Ben Affleck - Er muss einfach Batman bleiben

15.08.2017 - 12:45 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Ben Affleck als BatmanDC/Warner
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Erst war es unvorstellbar, dass Ben Affleck Batman wird, nun, dass er es nicht mehr sein könnte. Mittlerweile teilen beide Figuren ihre Größe und ihren Weltschmerz.

Da steht er, pummelig wie Godzilla, neben seinem Batmobil. Wie ein Geschäftsreisender mit Autopanne auf dem Standstreifen, kurz bevor er unter strohhalmlangen Regenstreifen das Warndreieck aus dem Bat-Kofferraum angelt, den Kopf gesenkt, der schwarzweiße Nebel als Dunst dicken heroischen Weltschmerzes. Könnten die spitzen Fledermausöhrchen Gefühle ausdrücken, so wären sie geknickt. Dieses schattige Bild war lange das einzige, das von Ben Affleck als Batman existierte, und so wurden die Nachrichten rund um den dunklen Ritter, der seiner Einführung in Batman v Superman: Dawn of Justice harrte, eben durchgängig mit ihm bestückt. Von vorneherein war Ben Afflecks Batman von tiefer Dunkelheit und Traurigkeit erfasst. Gegenwärtig muss Affleck aufkommende Zweifel an seinem Fortbestehen als Batman wegjubeln und in der Rolle des Massenunterhalters, die ihm nicht steht, rückversichern, dass alles bleibt, wie es ist.

Warner

Es gab mal eine Zeit mit Nachrichten wie "Christian Bale gibt Ben Affleck Tipps", da gewöhnten sich die Film- und Comicfans noch widerwillig an die Vorstellung, Ben Affleck würde Batman spielen. Ben Affleck stemmte sich trotzig gegen die Ressentiments, obschon er von dem Gegenwind nie wirklich überrascht schien. Öffentliche Shitstorms ist er seit dem Ende seiner langen Kevin Smith-Phase gewohnt. Nicht mal den Erfolg von Good Will Hunting, gleichzeitig sein erster von vielen Boston-Filmen, wollten man ihm gönnen, geschweige denn zutrauen . Als Batman fühlt er sich endlich geborgen, geschützt, er war angekommen. Batman war für Affleck zugleich Berufung und Zuflucht. Der saure Regen vom Himmel des Unmuts prasselte jetzt auf eine harte schwarze Rüstung.

Die negativen Stimmen kamen ohnehin meist von denen, die gar nicht bemerkt hatten, dass da mit Ben Affleck in den letzten Jahren eine stattliche Hollywood-Persönlichkeit herangewachsen war. An Daredevil erinnerten nur noch unverbesserliche Pessimisten. Filmfans und Kritiker dankten ihm lieber für reife Werke wie Gone Baby Gone und The Town. Die schlimmen Pearl Harbor-Jahre waren vergessen. Ins ehedem allzu glatte All American-Guy-Gesicht gruben sich schmeichelnde Falten. Das Ben Affleck-Antlitz war mal die Hollywood-Version einer Osterinselfigur, jetzt ist es immer noch kantig und gefühlt zu lang, es wirkt aber weicher, alles sank mit den Jahren ein paar angenehme Millimeter herab, lebensweise Augenringe bildeten sich und über den Schläfen sprossen Graustoppeln. Als hätte er sich zu lange an George Clooney gerieben. 2015 wurde Affleck dann auch cineatische Absolution gewährt, das Goldene Himbeere-Komitee gestattete ihm, den Razzie, den er für Gigli kassiert hatte, zurückzugeben. Der Oscar für Argo öffnete ihm gleichzeitig Türen, brachte ihm intellektuelles Charisma ein und sogar politischen Einfluss.

Ben Affleck rauschte aus dem Flow in die Bat-Cave, der 1,91 große Fels sollte erst wieder zum Stehen kommen, wenn er die kompletteste Schauspielherausforderung gerockt hatte, die sich einem männlichen Filmstar derzeit darlegt. Er war in der Mitte des Lebens und der Blüte des Schaffens. Die Branche war ihm gewogen, Affleck ergriff seine Chancen mit Gewissenhaftigkeit und Ernst. Er bewies Gespür dafür, dass Dinge auf dem Spiel stehen für das Studio und die Fans, wenn er Batman spielt.

Gone Girl

Kurz nachdem das Batman-Casting bekannt wurde, wurde Ben Affleck zu groß für die normalen Parts, die er sonst noch so spielte. Trish Summerville, die Kostüm-Designerin bei Gone Girl, musste Ben Affleck ein wenig bremsen, als er im Herbst 2013 wie ein Wilder trainierte, um sich für Batman in Form zu bringen. Sie fürchtete , Affleck würde die Linien der Figur sprengen, Buchvorlage und Film sahen einen schlankeren, natürlicheren Körperbau vor. "Ich versuche, ihn in der Größe zu halten, in der er sich gerade befindet, bis er hier fertig ist."

Aber Ben Affleck verstand, was es bedeutet, Batman zu spielen: "Wir wussten, die Vorbereitung würde herausfordernd sein. Wenn das Publikum glauben sollte, dass ich im Kampf eine Chance gegen einen Superhelden habe, musste ich körperlich auf eine Stufe mit Henry Cavill kommen." Über die schauspielerischen Erfordernisse einer Figur wie Batman und ihre Bedeutung für die amerikanische Popkultur ist er sich im Klaren. Eine kluge Einschätzung  der Batman-Tragweite hatte Affleck ein halbes Jahr vor B v S parat. “Batman ist im Grunde die amerikanische Version von Hamlet”, sagte er und erläuterte:

Er ist am Ende eines Marathons und vielleicht am Ende seines Lebens. Da ist so eine Art Weltmüdigkeit an ihm. [...] Er ist kurz davor, verschluckt zu werden von Wut, und der Zorn jagt ihn [...]. Aber dieser Typ hat diese Linie überschritten und er ist noch verbitterter und zynischer geworden.

Die Trolle, die die Goldenen Himbeeren vergeben, haben einen Sinn dafür, Salz in offene Wunden zu streuen. Dreimal wurde B v S dieses Jahr ausgezeichnet, einmal traf es Affleck direkt. Er teilte sich den Preis für die Schlechteste Leinwand-Combo mit Superman Henry Cavill. Neben Cavill saß Ben Affleck auch, als sich entweder ein Moment trüber Abwesenheit oder aber großer Traurigkeit ereignete . Die Szene in der Ben Affleck und Henry Cavill von einem Journalisten mit den ersten, negativen Reaktionen zu B v S konfrontiert wurden, war die, in der Afflecks Batman-Flow, zumindest in der Öffentlichkeit, ins Stocken geriet. Affleck wirkte verbittert, zynisch, in seinen größten Hoffnungen enttäuscht. Als hätte ihm jemand eigenhändig das Cape von den breiten Schultern gerissen.

An seiner wieder aufgebrochenen Alkoholkrankheit  wird festgemacht, dass Ben Affleck zwei der drei Funktionen beim Batman-Film abgibt, zu denen er sich mit großem Eifer bereit erklärt hatte, als das DCEU noch jung und unschuldig war. Zudem wickelte Affleck zuletzt die Trennung von seiner jahrelangen Ehefrau Jennifer Garner ab. Die Ausgestaltung und Inszenierung bei The Batman ist er nun los, die Hauptrolle bleibt ihm noch, aber selbst die steht auf wackligen Füßen. Angeblich soll die Batman-Figur verjüngt werden. Aber was würde das bringen?

Ben Affleck muss Batman bleiben. Welche Rolle bleibt ihm denn noch? Sein letzter Kinofilm Live By Night scheiterte auch an der Auffassung, eine typische Mobster-Geschichte auf Hamlet-Niveau spritzen zu müssen. Mit seltsamen Kontemplationen des dräuenden Scheiterns und einem lächerlichen Pathos umzeichnete Affleck seine Figur. Die einzige gegenwärtige Kinofigur, der dieser Pathos steht, ist Batman.

Justice League

Kein großer Schauspieler litt in den letzten Jahren so schön wie Ben Affleck, nur Keanu Reeves vielleicht. Große Hollywood-Männer litten schon immer. Cary Grant verbarg über Jahrzehnte ein Kindheitstrauma und rettete sich erst zur Mitte seines Filmstarseins mit einer LSD-Therapie . Auch Ben Affleck ist so ein unübersichtlicher Filmstar, und damit derzeit wohl der einzige komplette auf diesem Niveau. In einer Zeit, in der alles Erregende im ständigen Neuigkeitsfluss abgefedert wird und vom Social Media-Rauschen übertönt und minütlich verwaltet wird, explodieren um Ben Affleck herum die Skandale ganz altmodisch , auch weil sie uns wirklich interessieren, sie ein Personenbild vervollständigen und verdoppeln und nicht bloß bunt ausmalen.

Ben Affleck hat eine komplexe Identität, die er verwalten muss wie Bruce Wayne. Deswegen wäre es so unvorstellbar tragisch, würde Affleck seinen Batman aufgeben. Beide Figuren teilen ihre Größe und ihren Weltschmerz. Auch Affleck umgibt eine Aura des Verfolgten und des Heldenhaften. Die Weltmüdigkeit, die er Batman zuschreibt, lesen wir ebenso in Ben Affleck. Und während Jared Leto seine Joker-Rolle verzweifelt mit mystischer Bedeutsamkeit zu füllen suchte, ihr eine James Dean-artige Tragik angedeihen ließ, musste Ben Affleck nichts weiter tun, als sein Leiden aufzunehmen, abzuwehren, wegzustecken, wegzujubeln.

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