Christiane Hörbiger auf den Spuren von Miss Marple

19.12.2013 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Schon wieder Henriette
ARD
Schon wieder Henriette
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Schon wieder Henriette, schon wieder greiser Krimiulk im Ersten. Dabei bleibt der verzwickte Mordfall, den die energische Hobbydetektivin Christiane Hörbiger aufklären möchte, ein merklich überschaubarer. Genrefernsehen von anno dazumal.

Wie die überraschend sehenswerte Romanverfilmung Grenzgang letzte Woche zeigte, ist dem öffentlich-rechtlichen Fernsehfilmbetrieb im Ersten offenbar doch noch zu helfen, und sei es nur hin und wieder mal. Leider aber verbleiben ja annähernd komplexe, mindestens künstlerisch ambitionierte Fernsehfilme bislang als Ausnahmen einer Regel, nach der die beste Sendezeit gebührenfinanzierten Fernsehens mit bekömmlich-seichten Unterhaltungsfilmen programmiert werden muss. Gesteigerte Publikumswirksamkeit versprechen sich die zuständigen Redaktionen dabei zumeist durch die Verpflichtung gerngesehener TV-Gesichter, die augenscheinlich allesamt langjährige Vertrags-Abos insbesondere mit der ARD-Degeto abgeschlossen haben (und deren reine Präsenz als Einschaltargument genügen soll). Zu diesen (mutmaßlichen) Lieblingen einer anvisierten Zuschauergruppe zwischen 50 und Friedhof muss wohl auch die 75-jährige Schauspielinstitution Christiane Hörbiger gezählt werden, die nun im Luftigleicht-Krimi Schon wieder Henriette auf den Spuren von Miss Marple wandelt.

Mordermittlung statt Kreuzworträtsel
Hörbiger spielt Henriette Frey, eine pensionierte Kunstrestauratorin, die es einfach nicht lassen kann. Sich nämlich in Kriminalfälle einzumischen, „die mich eigentlich nichts angehen“. Seit ihr Ehemann, ein langjähriger Hauptkommissar, verstorben ist, hat sich Henriettes ausgeprägte Ermittlungslust in Mordfragen nur noch verstärkt (und sie imaginiert sich den ärmsten stets munter herbei, um mit ihm die Mordfälle zu diskutieren). Die Amateurdetektivin, nunmehr mit Musiker Ferdinand (Erwin Steinhauer) liiert und von Wien ins beschauliche Krems an der Donau umgezogen, geht damit allerdings im Grunde jedem auf die Nerven. Und es soll wohl keck im Rahmen überschaubar emanzipierter ARD-Frauenfiguren anmuten, dass Henriette ihren Spürsinn unentwegt gegen die (gar nicht mal unberechtigten) Einwände ihres Lebenspartners und ganz besonders des örtlichen Chefinspektors Siegfried Anzengruber (Harald Schrott) verteidigen muss. Aber eigentlich ist die Figur schon ein bisschen nervig.

Zum Leidwesen der Zuschauer
Der Chefinspektor sieht das ganz ähnlich. Er ist mit der Aufklärung des Mordes an einem Kunstsammler beschäftigt, über dessen Leiche – so will es das Drehbuch – ausgerechnet Henriette zufällig stolperte. Sie beginnt natürlich umgehend und ungefragt, den Fall auf eigene Faust zu ermitteln – sehr zum Leidwesen aller Krems-Bewohner und, ja, ehrlich gesagt auch jener Zuschauer, die Christiane Hörbiger nun vielleicht nicht so umwerfend interessant finden. Der pathologische Selbstbestätigungstrieb ihrer Henriette („Ich kann einfach nicht anders.“) jedenfalls wirkt nicht weniger lästig, nur weil er vom Film als lakonisch-süffisante, eigentlich ja sehr sympathische Macke angeboten wird. Der Witz schlechthin ist indes das spekulativ konstruierte Schlussszenario: Nicht Ermittlungsgeschick und Spürnase, sondern mehr Glück als Verstand überführen den Täter – und entwerten gleichzeitig die Titelfigur. Nun ist Hörbiger aber natürlich ohnehin keine Margaret Rutherford, und die Autoren Jens Urban und Katarina Bali sind auch nicht Agatha Christie.

Krimiplot von anno dazumal
Mit anderen Worten: Der Kriminalfall ist ein ziemlich übersichtlicher. Im Wesentlichen, mit bejahrtem Witz dekoriert, einem handelsüblichen Tatort entliehen. Die vielen Nebenfiguren, vordergründig verdächtig geschrieben und entsprechend subtil gespielt, changieren sich stereotyp durch den Krimiplot von anno dazumal, bleiben dem Ausspähen nach Checkliste der alles schon im Vorfeld genauestens durchschauenden Henriette gegenüber aber ohnehin vollkommen unsouverän. Und welch nervige Figuren das sind, besonders die von GNTM-Gewinnerin Barbara Meier grauenhaft ungelenk gespielte Freundin des Mordopfers oder ein witzelnder Obdachloser, der als Running Gag durchs Geschehen torkelt. Folglich bestellt der Film also die Hörbiger-Show – und was vermutlich Nonchalance genannt werden will, ist kaum wirklich mehr als trantütiger Pensionärsulk in Niederösterreich. Tut zwar nicht richtig weh, kommt soweit über die Runden, besorgt es dem Zielpublikum hübsch und heiter zum Gute-Nacht-Tee. Aber: Braucht halt eigentlich kein Mensch. Und warum so etwas über zwei Millionen Euro kosten muss, dürfen ARD und ORF dann gern einmal im transparent aufgeschlüsselten Produktionsbudget erklären.

Schon wieder Henriette. Donnerstag, 19. Dezember 2013, 20:15 Uhr in der ARD. Der Extended-Trailer stimmt schon mal auf das Vergnügen ein.

Als Mr. Vincent Vega meint es Rajko Burchardt seit Jahren gut mit den Menschen. Wenn er nicht gerade auf moviepilot fern sieht oder seine Filmecke pflegt, schreibt er Kinokritiken und zwitschert auch gelegentlich vor sich hin. Die Spielwiese des Bayerischen Rundfunks nannte ihn “einen der bekanntesten Entertainment-Blogger Deutschlands”. Das fand er interessant.

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