Zum 70. Geburtstag von Comedy-Legende Steve Martin

14.08.2015 - 14:15 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Steve Martin mit (falscher) Nase
Columbia TriStar
Steve Martin mit (falscher) Nase
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Am 14. August 1945 erblickte Steve Martin das Licht der Welt, dessen künstlerische Vielseitigkeit zum Staunen und dessen Komödien zu Lachsalven anregen.

Steve Martin sieht so normal aus, dass es etwas Eigentümliches hat. Das Norm in "normal" verweist in diesem Zusammenhang natürlich auf das gängige westliche Bild absoluter Durchschnittlichkeit, wie es in jenen Jahrzehnten, in denen Martin seine größten Erfolge feierte, aufzubrechen begann. Wären bei seinen Stand-ups nicht die Hasenohren oder der falsche Pfeil im Kopf gewesen, hätte ein Zuschauer der späten 1970er den Mann da oben auf der Bühne für einen Vertreter oder Buchhalter gehalten. Einen Vertreter oder Buchhalter vielleicht, der bei einem Betriebsausflug nach Las Vegas zu tief in sein schales Bier geguckt hat und sich in einem knallweißen Anzug vor Tausenden Fremden wiederfindet. Für Steve Martin, der heute seinen 70. Geburtstag feiert, wurde diese augenscheinliche Fadheit zur Quelle seines komödiantischen Genies. Als Stand-up und in seinen Komödien spielte er mit der extremen Exzentrizität unter den früh ergrauten Haaren, bevor er in L.A. Story und Ein Ticket für Zwei dem Durchschnittsbürger ein empathisches Denkmal setzte.

Betreten auf eigene Gefahr
Eine meiner Lieblingsgeschichten  über Steve Martin ist folgende: Vor ein paar Jahren sollte der in Waco, Texas geborene Martin in einem Kulturzentrum an einem öffentlichen Gespräch mit einer New York Times-Kolumnistin teilnehmen. Es ging um seinen jüngsten Roman An Object of Beauty, der in der Kunstwelt spielt. Besagte Journalistin und besagte Comedy-Legende nahmen es sich heraus, vor den 900 zahlenden Gästen en detail über das Buch und die Natur der Kunst zu reden, anstatt Fragen und Antworten über ¡Drei Amigos! und Im Dutzend billiger auszutauschen. Und das in einem Kulturzentrum! Besagtes Zentrum entschuldigte sich hinterher bei den Zuschauern für den "enttäuschenden" Abend und bot ihnen an, ihr Eintrittsgeld zu erstatten. Martin selbst räumte in einem Artikel  bei der Times mögliche Fehler seinerseits ein, auf seine unnachahmliche Art zeigte er sich jedoch widerspenstig. Ein bisschen mehr Respekt und Geduld für die trockene Diskussion - und er hätte sein Buch vielleicht vorgesungen.

Steve Martins Filmkarriere gleicht in den letzten Jahren schließlich der Pflichtübung eines Mannes, dessen viele Interessen sich in eine andere Richtung verlagert haben. Romane, Memoiren und Theaterstücke füllten die vergangenen 15 Jahre neben Filmen wie Der rosarote Panther oder Haus über Kopf - Betreten auf eigene Gefahr aus. Zuletzt veröffentlichte Martin ein Buch mit seinen kuratierten Tweets und den unterhaltsamen Antworten seiner Follower sowie mehrere Bluegrass-Alben. Der passionierte Banjo-Spieler hat zwischen 1978 und 2014 fünf Grammys gewonnen. Nur zwei davon gab es für Comedy-Alben.

Die Kunst der Unterbrechung
Wie eng verzahnt Comedy und Musik auch in Steve Martins Karriere sind, lässt sich schon seinen Stand-ups ansehen. Obwohl ihm sein Durchbruch auf der Bühne erst spät gelang, darf er ab Mitte der 70er Jahre neben Richard Pryor und George Carlin problemlos zu den wichtigsten Comedians seiner Zeit gezählt werden. Das Banjo gehörte schon damals zur Ausstattung und es vertrug sich hervorragend mit der singsangartigen Diktion seiner teils absichtlich pointenfreien Monologe. Einem mit rhythmischen Pausen in die Länge gezogenem Satz des Philosophie-Absolventen über die Bedeutung von Wörtern und deren Ausdruckskraft schließt sich ein überhastetes Lallen ins Mikro an, als hätte jemand den Redner in Sekundenschnelle lobotomisiert. Ein herrlich komischer Effekt entsteht da im Zusammenprall des Intellektuellen und des tumben "Jerks", wie Martins Kultkomödie Reichtum ist keine Schande im Original heißt. Seinen Durchbruch beförderten neben Stand-up-Auftritten in der Tonight Show von Johnny Carson schließlich auch seine Gastgeber-Engagements bei Saturday Night Live. Wo der Mann, der stundenlang über seine Kunstsammlung reden kann, in einem billigen Ägypter-Kostüm seinen legendären Funk-Song King Tut  zum Besten gab.

1981 beendete Steve Martin seine erfolgreiche Stand-up-Karriere, deren Vielseitigkeit wohl am besten auf dem Album A Wild and Crazy Guy zu erfahren ist. "Ich verlor den Kontakt mit dem, was ich tat", schrieb Martin in seinen Memoiren, "ich ging in meinen Umkleideraum, öffnete meinen abgenutzten schwarzen Koffer fürs Zubehör und packte meinen Zaubererkram rein, während ich noch dachte, dass ich ihn eines Tages öffnen und sentimental hineinsehen würde, was ich, ohne besonderen Grund dafür, nicht getan habe." In den 50er Jahren hatte Steve Martin seinen ersten Job als Jugendlicher in Disneyland gefunden, Startschuss einer Unterhaltungskarriere altmodischen Zuschnitts: Er lernte die Tricks der Zauberei und Illusion. Er erarbeitete sich das physische Timing, das einen Comedy-Autor im Zweifelsfall von einem Comedy-Darsteller unterscheidet. In seinen Stand-ups kam ihm der fließende Wechsel zwischen hintersinnigem Witz und Clownereien zugute, als er ein größeres Publikum erreichte. Im Kino machte es ihn endgültig zum Star.

Epiphanie
In Reichtum ist keine Schande, seinem ersten Film mit Regisseur Carl Reiner, schrieb er sich die Rolle eines einfältigen Landeis auf den Leib, das die Außenwelt à la Willkommen Mr. Chance viel zu spät entdeckt und - anders als Chauncey Gardiner - auf die dämlichste nur denkbare Weise reagiert. Pure Dummheit war selten so lustig wie in der Attentatsszene in der Tankstelle: Auf Martins Navin wird geschossen, was dieser eine ganze Weile nicht kapiert, um dann in einer Epiphanie ein schockiertes "He hates these cans!" auszustoßen. Gemeinsam mit Reiner, der früher mit Mel Brooks gearbeitet und sich wie dieser der Farce verschrieben hatte, drehte Martin auch die Noir-Collage Tote tragen keine Karos, Der Mann mit den zwei Gehirnen und Solo für Zwei.

Kaum zu glauben ist heute der Lauf, den Steve Martin in den 80er und frühen 90er Jahren hatte, bevor sich die Remakes von Komödienklassikern durchsetzten, bissige Ausreißer wie Bowfingers große Nummer einmal außen vor gelassen. Neben den Reiner-Klassikern drängen sich da vor allem Roxanne, L.A. Story und Ein Ticket für Zwei auf, die einen zurückgenommenen Martin in (b)romantischen Verwicklungen zeigten. John Hughes' Roadmovie Ein Ticket für Zwei, wohl Martins bester Film, bei dem er nicht das Drehbuch verfasste, stellte ihm John Candy zur Seite. Als zynischer Anzugträger nähert sich Martin im Vergleich zu den klamaukig überzeichneten Reiner-Figuren hier wieder der Norm an, für die sein Gesicht so perfekt geschaffen schien. Nur um im Kontakt mit Candys Vertreter zu entdecken, dass ihm unter den monotonen Anzügen das Herz zu ersticken droht. Ein bisschen Zauberei im Leben braucht es eben doch.

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