Blutiger Western neu auf Netflix: Ein grandioser Tom Hanks glänzt als Heiliger in einer grausamen Welt

11.02.2021 - 17:00 UhrVor 3 Jahren aktualisiert
Tom Hanks in Neues aus der WeltBruce W. Talamon/Universal Pictures/Netflix
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In Neues aus der Welt beschützt ein knorriger Tom Hanks den Systemsprenger-Star Helena Zengel vor einer brutalen Welt. Den Western gibt es jetzt neu auf Netflix.

2019 hinterließ Helena Zengel mit ihrer Rolle eines wütenden, traumatisierten Kindes in Systemsprenger staunende Gesichter. Ein wenig wirkt es, als wollte Neues aus der Welt das Erfolgskonzept jetzt einfach in den Wilden Westen verlegen. Parallelen gibt es genug.

Aber dank einem grandiosen Tom Hanks und einer treffend düsteren Welt lohnt sich der seit heute bei Netflix verfügbare Western dennoch. Offenbar hat Captain Phillips-Regisseur Paul Greengrass den Schauspieler wieder zu Höchstleistungen angespornt.

Systemsprenger 1870 auf Netflix: Darum geht's in Neues aus der Welt

Der Süden der USA kurz nach dem Bürgerkrieg: Die Vereinigten Staaten von Amerika machen ihrem Namen nach der schweren Wunde des Bruderzwistes keinerlei Ehre. Ex-Offizier Captain Kidd (Tom Hanks) sieht das an allen Ecken seiner südstaatlichen Heimat.

Tom Hanks als vom Krieg gezeichneter Reisender

Wenn er als Vorleser nationaler und regionaler Zeitungsnachrichten durchs Land reist, spürt er den Unmut und schwelenden Hass einer hartarbeitenden Bevölkerung jeden Abend.

Tom Hanks als Vorleser

Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Menschen durch Neues aus der Welt aufzuheitern und zu bilden. Captain Kidd will ihnen dadurch eine Alternative zu Brutalität und Blutvergießen zeigen. Als er in den Überbleibseln eines rassistischen Massakers auf die junge Johanna (Helena Zengel) trifft, wird dieser Anspruch plötzlich sehr persönlich.

"Systemsprenger" Helena Zengel als traumatisierte Waise

Das Mädchen ist bereits zum zweiten Mal Waise: Nachdem amerikanische Ureinwohner ihre Familie getötet und Johanna entführt haben, wuchs sie in deren Mitte als Familienmitglied auf. Aber auch diese Familie ging ihr verloren, als das US-Militär ihr Dorf überfiel und das junge Mädchen "befreite".

Zunächst weiß Kidd nicht, wie er mit ihr verfahren soll: Das von Wut und Verzweiflung traumatisierte Kind reagiert auf seine Annäherungsversuche mit Angst und kann sich nur in der Sprache der Kiowa verständigen. Niemand fühlt sich für sie zuständig, aber der ruppige Veteran fasst einen beherzten Plan.

Reise durch ein gnadenloses Land

Gemeinsam unterwegs: Johanna und Captain Kidd

Er wird sie über 400 Meilen selbst zu ihren nächsten lebenden Verwandten bringen, einer Gruppe deutscher Einwanderer. 400 Meilen voller blutdurstiger Banditen, wütender Ureinwohner und einem zerrissenen Land brutaler Gesetzlosigkeit. Und genau hier zeigt sich, warum Neues aus der Welt mehr ist als ein Western nach Schema F.

Darum lohnt sich Neues aus der Welt auf Netflix: Tom Hanks als Licht in der Dunkelheit

Viele deutschsprachige Fans dürften Neues aus der Welt wegen Helena Zengels Leistung in Systemsprenger schauen wollen. Ihre Darstellung der neunjährigen Benni, die durch unberechenbares, aggressives Verhalten als titelgebender "Systemsprenger" durchs soziale Netz zu fallen droht, ist brillant.

Ihrer durchaus ähnlichen Rolle in Neues aus der Welt widmet Zengel dieselbe Hingabe. Für die Wirkung des Films ist sie hier aber nicht allein verantwortlich. Es sind insbesondere Tom Hanks' Rolle und die unterschwellig brodelnde Atmosphäre, die den Film tragen. Regisseur Paul Greengrass gelingt die packende Darstellung einer düsteren Welt.

Eine Gesellschaft voller Gewalt

Von der gelangweilten Indifferenz der Besatzer aus den Nordstaaten zur überall hervorbrechenden Wut der vom Krieg gezeichneten Bevölkerung; von den widerwärtigen Banditen, die Johanna von Kidd wie eine Ware kaufen wollen, zu den traurigen Ureinwohnern, die überall das Ende ihrer Zeit spüren und als geisterhafte Erscheinungen durch den Film driften: In diesen Vereinigten Staaten gibt es keine Gnade.

Kidd und Johanna müssen in einer gnadenlosen Welt überleben

Egal ob Ex-Soldaten, deutsche Einwanderer oder entwurzelte Ureinwohner: Hier verzweifeln die Menschen an ihrem Schicksal. Aber in diese Dunkelheit der kollektiven Seele stellt sich ein großartiger Tom Hanks wie ein bescheiden, aber beständig flackerndes Licht.

Tom Hanks heilt Helena Zengel und die USA gleich mit

Hanks Rolle Kidd klebt diese Verfeindeten Staaten wieder zusammen, er hält ihnen im Petroleumschein der abendlichen Lesungen die Wunder der Welt vor Augen, ersetzt Wissen mit Ignoranz und Feindseligkeit durch Menschlichkeit.

Hanks in der Rolle des bescheidenen Humanisten ist nicht neu. Der Figurentyp ist so etwas wie sein Steckenpferd. Aber in Neues aus der Welt läuft er darin zur Höchstform auf und verleiht dieser Welt dadurch Glaubwürdigkeit.

Der gebrochene Kriegsveteran als sorgsamer Pfleger einer Nation gibt deren Ängsten und Sorgen Tiefe. Die Chemie zwischen Hanks und Zengel trägt den Film. Allein wegen den Hauptfiguren lohnt sich Neues aus der Welt bereits: Wir spüren ihren ständigen Kampf gegen die Dunkelheit.

Podcast zum Film: Wie gut ist Neues aus der Welt bei Netflix?

Unsere Kollegen von FILMSTARTS diskutieren in der neuen Folge ihres Podcasts über den wunderschönen Roadtrip durch den Wilden Westen, der ins Kino gehört hätte (obwohl er so manche Schwäche hat).

Moderator Sebastian Gerdshikow hat diese Woche zu Gast: Chef-Kritiker Christoph Petersen und Redakteur Julius Vietzen.

Werdet ihr euch Neues aus der Welt anschauen?

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