiko City der 70er Jahre? Und wer von euch hatte danach das Gefühl, mit dabei gewesen zu sein?

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