Was ist ein B R A N D O?

21.10.2017 - 08:50 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Everything that you do - make it real as you can. Make it alive. Make it tangible. Find the truth of that momentUniversal Pictures/moviepilot
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Dokumentationen über Menschen gibt es wie fallende Blätter da draußen, aber selten sind sie so nah an der Person, so ehrlich und so faszinierend wie in Listen to me Marlon, in der einer der größten Schauspieler der Filmgeschichte über sein Leben, seine Kunst, sein Innerstes berichtet.

Was ist ein Kommentar der Woche? Im Grunde jeder Kommentar, den DU für deinen persönlichen Kommentar der Woche hältst.

Muss es ein Filmkommentar sein? Nein, er kann dir überall, auf jeder Seite moviepilots ins Auge springen.

Und was mach ich damit, wenn ich einen gefunden hab? Dann sagst du uns Bescheid, indem du eine Nachricht an Kängufant schickst.

Was macht der dann damit? Der bastelt dann einen Artikel daraus und hofft, dass deine Begeisterung von allen anderen moviepiloten geteilt wird! Und jetzt frag nicht so viel, hier wartet nämlich ein solcher Grund zur Begeisterung auf dich:

Der Kommentar der Woche
So viele große Sterne, die einmal Hollywood zum Strahlen brachten, die Hollywood waren, haben schon lange angefangen, zu verblassen. So vielen Menschen sind sie kein Begriff mehr. Begeistert sie und zeigt ihnen die Sterne! Teilt eure Faszination, wie Srics312 mit seiner Liebe zu Listen to Me Marlon! Eine Hommage an Marlon Brando, als Film - und als Kommentar!

Was für ein Oktober, was für ein Herbst! Gestern Mittag hatte ich einen Moment für mich, war mit meinem Transporter unterwegs, lud ein, lud ab und sah in der warmen Mittagssonne eine herrliche Raucherecke unter einer großen Eiche. Alle waren dort. Tischler, Leute aus der Produktion von nebenan, Maler und Menschen, die Brandschutzanlagen einrichten. Viele Leute, Ruhe, die Strahlen unseres nächsten Sternes und es qualmte. Ich gesellte mich dazu und setzte mich zu den anderen Latzhosen, zu den Pinseln und den Zollstöcken, lehnte mich nur ein paar Minuten zurück, holte tief Luft und streckte mich in meinem Outfit, welches eher in den Sommer gehört. Neben mir saß eine junge Auszubildende Malerin, vielleicht achtzehn, neunzehn Jahre alt. Sie hatte einen beigen Pulli und typische Arbeitshosen an, trug eine Sonnenbrille, hatte lange braune und natürlich belassene Haare, leicht gelockt an den Enden. Nichts in ihrem Antlitz war verschandelt, sie hatte einige Farbschmierer und Tupfer an den Fingern, auf ihrer Kluft und rauchte eine unverschämt duftende Zigarette. Sie fragte mich, was ein B R A N D O ist, was dieses Tattoo auf meinem Arm bedeutet.

Da ich mir gerade das Rauchen abgewöhne, sagte ich, dass ich es ihr verraten würde, würde sie mir eine Zigarette spendieren. Sie reichte mir eine Filterzigarette und gab mir Feuer. Auf dem Feuerzeug war ein kleiner grüner Frosch mit einer Spritzpistole. "Was ist ein B R A N D O?", fragte sie und die Sonne brannte auf mein Haupt, ließ ihre braunen Haare leuchten. "Ich hätte noch einen Wunsch.", sagte ich, lehnte meine Arme auf meine Knie und zog das erste mal seit Tagen an einer Zigarette, auch wenn ich den Filter nicht gewohnt war. "Ich möchte, dass du deine Sonnenbrille abnimmst. Nur einen Moment." Sie nahm die Brille ab, zog mit zwei Fingern ihre Haare hinter ihr rechtes Ohr und schaute mir in die Augen. Ihre Brauen, diese vielen Wimpern, dieses stechende Blau und ihr fragendes Lächeln. Ich erklärte ihr, was die dicken schwarzen Letter auf meinem Arm bedeuten, wer Marlon Brando war, das mein Bruder das gleiche Tattoo hat. Sie setzte ihre Brille während dieser zehn Minuten nicht wieder auf und ich sah sie an, während meine Zigarette nur diesen einen Zug erfuhr und dann vor sich hin glimmte. Was für ein schöner Herbst...

Ich ahnte es, vermutete es leise. All die Filme, der Mythos und die Auszeichnungen. Alles Schall und Rauch. Alles Furz und Teufel! Brando. Ein Produkt seiner Zeit. Sein Schaffen, sein Spiel, Method Acting in erster Instanz. Seine Präsenz Anfang der Fünfzigerjahre, sein Wirken und der Hall des Kultes über Dekaden hinweg, bis heute. Er wollte es nicht, er ging darin nur wegen des Geldes auf. Er wollte nur spielen. Dieser Lügner, der Zweifler, dieser Betrüger! Er gab es selbst zu. Ich habe es selbst gesehen, es gehört, ihm zugehört. LISTEN TO ME MARLON geht andere Wege, bricht aus den Riten der Doku aus, lebt die gesprochenen Worte von Marlon Brando und sprengt die Grenzen dessen, was man unter einer dokumentarischen Beobachtung sieht. Die meisten Dokus werden recherchiert, aufgearbeitet, untermauert, zitiert, belegt und teils von anderen gesprochen und inszeniert. Nicht so dieses unwiederholbare und einzigartige Monument. Marlon Brando (1924 - 2004) fertigte über die Jahre unzählige Tonbänder an, ganz im Privaten, im Stillen. Nur er, diese Mono-Kassetten und seine unverwechselbare Stimme. Dieses leise, beinahe schleichende Timbre und die ungebremsten Zeilen, das berstende Bröckeln des Mythos. Ich habe zwei Bücher über Brando gelesen, und doch waren sie nur stille Post. Regisseur Stevan Riley und sein Team hinter den Aufnahmen schufen ein Unikat. Vielleicht die beste Doku, die je über einen Schauspieler gemacht wurde, der beste Film den ich je gesehen habe.

Die Macher nahmen die alten Aufnahmen von Brando und verwoben diese in Film-, Interview-, wie Archivaufnahmen. Riley kreierte einen wundersamen Blick auf Brando, selektierte und sortierte die stechendsten aller Aufnahmen. Der elegante und schürende Tanz prägender Fotos, bewegter Aufnahmen, Interviews, den Filmen und seiner Stimme, sind ein Genuss und mancher Gedanke, mancher Satz von Brando selbst, rührte mich. Ein intimer Blick. Ein Blick, welcher die bekannten Infos in ein ganz anderes Licht rückt. Die Mélange aus der klassischen Musik, dieses treibende Piano und die reibenden Streichinstrumente sind eine Wucht, die klaren und emotionalen Monologe - das ist es! Genau das wollte ich mal in einer Doku erleben, und LISTEN TO ME MARLON verlässt diese ausgelatschten Pfade. Von seiner Kindheit an und immer vorwärts. Einprägsam und entlarvend in seiner Ehrlichkeit. Diese leise Stimme. Ich glaube nicht, dass es jemals eine deutsche Synchronstimme gab, die Marlon Brando in ihrer Breite und Tiefe gerecht wurde.

"Wenn die Kamera dir nahe kommt, wird dein Gesicht zur Bühne." - Marlon Brando

Brando nimmt kein Blatt vor den Mund, redet über schlechte Regisseure, über die guten, über die Filmindustrie und darüber, dass es keine Künstler und keine großen Filme gäbe. Es ist alles ein Geschäft, nichts weiter. Er zeigt uns seine guten Leistungen und auch seine schlechten. Seine Frauen, die Kinder, sein Vater und seine Mom. Diese Worte, als er über seine Mutter spricht. War er diese Ikone? Dieser Rebell? Nein. Seine beiden Oscars, die er völlig zurecht erhielt, einen sogar in einer großen Geste ablehnte. Gerade diese gut ausgesuchten Episoden, die kleinen Tupfer und seine eigenen, über den Bildern schwebenden Worte dazu - diesen aufrichtigen Blick hat es gebraucht. All die Jahre wurde das verfälscht und verwässert hingestellt. LISTEN TO ME MARLON ist das ultimative i-Pünktchen. Seine Wärme, seine überraschenden Emotionen. Die Wahrheit. Und das Klavier tanzt, die Streicher tragen seine Silben und die Bläser runden seine Geschichte. Was für ein fantastischer Score, diese traumhafte Regie, immer weiter, bis hin zu seinen letzten, bitteren Jahren. Entblätternd und schonungslos. Seine Intonation, sein Fall, die Euphorie und der eigene, intime Hall, der Tod seiner Tochter, Martin Luther King. Als hätte Brando den Zuschauer zu sich nach Hause eingeladen. Seine Worte, elektrisierend, lyrisch, mitreißend und wahrhaftig.

Und die Zigarette brannte am Filter aus. Aber diese wundervollen Augen, die geschwungen Brauen und dichten Wimpern, das stechende Blau. "Was ist ein B R A N D O?", fragte sie an diesem warmen Herbsttag. Das werde ich nie vergessen.

Den Originalkommentar findet ihr übrigens hier.

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