Der Werner Herzog unter den Userkommentaren

08.02.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Der Werner Herzog unter den Userkommentaren.
moviepilot/Arthaus - Aus: Mein liebster Feind.
Der Werner Herzog unter den Userkommentaren.
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Diese Woche stellt der Kommentar der Woche ein Mammutprojekt vor, das eines Regiegroßmeisters würdig ist: moviepilot-User Dasprofils Kommentar zu Werner Herzog!

Im Kommentar der Woche versuchen wir jede Woche einen eurer zahlreichen Kommentare zu feiern, egal ob kurz oder ausführlich – oder ein regelrechtes Magnus Opus. Ob es sich dabei um den Film handelt, der euer Leben verändert hat, die Serie, die euren DVD-Player einfach nicht verlassen will, oder die Person, deren Werk einen Platz im Olymp unserer Kommentare der Woche verdient hat: Grundsätzlich kann jeder Kommentar vorgeschlagen werden. Wenn ihr über ein solches Meisterwerk stolpert, sagt uns bescheid – am besten per Nachricht an Sonse.

Die Kommentare der Woche
Eine Liebeserklärung an eine Legende: Mit seinem Kommentar zu Werner Herzog hat Dasprofil hat das Profil tatsächlich etwas Episches geleistet. Aber seht selbst:

So, jetzt habe ich endlich den Mut gefunden, mich an mein ganz persönliches Mammut-Projekt zu wagen – ein Kommentar über Werner Herzog.

Wie es, denke ich, jedem von meinen MP-Freunden aufgefallen ist, bin ich ein absoluter Verehrer dieses Regisseurs. Würde mich jemand dazu zwingen, den Regisseur zu nennen, den ich am meisten von allen mag, ich hätte keine Scheu davor, ohne auch nur einen Bruchteil einer Sekunde darüber nachzudenken, den Namen “Werner Herzog” auszusprechen. Wenn man mich auf eine einsame Insel sperren, und mir fortan nur erlauben würde, die Filme eines Regisseurs meiner Wahl zu sehen, würde ich mich natürlich sofort für Werner Herzog entscheiden, ohne viele Gedanken an andere Regisseure zu verschwenden. Ich habe manchmal sogar das Gefühl, dass ich eigentlich gar keine anderen Filme als die von Werner Herzog sehen müsste, weil sie mir alles geben, was ein Film zu geben imstande ist. In seinen Werken finde ich meine ganz persönliche cineastische Erfüllung, nur mit seinen Werken kann ich mich letztendlich vollkommen identifizieren, sogar so sehr, dass ich teilweise den Eindruck habe, Herzog hätte 20-30 Jahre vor meiner Geburt nur für mich Filme gedreht.

Herzog gelingt es nämlich, im Vergleich zu allen anderen Regisseuren, Bilder zu finden und Geschichten zu erzählen, die mir bekannt vorkommen, ohne, dass ich sie jemals zuvor gesehen oder gehört habe. Er erweckt Dinge, die ich selbst schon immer in mir hatte, ohne dass ich es wusste (die “Inneren Landschaften” über die Herzog in Interviews oft spricht und zu denen ich später noch näheres schreibe) und das macht jeden Herzog-Film zu einer höchst intimen und intensiven Erfahrung, mehr als bei jedem anderen Filmemacher, den ich kenne.

Mittlerweile habe ich auch schon andere Regisseure kennengelernt, deren Werke mich sehr berührt, bewegt und begeistert haben, doch nie war der Eindruck so bleibend und intim, wie bei Herzogs Filmen und deshalb komme ich – egal was ich zwischendrin so alles sehe – immer wieder zu seinen Filmen zurück. Werner Herzog nun, seit etwa anderthalb Jahren ein stiller (weil ich natürlich nur seine Kunstwerke kenne), aber wichtiger Begleiter in meinem Leben, der mich bis jetzt noch nie enttäuscht hat.

Aber woran liegt es genau, dass mich ausgerechnet seine Filme immer wieder aufs neue verzaubern und in ihrer Wirkung niemals nachlassen? Immerhin wird in Herzog ja allgemein nur der Regisseur gesehen, der ein paar gute Filme mit Klaus Kinski gedreht hat, sein darüber hinausgehendes Schaffen findet eher wenig Beachtung und noch viel weniger Anerkennung.

Zum einen natürlich aus dem ganz banalen Grund, dass ich Herzog für einen sehr guten Geschichtenerzähler halte. Häufig wird ja die Meinung vertreten, dass Herzogs Filme eher von ihrer Atmosphäre und weniger von ihrem Drehbuch leben, doch dem würde ich absolut nicht zustimmen. Ich sehe in jedem einzelnen von seinen Filmen eine ganz besondere Erzählung. Es stimmt, dass sich Herzog nicht besonders für die innere Entwicklung seiner Charaktere interessiert bzw, warum sie so geworden sind, wie sie sind (und das nicht etwa aus Unvermögen sondern ganz gezielt, er betont in Interviews oft, dass er nicht besonders viel von der Psychoanalyse hält) und vielleicht ist es gerade das, was sie so faszinierend macht. Dass wir sie zwar auf dem Bldschirm sehen, aber sie dennoch im Verborgenen bleiben, dass wir als Zuschauer nicht wissen, was wirklich in ihnen vorgeht und von welchen Wahnideen sie geleitet werden. Möglicherweise geht es nur mir so, aber mich faszinieren Charaktere besonders dann, wenn ich nicht in ihren Kopf gucken kann und nicht alles sehe, was sich darin abspielt. Ich mag es, wenn ein gewisses Geheimnis, ein gewisses Mysterium um sie gesponnen wird, und ich als Zuschauer nicht sagen kann, dass ich sie kenne. Ich sehe zwar ihr Handeln und sehe natürlich, dass sie von irgendeinem Wahn geleitet werden, doch von welcher Beschaffenheit dieser Wahn ist, sehe ich nicht und gerade das ist es, was mich als Zuschauer dazu verleitet mich mit diesen Charakteren auseinander zu setzen, gerade dieses Nicht-Wissen ist es, was sie interessant macht und zum Leben erweckt. Denn dadurch wird ihnen eine enorme Tiefe verliehen, das gibt ihnen eine ganz besondere Aura der Ungewissheit und der Überlegenheit gegenüber dem Zuschauer. Kurioserweise ist besonders dieses Nicht-Wissen um die Gedankenwelt des Protagonisten das, was mir den Charakter näherbringt.

Herzog schafft es dadurch nicht, eine emotionale Verbindung zwischen Zuschauer und Filmcharakter zu erzeugen, oder eine Identifikationsfigur zu schaffen (was auch gar nicht sein Anliegen ist), aber was er schafft ist pure, vorher nie dagewesene Begeisterung, egal, ob die Hauptrolle von Klaus Kinski oder einem anderen Schauspieler dargestellt wird.

Interessant ist zudem, dass die Charaktere alle im Grunde dasselbe verkörpern. Alle sind mehr oder weniger wahnsinnig und fordern etwas heraus, dem sie nicht gewachsen sind, an dem sie nur zu Grunde gehen können, weil es viel zu groß für sie ist, weil es etwas ist, dass ihre Kräfte, ihre Mglichkeiten bei Weitem übersteigt. Fast alle Charaktere in Herzog-Filmen begeben sich also in einen aussichtslosen Kampf gegen eine Übermacht, sind von ihrem Wahn allerdings so geblendet, dass sie ihre hoffnungslose Situation sehen und garnicht merken, dass sie ihrem unausweichlichen Untergang entgegenstreben (das, was sie herausforern ist ist häufig die Natur, wie z.B. in AGUIRRE, DER ZORN GOTTES oder FITZCARRALDO, manchal aber auch das ganze Universum, wie in LEBENSZEICHEN). Die geringe Bedeutung eines einzelnen Menschen, im Vergleich zur gesamten Welt oder dem Universum gesehen, darauf bezogen, dass es für einen einzelnen Menschen unmöglich ist, etwas auszurichten, das etwas ändert, das irgendwie in den Lauf der Dinge einschneidet, ist ein Thema, welches sich durch Herzogs gesamtes Werk zieht. Letztendlich sind wir Menschen nämlich nur von den äußeren Bedingungen beherrscht und müsen uns dem Lauf der Dinge fügen. Uns dagegen aufzulehnen kommt einer Absurdität gleich.

Allein das macht Herzog in meinen Augen zu einem großartigen Filmemacher, da es ein Thema ist, zu dem ich mir selbst auch recht oft Gedanken mache (wenn auch auch nicht wirklich ernstzunehmend) und welches mich sehr fasziniert: Die Position des Menschen im Universum.

Aber das ist es natürlich nicht allein, was meine große Liebe zu Werner Herzogs Werk erklärt. Mein Verhältnis zu ihm ist nämlich, wie ich oben bereits geschrieben habe nicht enfach das zu einem großartigen Filmemacher, es ist viel intimer. Und genau das versuche ich im weiteren Verlauf dieses Kommentars in Worte zu fassen (was mir natürlich nicht perfekt gelingen wird, das ist einfach unmöglich).

Der Grund für eine tiefergehende Zuneigung zu dem Werk eines Künstlers ist natürlich immer höchst subjektiv und wird wahrscheinlich von keinem anderen so empfunden werden, wie von mir, besonders dann, wenn die Begründung viel tiefergehender ist, als dass man den Inszenierungsstil und die Themen des Regisseurs ansprechend findet.

Bei Werner Herzog sind es besonders die oben schon genannten “inneren Landschaften” de mein enges Verhältns zu seinem Schaffen begründen. Wie jeder, der schonmal einen Film von Herzog gesehen hat, weiß, zeichnet sich sein Stil durch zahlreiche lange, eigentlich immer beindruckende Landschaftaufnahmen aus. Doch das Besondere an ihnen (und das unterscheidet Herzog, meiner Meinung nach, von jedem anderen Regisseur) ist, dass sie nicht unbedingt schön sind. Sie sind wild, kraftvoll, chaotisch, mächtig und häufig im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend, aber schön eher weniger. Es sind keine romantischen Postkartenmotive und das ist vollkommen im Sinne Herzogs. Ihm ging es nie darum, zu zeigen, dass die Natur schön ist, was meiner Meinung nach auch viel zu banal für die Aussage eines Film ist – um dieses zu zeigen ist ein Neckermann-Katalog absolut ausreichend. Herzog ging es darum, “innere Landschaften” zu finden, also Landschaften, in denen man sich als Zuschauer wieder erkennt, mit denen man viel mehr verbindet, als das, was auf der Leinwand gezeigt wird, und genau diesen Effekt haben sie auf mich. Ich spüre eine tiefe, sehr enge, kaum beschreibbare Verbundenheit zu Herzogs Bildern, und dadurch zu seinen Filmen im Allgemeinen. Es ist tatsächlich so, als würde er, wie ich oben schon schrieb, Bilder hervorheben und auf die Leinwand bringen, die ich immer schon in mir hatte, die immer schon ein Teil von mir waren, ohne, dass ich davon etwas gewusst habe. Erst ein Werner Herzog hat es geschafft, sie hervorzuholen, sie aus dem Verborgenen zu befreien und sichtbar zu machen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was das für ein Gefühl ist, so etwas auf dem Bildschirm oder auf der Leinwand zu sehen. Es ist ein Gefühl, als würde man in gewisser Weise sich selbst sehen und etwas über sich selbst lernen. Es ist so, als würde man seine Persönlichkeit und alle verborgenen Gedanken und Einflüsse verpackt in Bildern auf der Leinwand sehen. Es ist außerdem ein vertrautes Gefühl, fast ein bisschen so, als würde man das Gesicht oder die Stimme eines Verwandten sehen und hören. In jedem Fall bedeuten Herzogs Filme für mich auch Heimat, natürlich nicht räumliche, aber “geistige” (und allein darin äußert sich ja wieder die subjektive Empfindung. Manch einer sieht in einem Ort nur ein stinkendes, hässliches Kaff, für einen anderen ist es wiederum die Heimat und der schönste Platz auf Erden).

Ich würde nicht soweit gehen, und in Verbindung mit Herzog Filmen von Selbstfindung zu sprechen (allein deshalb, weil es ein Wort ist, mit dem ich nicht gerade viel anfangen kann) aber es ist auf jeden Fall so, als wisse Herzog genau, was für ein Mensch ich bin, als wisse er genau, wie es “in mir” aussieht, und vor allen Dingen so, als wisse er genau, wie meine Vorstellung von einem perfekten Film ist, denn dieser Vorstellung kommt kein anderer auch nur ansatzweise so nah, wie Werner Herzog.

So, ich habe natürlich noch etwas zum schreiben, was ich auch sofort im Anschluss abtippen und hier hochladen werde, aber diesen Kommentar werde ich jetzt beenden, damit er nicht ganz so lang wird. Das, was gleich kommt ist übrigens nicht mehr ganz so wichtig, wer diesen Kommentar schon ermüdend fand, muss nicht weiterlesen.

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