1912 - Wie der Film dem Licht nachjagte

04.10.2011 - 08:50 Uhr
Markante Momente: 1912 - Wie der Film dem Licht nachjagte
Studio Babelsberg / moviepilot
Markante Momente: 1912 - Wie der Film dem Licht nachjagte
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Es war vor 100 Jahren, als Guido Seeber durch den Süden Berlins wanderte, um ein geeignetes Gelände für ein Filmatelier zu finden. Das Licht hatte es ihm dabei besonders angetan.

Licht! Licht! Licht! Danach schrie der deutsche Filmpionier Guido Seeber, seines Zeichens Kameramann, Erfinder, Techniker, Autor, Regisseur. Film ist Licht, jedenfalls war es vor knapp 100 Jahren so und das Atelier in der Chauseestrasse 123 in Berlin, in welchem er als Technischer Leiter mit seiner Deutschen Bioskop-Gesellschaft Filme drehte, war viel zu klein (gerade einmal 11 × 12 m groß), viel zu dunkel (das Glasdach war deutlich kleiner) und viel zu laut. Es gab wenig Tageslicht und so mussten die Filmemacher auf künstliches Licht zurückgreifen. Aber das waren kleinere Probleme, die sich zum Beispiel mit einigen unförmigen Quecksilberdampflampen lösen ließen. Es war die Berliner Bürokratie, die größere Geschütze auffuhr. Die Feuerpolizei war auf die zahlreichen Filmateliers in der Berliner Innenstadt aufmerksam geworden, weil hier viel brennbares Material lagerte und ein Brand in den bevölkerungsdichten Gegenden verheerende Folgen haben würde. Durch den Ärger mit der Feuerwehr wuchs das Bedürfnis nach einem neuen Ort, wo die jungen Filmenthusiasten ihre Werke abkurbeln konnten, am besten still gelegen, mit viel Sonnenschein.

Guido Seeber zog es in den Süden von Berlin. Er suchte gezielt in der Nähe der Eisenbahn, denn immerhin wollten die kommenden Filmstars und Angestellten Berliner bleiben, schnell zur Arbeit fahren und nicht in der brandenburgischen Provinz versauern. Er fand Neu-Babelsberg und in dem aus einigen Landhäusern bestehenden Ort das Grundstück einer Futtermittelfabrik, stillgelegt, verwildert, baufällig. Früher einmal diente die Anlage zur Fabrikation von künstlichen Blumen und irgendwie muss Magie im Spiel gewesen sein, denn Guido Seeber war begeistert: Der Ort war hervorragend geeignet. Das Gelände war weitläufig und frei, niemand störte … und überall war Licht, Licht, Licht. Niemand braucht hier künstliches Licht! Das Grundstück wurde schnell gekauft und der technische Leiter beauftragt, ein Atelier zur Filmfabrikation dort hinzustellen.

An das alte Gebäude wurde ein neues angebaut, das “Glashaus”, das erste ebenerdige Filmatelier Deutschlands, das weltweit älteste Groß-Atelier. Für damalige Verhältnisse war das Glashaus riesig. 15 × 20 m und da die Filmwirtschaft schon zu Urzeiten ein schelllebiges und risikoreiches Geschäft war, wurden die Eisenteile nicht vernietet, sondern verschraubt. Möglicherweise ginge die Firma pleite oder der Mietvertrag würde gekündigt und so wollte das Studio das Atelier schnell auf- und abbauen können. Zusätzlich dazu sahen die Filmemacher im Innenraum überhaupt kein Eisen, denn alle Eisenkonstruktionen wurden nach außen gelegt. Große Schiebetüren machten es möglich, das Außengelände für die Filmaufnahmen mitzunutzen. Außerdem war das Atelier in der Mitte 6 m hoch und das Glasdach erstmals nicht mit zusammengekitteten Glasscheiben, sondern mit einer Spezialverglasung versehen. Moderneres gab es damals in ganz Europa nicht, auch wenn sich Guido Seeber mit dem Licht irrte: Der Himmel war auch über Babelsberg bedeckt und so wurde bald auch eine künstliche Lichtanlage eingebaut.

Im Februar 1912 wurde der erste Film im nagelneuen Atelier gedreht. Eine Filmstadt war geboren, denn kurze Zeit später gab es neben Büro-, Requisite- und Gardrobenräumen auch eine Kopieranstalt. Schon im nächsten Jahr wurde zusätzlich Gelände erworben, ein zweites Atelier gebaut und viele Flächen für größere Aufbauten genutzt, etwa für einen halben Zirkus, der zehn Jahre treue Dienste tat oder eine arabische Straße, die in vielen Stummfilmen immer wieder auftauchte.

Das Studio Babelsberg ist heute mehr als 25.000 m² groß und beherbergt 16 Studios. Es hat fünf politische Systeme überstanden und ist – dank Guido Seeber – zu einem wahren markanten Ort der Filmgeschichte geworden.

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