Die Berlinale hat schon immer den Spagat versucht: Auf der einen Seite ein Programm voll mit politischem Kino, der Film als moralische Anstalt und an den Brennpunkten der Welt. Auf der anderen Seite das Kino als Unterhaltung, als Traumerfüllung und Industrie mit Glanz- und Glamourfaktor. Und auch dieses Jahr bei der 59. Ausführung des Berliner Filmfestivals wird es wohl nicht anders sein.
Da hätten wir im Internationalen Wettbewerb einige Polit-Thriller, die sich an der großen Zeit des Genres orientieren und auf die aktuellen Probleme schauen. Zum Beispiel Sturm des deutschen Regisseurs Hans-Christian Schmid, der sich mit Kriegsverbrechen in Bosnien und der Verurteilung der Verbrecher beim europäischen Gerichtshof in Den Haag beschäftigt. Dort ist nicht alles gut, was glänzt. Oder der andere deutsche Regisseur Tom Tykwer, der mit The International den Film zur Bankenkrise liefert und zeigt, dass das Menschenrecht in den Augen so mancher Anzugträger zu verachten ist. Auch der dänische Beitrag Kleiner Soldat beschäftigt sich mit Menschenhandel, Prostitution, Soldaten im Auslandseinsatz: Viele Themen für einen Film, aber mal sehen, wie er diese präsentiert.
Und dann gibt es viele Beziehungsdramen. Die Regisseurin Maren Ade bietet ein solches mit Alle Anderen. Ein Paar, dessen Beziehung unter große Spannung gerät, weil Männer und Frauen anders lieben. Oder der Franzose François Ozon, so wie so ein Experte des Beziehungskinos, bringt mit Ricky – Wunder geschehen einen Familienfilm in den Wettbewerb, in dem ein Kind die Liebe zweier Menschen noch befördert. Im Liebesfilm Chéri – Eine Komödie der Eitelkeiten des Briten Stephen Frears geht es um das Paris der 1820er Jahre, um Kurtisanen und abgesprochene Ehen, um eine tragische Liebe. In Happy Tears schildert Regisseur Mitchell Lichtenstein das Leben zweier Schwestern, die sich um ihren kranken Vater kümmern. Regisseurin Sally Potter bringt Rage mit nach Berlin, eine schwarze Komödie, in deren Zentrum die New Yorker Modewelt steht.
Die Jury um Tilda Swinton hat also wieder einmal die Qual der Wahl und muss sich irgendwie entscheiden. In den letzten Jahren siegten mehrfach politische Filme. Morgen beginnt die 59. Berlinale und nach 10 Tagen werden wir wissen, wie der Stand der Dinge ist.