Das deutsche Finanz-Drama

05.12.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Houston
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Anlässlich des neuen Films von Bastian Günther, Houston, wollen wir euch drei weitere Beiträge vorstellen, die sich dem Thema Finanzkrise widmen. Auf je unterschiedliche Art erzählen vier deutsche Regisseure von den Auswirkungen der Krise auf den Einzelnen. Lässt sich ein neuer Trend absehen – das deutsche Finanz-Drama?

Deutschland ist eines der reichsten und sichersten Länder der Welt. Aus der Finanzkrise, die 2008 die Weltwirtschaft ins Wanken brachte, ging es sogar mit Gewinn und steigenden Wachstumsraten in Export und Bruttozialprodukt hervor. Dem deutschen Bürger ging es noch nie so gut wie heute. Doch kommt die ökonomische Stabilität nicht von ungefähr. Das Bankenwesen baut auf Berufsgruppen auf, die diesen Wohlstand “erreicht” haben: eine Elite aus Top-Managern, Headhuntern, Risikokapitalmanagern und Bankenchefs, die über einen Großteil des vorhandenen Kapitals bestimmen. Vier deutsche Regisseure haben sich der Halbwelt der Wirtschaftsmacher und Finanzhaie, die parallel zum Rest der Gesellschaft zu leben scheinen, gewidmet. Wir wollen euch ihre Beiträge vorstellen.

Der Verfall bürgerlicher Werte
Houston, der neue Film vom Bastian Günther startet diesen Donnerstag in unseren Kinos. Darin spielt Ulrich Tukur den freiberuflichen Headhunter Clemens Trunschka, der nach einer Auftragsflaute das Trinken anfängt und Frau und Kinder vernachlässigt. Als ihm ein großer Automobilkonzern einen Job anbietet, den Top-Manager eines texanischen Ölkonzern abzuwerben, zögert er nicht lang. Doch je näher er seinem Ziel zu kommen glaubt, desto weiter entfernt er sich davon. Schließlich reist er nach Texas, um den Ölboss auszupionieren. Bastian Günther gelingt eine glaubhafte Darstellung globaler Wirtschaftsverhältnisse. Dabei versucht er sich nicht in umfassender Systemkritik, sondern beleuchtet ein Einzelschicksal. So können wir dem einst gut situierten Headhunter Trunschka bei seinem Niedergang in Alkoholsucht und sozialer Isolation zu sehen. Houston zeigt uns wie ein angenommen typischer Vertreter der wirtschaftsstarken westlichen Welt zu Beginn des 21. Jahrhunderts innerhalb des Systems, das ihn erst hervorgebracht hat, moralisch scheitert.

Die Liebe eines Bankers
In Unter dir die Stadt von Christoph Hochhäusler sehen wir Svenja und Oliver (Nicolette Krebitz und Mark Waschke) von Hamburg nach Frankfurt am Main ziehen, da er dort einen Job als Investmentbanker antreten will. Sie, arbeitssuchende Bildredakteurin, verliebt sich in seinen Chef Roland Cordes (Robert Hunger-Bühler), der gerade zum Top-Manager des Jahres gekürt wurde. Beide sind auf der Suche nach einem Gefühl. Sie nach Leidenschaft und Nervenkitzel in einer vollkommen geordneten Welt. Er nach einer Art von Befriedigung, die sich trotz seines beruflichen Erfolges nicht einstellt. Wenn er sich nicht gerade, um sich von seinem Alltagsstress abzulenken, Junkies vorführen lässt, die sich vor seinen Augen Drogen verabreichen, wendet er seine erlernten Fähigkeiten, alle Hindernisse rücksichtslos aus dem Weg zu räumen, auf sein Privatleben an. Oliver lässt er kurzerhand nach Indonesien versetzen, wo eine Stelle aufgrund einer unaufgeklärten Entführung eines Mitarbeiters frei ist, um ungestört mit Svenja sein zu können. Doch steht nicht allein die Liebesgeschichte von Svenja und Cordes im Vordergrund. Als er Journalisten attackiert, titelt die Presse: Cordes läuft Amok. Wir ahnen, dass mit ihm, dem Stellvertreter des Systems, das Bankenwesen selbst gemeint ist, das längst zu einem automatisierten Apparat verkommen ist.

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