Britannia - Fishing for Game of Thrones-Vergleiche

02.03.2018 - 10:05 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Britannia - Staffel 1Sky
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Die Serie Britannia provoziert Game of Thrones-Vergleiche. Tatsächlich ist sie eine recht putzige, nicht jugendfreie Version von Asterix mit dem wohl besten Intro-Song des Jahres.

Für Britannia haben die Entertainment-Schwergewichte Amazon und Sky zusammengeschmissen wie zwei Bekannte, die einem gemeinsamen Freund ein großes Geburtstagsgeschenk machen wollen anstelle zweier kleiner. Der Serienmarkt mit seinen verschiedenen Konsum- und Vertriebsmodellen lässt das zu, diese Verbrüderung von Konkurrenten, macht sie eigentlich sogar unumgänglich. Um breit rezipiert, also bekannt zu werden und für Zuschauer noch attraktiver, müssen Serien ohnehin auf den zahlreicher werdenden Plattformen abrufbar und möglichst vielen Zuschauer zugänglich sein. Eine Serie wächst auch durch ihre Zuschauer, oder eher deren Masse. Anstatt die Serien-Rechte also später an einen Konkurrenten abzutreten, werden die Ressourcen bei der Produktion von Serien von vorneherein gebündelt. Dadurch können Serie wie Babylon Berlin existieren. Und eben Britannia, der ein noch viel schwererer Rucksack aufgesetzt wurde: Das neue Game of Thrones soll es sein. Und tatsächlich streifen in Britannia eine widerspenstige Waise und ein großer Mann durch die saftigen Wiesen und Wälder eines wilden Landes wie einst Arya Stark und Sandor Clegane. Oder Huckleberry Finn und Jim.

Perioden mit der Kennzeichnung "n. Chr." sind zum Trash-Abschuss freigegeben

Gerade in der Game of Thrones-Dürre, wenn der Durst am fiesesten zerrt, wird jede neue Serie zum Game of Thrones-Epigonen gekürt, in der Burgen, Ritter, Blut, Sex und Intrigen das Geschehen bestimmen. Unter all diesen Serien gewinnt Britannia das Game of Thrones-Bingo mit Abstand. Es fischt geradezu nach Game of Thrones-Vergleichen. Allerdings spielt Britannia auch 50 n. Chr., und da gab es eben nichts anderes als Burgen, Ritter, Blut, Sex und Folter. Auf den Vergleich angesprochen, hob Hauptdarsteller David Morrissey den größten Unterschied dann auch hervor: “Nun, es hat den Matsch und den Dreck von Game of Thrones, aber es gibt keine Drachen. Außerdem ist Britannia in der Geschichte verwurzelt." Ganz im Gegensatz zum Fantasy-Edeltrash Game of Thrones.

Britannia

Trash ist auch Britannia, aber eben nicht Fantasy-Trash sondern History-Trash, wie schon Rom, Spartacus, Die Borgias und Vikings. Dem düsteren Mittelalter und allem davor ist wohl nur noch mit knalligem Trash beizukommen. Ungehemmt und ungestraft lässt sich hier Gewalt bestaunen und auch so mancher frauenfeindlicher Ritus. So war das halt damals. In rauen und wertfreien Räumen schreiben sich die Kampf-, Vergewaltigungs- und Sexzenen von selbst. Auch Britannia-Showrunner Jez Butterworth musste sie nur noch auflesen.

Als episches historisches Ereignis ist die zweite römische Invasion in Britannien jedenfalls nicht ernst zu nehmen und Britannia steht danach auch gar nicht der Sinn. "Verpisst euch wieder nach Rom", rotzt Cantii-König Pellenor (Star Wars-Imperator Ian McDiarmid) den verdutzten Invasoren entgegen wie ein gealterter Johnny Rotten. "Jetzt ist es ein Krieg!"

Die Anführer der Stämme kennen sowas wie englische Umgangsformen nicht und überhaupt ist Großbritannien noch längst nicht das, was es mal werden sollte. Die politisch unterentwickelten Stämme sind zerstritten. Der Grund des aktuellen Konflikts: Kerra, Prinzessin der Cantii, schnitt dem Prinzen der Regni in der alsdann tüchtig verhagelten Hochzeitsnacht den stramm erigierten Königsmacher "an der Wurzel" ab. Was soll man da noch sagen. Kein Wunder, dass der nächste Vermählungsversuch mit der Amputation der angebotenen Hand endet und Königin Antedia (Zoë Wanamaker, Madame Hooch aus Harry Potter) "auf die Seelen der toten Cantii scheißt", wie sie König Pellenor wissen lässt.

Die keltischen Stämme der Cantii und der Regni liegen sich also heftig in den Haaren. Während der römische Feldherr mit seinen Mannen auf Mother Britannia landet, beharken sie sich selbstvergessen gegenseitig. Um nochmal auf Game of Thrones zurückzukommen: Die Weißen Wanderer sind hier in Britannia schon längst angekommen, die Eroberten nur zu sehr miteinander beschäftigt, um es zu merken. Schon bald aber wird in den edlen Schlafgemächern für diplomatische Zwecke gefickt was das Zeug hält, um das Band zwischen den Stämmen wieder zu stärken, selbstredend. Nicht nur die Schlachtenszenen schreiben sich da von selbst, auch die Brexit-Vergleiche. Nur gemeinsam ist man stark im Kampf gegen die Bedrohungen von Außen. Klasse in den Trash-Sumpf bringt David Morrissey, der es vom The Walking Dead-Governor zum Befehlshaber einer 20.000-Mann-Armee gebracht hat und die Stämme mit weiser Hand einen will, vorher aber den tyrannischen Feldherren raushängen lässt. "Wo ich gehe, ist Rom", sagt sein Aulus Plautius, unter dessen Kommando 20.000 Römer nach Britannien strömen. Wirklich angekommen ist Aulus in Britannien aber erst, wenn er seine warme Notdurft auf dem fremden Grund und Boden verrichtet hat, erklärt er einem Soldaten ungefragt.

Aulus hat mächtig Bock auf das dunkle Britannien mit seinen Mythen, Monstern und Gruselgeschichten, vor dem Julius Cäsar einst Reißaus nahm, der feige Hund. Wie Aulus dem fremden, stinkenden, feuchten Land, nähert sich Britannia der Geschichte: vollkommen fasziniert von ihrem Pulp-Potential. Britannia ist so zu einem harmlosen Trash-Spaß geworden, der zu sauber ist, um sich von anderen Serien abzuheben, und zu profan, um zu Game of Thrones aufzuschließen. Wenn Britannia doch nur einen Schluck der bitteren Wehmut schlucken würde, die sich in ihrem Intro breitmacht ...

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"Histories of ages past - Unenlightened shadows cast - Down through all eternity - The crying of humanity", weint Donovan in dem Song zu Britannia. Das ewige Schreien der Menschheit unter dem Leid, das sie sich gegenseitig antut: Britannia will und könnte es uns spüren lassen. Das Traurige an diesen frühen Period-Pieces ist ja immer das Wissen, dass der zivilisierten Menschheit die schlimmsten Zeiten noch bevorstehen, was die ironische Vertrashung nur allzu verständlich macht.

Die ersten neun Episoden von Britannia sind bereits komplett und noch bis zum 17.05.2018 bei Sky Ticket  verfügbar.

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