Sylvester Stallones Rocky würde vor Neid erblassen: Der beste Boxfilm seit Jahren

20.02.2022 - 10:05 UhrVor 2 Jahren aktualisiert
Small, Slow But Steady
Production Committee & Comme des Cinemas
Small, Slow But Steady
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Mit Small, Slow But Steady feierte dieses Jahr auf der Berlinale ein richtig starker Boxfilm seine Premiere. Selbst Sylvester Stallones Rocky-Vermächtnis kann da nicht mithalten.

Es gibt wenige Genres, die sich in dermaßen festgefahrenen Mustern bewegen, wie der Boxfilm. Das ist an sich kein Problem, denn die Dramaturgie von Aufstieg, Niederlage und Aufrappeln garantiert eine emotionale Achterbahnfahrt, wie Sylvester Stallones Rocky-Filme seit den 1970er Jahren beweisen. Dennoch stellt sich die Frage, was der Boxfilm noch sein könnte, wenn er seine obligatorischen Montagen hinter sich lässt.

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In der vergangenen Dekade hat Stallone den Staffelstab an Michael B. Jordan weitergeben und damit das Rocky-Franchise erfolgreich wiederbelebt. Die Creed-Filme erforschen Rockys Vermächtnis aus einer neuen Perspektive, sind aber ebenfalls den Konventionen des Genres ergeben. Einen anderen Weg schlägt Small, Slow But Steady ein, der dieses Jahr auf der Berlinale seine Premiere feierte.

Eine gehörlose Boxerin erobert die Berlinale

Schon in den ersten Momenten des Films wird deutlich, dass sich Regisseur Shô Miyake nichts aus Montagen macht, die zu aufbauender Musik die Figuren antreiben. Stattdessen beobachtet er seine gehörlose Protagonistin Keiko (Yukino Kishii) mit aufmerksamen wie einfühlsamen Blicken. Hochkonzentriert geht sie beim Sparring auf die Aktionen ihres Gegenübers ein und vergisst die Welt um sich herum.

Aus den harten Schlägen wird ein Tanz – mehr noch: Keiko reagiert dermaßen flink auf die vielen kleinen Herausforderungen, die ihr der Trainer stellt, dass die beiden zu einer Einheit, zu einer Bewegung werden. Für wenige kostbare Sekunden geht alles perfekt ineinander über und ein Gefühl von Schwerelosigkeit breitet sich aus. Keiko kann die Welt allerdings nicht für immer ausblenden. Sie kehrt schneller zurück, als ihr lieb ist.

Ihr Boxclub, der älteste Japans, steht kurz vor dem Ruin. Von Tag zu Tag melden sich die Trainierende ab und wechseln die Einrichtung. Selbst Katsumi Sasaki (Tomokazu Miura), der besonnene Leiter des Gyms, weiß nicht weiter und wird zudem mit dem drohenden Verlust seines Augenlichts konfrontiert. Keikos Mutter hätte derweil nichts dagegen einzuwenden, wenn ihre Tochter die Karriere aufgibt.

Darüber hinaus spielt sich der Film vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie ab, was besonders im Hinblick auf die Kommunikation spannend ist: Aufgrund der vielen Masken ist es für Keiko schwierig, die Lippen anderer Menschen zu lesen. Die Einsamkeit verstärkt sich und zu allen Dingen, die sowieso schon auf Keiko einwirken, kommen Selbstzweifel. Rettende Fanfaren, um dem Tief zu entkommen, gibt es hier nicht.

Small, Slow But Steady ist eine Berlinale-Entdeckung

Inspiriert wurde der Film von der Autobiografie der ebenfalls gehörlosen Boxerin Keiko Ogasawaras. Small, Slow But Steady verfolgt jedoch zu keiner Sekunden die Absicht, ein ausführliches Biopic auf die Leinwand zu bringen. Miyake, der seinen bisher größten Erfolg mit der schaurigen The Ring-Serie Ju-On: Origins auf Netflix feierte, setzt auf Drama und fokussiert sich darauf, aus Keiko eine eigenständige Figur zu erschaffen.

Dass diese Charakterstudie funktioniert, ist neben der behutsamen Inszenierung und den wunderschönen 16-mm-Bildern auf Yukino Kishii zurückzuführen. Hierzulande war die japanische Schauspielerin zuletzt in dem Horror-Thriller Homunculus auf Netflix vertreten. In Small, Slow But Steady arbeitet sie eindrucksvoll mit Körperhaltung und Blicken. Das Schauspiel ist zurückhaltend, dafür umso magnetischer.

Ein Boxfilm, der ohne Pathos auskommt und im Stillen zu sich findet: Das tut dem Genre, das in den vergangenen Jahren abseits der Creed-Filme von den reißerischen Posen aus Southpaw und Bleed for This dominiert wurde, sehr gut. Small, Slow But Steady ist eine der größten Entdeckungen der Berlinale. In nachdenklicher Ruhe baut sich hier etwas auf, das mehr in den Bann zieht als das großflächig Ausgestellte.

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