Der Mann mit der Widerstandskraft einer Kakerlake

30.11.2011 - 08:50 Uhr
Mein Serienheld - Charlie Kelly
20th Century Fox
Mein Serienheld - Charlie Kelly
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Serien werden oft erst durch ihr Ensemble zu dem, was sie sind. Doch es gibt sie, die Figuren, die uns ganz besonders am Herz liegen. Mein persönlicher Serienheld aus It’s Always Sunny in Philadelphia ist Charlie Kelly.

In It’s Always Sunny In Philadelphia dürfen wir mit jeder Folge neue Spitzenwerte für Selbstsucht, Habgier und Boshaftigkeit verzeichnen. Keine andere Serie läd so zum Hassen ihrer Protagonisten ein, deren Abenteuer wie ein Unfall immer wieder zum Einschalten zwingen. Die Erfinder der Serie sind gleichzeitig ihre Darsteller und die Liebe zum noch so verabscheuungswürdigen Detail merke ich immer wieder an. Doch eine Figur sticht aus dem Ensemble heraus: Charlie Kelly (Charlie Day). In der Gruppe seiner … Freunde aus dem Paddy’s Pub ist er das naive schwarze Schaf, das immer wieder von Dennis (Glenn Howerton, Sweet Dee (Kaitlin Olson), Mac (Rob McElhenney) und Frank (Danny DeVito manipuliert wird. Nicht, dass er selbst viel besser wäre.

Wer ist Charlie Kelly?
Seit seiner Jugend hat Charlie mit einer ganz besonderen Psyche zu kämpfen. Wutausbrüche stehen an der Tagesordnung, genauso wie die Verwirrung über alles, was außerhalb der Bar stattfindet. Einmal bezeichnete er George Washington als “some old dude, who looks like Meryl Streep”, der mal irgendwas vor tausend Jahren gemacht hat. Es ist ein Wunder, dass er noch lebt. Seine Wohnung besteht aus “Möbeln”, die er aus dem Sperrmüll zusammengesucht hat. Sein Hygienebewusstsein ist unterirdisch, weswegen er im Paddy’s Pub für die Toiletten, Rattentötung und manchmal die Lüftungsschächte zuständig ist. Er weiß nicht einmal, wie man eine Birne richtig isst (“I eat stickers all the time!”) und hält “Milch-Steak” und Jelly Beans für eine vollwertige Mahlzeit, die in feinen Restaurants angeboten wird.

Seine kruden Gedanken hält er in Form eines selbstentworfenen Systems aus Bildern und Zeichen fest. Ganz richtig, Charlie kann kaum lesen und noch weniger schreiben. Wie er das seine angedeutete Vergewaltigung als Kind verarbeitende Musical “The Nightman Cometh” zustande gebracht hat, kann ich mir nicht erklären. Genau wie seine Vergangenheit ist auch seine Verwandschaft vollkommen ungeklärt: Seinem Mitbewohner Frank ist diese Frage naturgemäß egal. Aber das Rudelbumsen, das er Vergangenheit nennt, könnte durchaus auch Charlie produziert haben. Kein Wunder, dass sein Beziehungsverständnis massiv gestört ist und er es lediglich zum Stalker der Kellnerin (Mary Elizabeth Ellis) und der versehentlichen Verlobung mit einer 12-jährigen gebracht hat. Charlie Kelly ist der Kaputteste der Kaputten.

Warum Charlie Kelly mein Serienheld ist
Und trotzdem hat er ein Herz aus Gold. Jedenfalls in dem Maße, das It’s Always Sunny in Philadelphia zulässt. Obwohl Charlie ordentlich baggage mit sich herumträgt, ist er der Optimist der Gruppe. Wahrscheinlich als psychischer Schutzmechanismus schlägt er sich wie ein kleines Kind oder verängstigtes Tier durch seinen Alltag, der von wirklich verabscheuungswürdigen Individuen bevölkert wird. Voll von nie geförderten Talenten ist er die tragische Seele in It’s Always Sunny in Philadelphia. Nie werde ich die Szene vergessen, in der er vor einer Kerze sitzend und high von Sprayfarbe sein Magnum Opus Dayman für The Nightman Cometh schrieb. Charlie Kelly ist ein musikalisches Genie, das seine inneren Konflikte auf kreativem Wege nach außen bringt.

Und dann ist da der Trash-Aspekt, der in diesem Fall absolut wörtlich zu nehmen ist. Mit Frank zusammen kocht Charlie gefundene Jeans ab oder findet auf Dumpster-Touren wahre Schätze. Schließlich ist es verrückt, das alles wegzuschmeißen. Zum Einschlafen isst er Katzenfutter, weil es ihn müde macht. Weil die Katzen aus irgendeinem Grund vor seinem Fenster miauen und er dann nicht einschlafen kann. Moment mal. Es ist einfach wunderbar, wie Charlie dank seiner kindlichen Naivität (und Dummheit) einen Weg durch die gefährliche Welt da draußen findet. Hat er dann doch mal zuviel, geht er einfach in seinen bad room im Ventilationssystem und zerschlägt Flaschen. Fast rein instinktgesteuert schafft er es irgendwie, klarzukommen. Wenn It’s Always Sunny in Philadelphia mal à la Sledge Hammer durch eine Atombombe beendet wird, bleiben nur zwei Dinge übrig: Kakerlaken und Charlie Kelly.

Ich habe meine Liebe kundgetan, aber was haltet ihr von Charlie Kelly?

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