Der Tatortreiniger - Schwarzer Humor aus Deutschland

22.10.2015 - 11:20 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Bjarne Mädel ist Der TatortreinigerNDR
15
21
Mein Herz für Serie geht heute an Der Tatortreiniger. Die schwarze Komödie von Stromberg-Regisseur Arne Feldhusen bringt Originalität zurück ins deutsche Fernsehen und konfrontiert uns nebenbei auf amüsante Weise mit unseren eigenen Vorurteilen.

Wie gern würde ich sagen können, dass ich zu den wenigen Genies gehöre, die schon bei der ersten Folge von Der Tatortreiniger eingeschaltet haben, als noch niemand irgendetwas wusste. Ich kann mir nur vorstellen, wie es mich aus den Socken gehauen hätte, wäre ich schon 2011 zufällig über die schwarzhumorige Comedy-Serie von Stromberg-Regisseur Arne Feldhusen gestolpert. Leider gehöre ich aber zu der Gruppe deutscher Serienfans, die unserem Land in letzter Zeit immer weniger zutrauen. Und dann wurde ich auf die NDR-Serie Der Tatortreiniger aufmerksam gemacht. Seitdem putzt Bjarne Mädel als Heiko "Schotty" Schotte vor unseren Augen nicht nur Blutlachen und Gehirnspritzer weg, sondern räumt auch in meinen eingestaubten Vorstellungen von deutschen Comedy-Serien mal so richtig auf.

Dabei ist es wirklich ein Wunder, dass es die Serie überhaupt noch gibt, wurden die ersten vier Episoden der ersten Staffel doch still und heimlich im Nachtprogramm des NDR versteckt. Doch dem Internet sei Dank, denn auf den sozialen Netzwerken sprach sich herum, dass es dort tatsächlich etwas Großartiges im deutschen Fernsehen zu entdecken gibt. Jetzt soll Ende des Jahres bereits die 5. Staffel der mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten TV-Serie ausgestrahlt werden. Ich bin fast jetzt schon wieder ein bisschen traurig, wenn ich daran denke, wie wenige neue Episoden jede Staffel mit sich bringt.

Keiner kann seinen Job besser beschreiben als Heiko „Schotty“ Schotte selbst: „Meine Arbeit fängt da an, wo sich andere Leute vor Entsetzen übergeben.“ Mit trockenem Humor und extremer Lässigkeit nimmt Schotty den Zuschauer in jeder Folge mit zu einem neuen Tatort, an dem er die Spuren von Mordopfern, Unfalltoten oder anderweitig Verstorbenen beseitigen soll. Dabei trifft er im kammerspielartigen Situationen auf die sonderbarsten Charaktere.

Mut zur Skurrilität

Schottys Begegnungen mit sammelwütigen Verschwörungstheoretikern, angriffslustigen Literaten, einsamen Omis, homosexuellen Zauberern oder stumpfsinnigen Neonazis sind voller Situationskomik und schwarzem Humor. Gleichzeitig vertraut die Serie jedoch nicht immer auf dasselbe Erfolgsrezept, sondern experimentiert auch mit surrealen Elementen wie Halluzinationen und außergewöhnlichen Erzählmethoden. So gibt es beispielsweise eine Episode mit einem verfluchten Haus, in der fast nur in Reimen gesprochen wird. Die Macher sind bereit, alles auszuprobieren, was mit dieser Figur und diesem Format möglich ist. Dabei treffen manche Folgen sicher nicht jeden Geschmack. Aber selbst wenn die Kritik mal etwas zu schwerfällig daher kommt oder die Skurrilität in Absurdität übergeht, ist das immer noch erfrischender als alles, was ich in den letzten Jahren irgendwo im deutschen Comedy-Bereich gesehen habe.

Dass Bjarne Mädel ein großes deutsches Comedy-Talent ist, konnte er bereits in Stromberg unter Beweis stellen. In Der Tatortreiniger läuft der norddeutsche Schauspieler zu neuer Höchstform auf. Mit traumwandlerischer Selbstverständlichkeit verkörpert er den schlichten wie komplizierten Reinigungsfachmann Heiko Schotte und besticht dabei nicht nur durch seinen wunderbaren norddeutschen Akzent („Wa???“), sondern auch durch die charmante Zugänglichkeit seiner Figur. Denn Schotty ist erstaunlich tiefgründig. Neben seiner trockenen Lässigkeit, Fußballvernarrtheit und Wurstbrotliebhaberei zeigt der Tatortreiniger immer wieder seine sensible und leicht melancholische Seite. Er findet für die Probleme anderer Leute immer eine Lösung, im Angesicht seiner eigenen ist er auf eine liebenswerte Art und Weise hilflos. Mittlerweile gibt es sogar T-Shirts mit „Ich bin Bjarnes Mädel“-Aufdruck. Meiner Meinung nach völlig zu Recht.

Eine ganz große kleine Serie

Was Der Tatortreiniger für mich jedoch von einer originellen und unterhaltsamen Comedy-Serie zu einer absoluten Lieblingsserie aufsteigen lässt, ist zum einen die große Detailverliebtheit der Filmemacher. Zum Beispiel muss ich jedes Mal schmunzeln, wenn Schottys Handy mit der Titelmelodie des Tatorts klingelt. Zudem gibt es immer wieder kleine Gastauftritte von Figuren aus anderen Serien. Der Tatortreiniger ist definitiv kein Bügelfernsehen. Wer nicht aufpasst, verpasst einen schnellen Wortwitz. Auch gibt es im Hintergrund der Szenen immer wieder lustige Dinge zu entdecken, wenn man nur genau hinsieht.

Zum anderen bewegt sich die Serie trotz aller Situationskomik immer auf einem schmalen Grad zwischen Komödie und Drama. Schotty wird in den Geschichten von Drehbuchautorin Mizzi Meyer jedes Mal aufs Neue mit schwierigen, ambivalenten und vorurteilsbelasteten Themen konfrontiert und schafft es so, dass auch wir uns mit unseren eigenen Vorteilen auseinandersetzen müssen. Die Serie hält uns sozusagen einen Spiegel vor. Es geht aber nicht um irgendwelche Moralpredigten, sondern darum, über die eigenen Einstellungen nachzudenken und andere Perspektiven zu verstehen. Noch nie habe ich auf so amüsante Weise so viel über mich selbst gelernt und das macht Der Tatortreiniger für mich zu einem Schmuckstück unter den deutschen Qualitätsserien.

Habt ihr Der Tatortreiniger schon gesehen? Freut ihr euch auf die 5. Staffel?

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News