Barney Stinson aus How I Met Your Mother ist der gefährlichste Sitcom-Charakter unserer Zeit

13.03.2022 - 10:30 UhrVor 1 Jahr aktualisiert
Neil Patrick Harris als Barney mit dem Rest der Gang in How I Met Your MotherCBS
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Wenn eine Figur stellvertretend für den Erfolg von How I Met Your Mother steht, dann Barney Stinson. Doch nicht nur die Sprüche von Neil Patrick Harris’ Kultcharakter sind schlecht gealtert.

Fast 15 Jahre ist es her, dass die Kultserie How I Met Your Mother zum ersten Mal in Deutschland lief und innerhalb kürzester Zeit zum Erfolg wurde. Das, was früher der Tatort war und später Game of Thrones werden sollte, waren die Abenteuer von fünf chaotischen Freund:innen in New York für viele junge Erwachsene am Ende der 2000er: ein popkulturelles Ereignis, dem sich niemand entziehen konnte.

Auch wenn Ted Mosbys Suche nach der zukünftigen Mutter seiner Kinder im Mittelpunkt stand, kristallisierte sich ziemlich schnell der wahre Star der Show heraus: Barney Stinson (Neil Patrick Harris). Ein One-Liner abfeuernder Womanizer im Designer-Anzug, der komplexe Pläne entwirft, um immer neue Frauen flachzulegen. Und mitverantwortlich für den Erfolg einer gefährlichen Bewegung, die wir bis heute nicht richtig losgeworden sind.

How I Met Your Mother und Barney Stinson machen Pick-Up Artists gesellschaftsfähig

Damit wir uns da nicht falsch verstehen: Pick-Up Artists gab es schon vor How I Met Your Mother: Selbsternannte Beziehungs-Coaches, die zwischenmenschlich weniger erfolgreichen Männern beibringen wollen, wie man Frauen ins Bett kriegt. Das fängt bei bewusster Manipulation an und hört für manche Vertreter nicht einmal bei Gewalt auf. Durch die Sitcom, die in den USA ab 2005 lief, kam diese Art der Dating-Industrie aber erst in der Mitte der Gesellschaft an.

How I Met Your Mother - S07 E03 Clip Ducky Tie (English) HD
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Plötzlich ist es auch abseits kruder Online-Communities absolut in Ordnung, Frauen auszutricksen, anzulügen und zu manipulieren. Immerhin macht der beliebte, witzige Typ aus der Kultserie, die von einer ganzen Generation geschaut wird, in fast jeder Folge nichts anderes. How I Met Your Mother bereitet damit den Boden für übergriffiges Verhalten, das nicht im Comedy-Kontext stattfindet.

Das Buch Die perfekte Masche, das sich ebenfalls mit Aufreißtipps und der Pick-Up Kultur auseinandersetzt, wird zum Verkaufs-Hit. Wenig später startet mit The Pickup Artist das erste Reality-Format zum Thema im Fernsehen.

Vom Bro Code bis zum Playbook: How I Met Your-Macher machen Geld mit sexistischen Dating-Tipps

Auch die Sitcom-Verantwortlichen schlagen abseits der Serie Profit aus dem Hype um Barney Stinson. Drehbuchautor Matt Kuhn veröffentlicht gleich zwei Bücher im Namen des Sitcom-Charakters. Beide werden auch in Deutschland zu Bestsellern. Der Bro Code wird als eine Art Bibel der neuen Männlichkeit vermarktet. Eine Welt, in der Frauen eher nerviges Beiwerk als gleichwertige Menschen sind. Eines der bekanntesten Beispiele für die Regeln des Bro Codes: "Bro’s before Ho’s"  [sic!].

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Auch Das Playbook basiert auf konkreten Szenen aus der Serie und will "75 perfekte Maschen vom Kult-Aufreißer" vermitteln. Unter anderem "Don’t Drink That", eine Anleitung dazu, wie man sich als Held darstellt, in dem man eine Frau davor warnt, dass angeblich jemand Drogen in ihr Getränk getan hätte.

Für die einen schon damals eine abstoßende Art, die Angst vor einer Vergewaltigung zu seinem eigenen Vorteil zu nutzen. Für andere die perfekte Manipulationsanleitung, die sie anschließend in Clubs oder Bars ausprobieren. Warum sollte das moralisch fragwürdig sein? In der Serie haben schließlich alle gelacht!

Wie How I Met Your Mother versucht, die Frauenfeindlichkeit seines beliebtesten Charakters zu rechtfertigen

Es gibt gute Gründe, Barney Stinson zu lieben. Er ist witzig, loyal und hat die mit Abstand unterhaltsamsten Storylines. Slapsgiving, der Streit um die Entchenkrawatte oder die satirische Aufarbeitung der New Yorker Finanzwelt – alles nicht möglich ohne den Star Wars-Nerd im Anzug. Umso trauriger ist es, dass er von vielen nicht trotz, sondern wegen seiner Frauenfeindlichkeit geliebt wird. Für Barney sind Frauen Objekte, vor allem in den frühen Staffeln, die er sammelt, auflistet und bewertet, um sein Ego zu pushen. Ein Verhalten, das die Show bewusst als unterhaltsam inszeniert und immer wieder rechtfertigt.

Der Ursprung seiner Haltung wird in der ersten Staffel in der Episode "Spieleabend" durch das Scheitern seiner ersten Beziehung erklärt. Barneys Herz wurde gebrochen, also ist er furchtbar zu allen Frauen. Er will keine Gefühle mehr zulassen, weil er Angst hat, sonst wieder verletzt zu werden. Seine längeren Beziehungen mit Robin, Nora und Quinn zeigen, dass er eigentlich eine von Ängsten verfolgte Figur ist, die scheinbar nichts mehr fürchtet als die Einsamkeit.

Barney soll als traumatisierte Figur wahrgenommen werden und seine Witze somit eine Rechtfertigung finden. Seine Origin-Story wird später durch einen Vaterkomplex vertieft, der ausführlich in der 19. Folge der sechsten Staffel ("Legendaddy") herausgearbeitet wird.

Liebenswertes Arschoch oder Vorbild von Frauenfeinden: Was bleibt von Barney Stinson?

How I Met Your Mother - S09 E24 Clip Barney meets his daughter (English) HD
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Komplizierte, vielschichtige Charaktere sind für eine gute Erzählung wichtig. Wenn sich jede Serienfigur immer richtig verhält, gibt es keine Reibung. Ohne Barney wäre How I Met Your Mother mit Sicherheit nicht so erfolgreich geworden und wahrscheinlich auch ziemlich langweilig. Wenn man der Serie etwas vorwerfen kann, ist es also nicht, dass Barney existiert. Sondern wie seine Manipulationen und sein Verhalten gegenüber Frauen eingeordnet und vermarktet wird.

"Es gibt nicht viel, was wir da im Nachhinein machen können", sagte Neil Patrick Harris  vergangenes Jahr über die Kritik an seiner ikonischen Rolle, die ihm mehrere Emmy-Nominierungen einbrachte.

Die 9 Staffeln, in denen wir an der Show gearbeitet haben, waren von positiver Energie geprägt. Wir hatten zu keiner Zeit schlechte Absichten.

Das mag stimmen. Trotzdem: Die Sitcom versuchte einerseits halbherzig, sein Verhalten als Ergebnis traumatischer Erfahrungen zu rechtfertigen und dadurch eben als nicht gesund. Gleichzeitig verdienten die Verantwortlichen Geld damit, dieses nicht gesunde Verhalten als ultimative Verhaltenstipps an Serienfans und unsichere Männer zu verkaufen.

Die Glorifizierung von Manipulation, Übergriffigkeit und der stellenweisen Entmenschlichung des weiblichen Geschlechts trug dazu bei, eine Industrie zu normalisieren, die sich in den folgenden Jahren immer mehr radikalisierte . Dadurch ist Barney Stinson nicht nur einer der beliebtesten und unterhaltsamsten Sitcom-Charaktere aller Zeiten, sondern wahrscheinlich auch der Gefährlichste.

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Wie steht ihr heute zum Fankult um Barney Stinson?

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