Natürlich habe auch ich mit den Kickers gelacht, bin mit Son Goku in den Kampf gezogen, habe geweint, als Pikachu im ersten Pokemon-Film versuchte, Ash mit Elektroschocks wiederzubeleben. Ganz im Stil eines Kindes der 90er-Jahre weiß ich auch noch, was mit Bleistift und Kassette anzustellen ist. Trotzdem muss mal gesagt sein, wie romantisch verklärt diese Dekade mittlerweile ist. Offen gestanden war es nämlich beschissen, das Telefonkabel ausstecken zu müssen, damit man 20 Minuten im Internet surfen kann, nur um dann den einzelnen Pixeln beim Zeitlupen-Aufbau einer Seite zuzusehen. Auch die Hampelei der Power Rangers ist völlig ungenießbar, und erinnert ihr euch noch an den Ninja-Rap aus Turtles II? Nun wird niemand mehr ernsthaft rekonstruieren können, wie gut oder schlecht die 90er wirklich waren. Einen Einblick in das Aufwachsen während dieser Zeit bietet aber nicht nur Richard Linklaters Boyhood, sondern auch die folgende Liste.
1. Wie würdest du die filmischen 90er in einem Wort beschreiben?
Zwielichtig.
2. Was war dein bester Kino-Moment in diesem Jahrzehnt?
Vorab sei gesagt: Alles, was vor der Umbenennung von Raider
in Twix 1991 herauskam, habe ich noch nicht einmal im Mutterleib erlebt. Was
darauf folgte, habe ich also entweder mit kindlicher Unschuld wahrgenommen oder
erst Jahre später nachholen müssen. Doch schon im Kindergarten geisterten die
ersten Mythen über einen schwer atmenden Mann im schwarzen Metall-Anzug,
Laserschwerter und eine alles umgebende Macht über den Spielplatz. Natürlich
hatte noch keiner der Hosenscheißer die alte Star Wars-Trilogie sehen dürfen,
aber alle Gesprächsfetzen darüber sogen wir in uns auf und spinnten sie weiter.
So war auch der Grundstein gelegt, als Die Dunkle Bedrohung in die Kinos kam
und mich Weltraumpanoramen in eine weit, weit entfernte Galaxis mitnahmen. Bei
fairer Betrachtung ist übrigens auch heutzutage der finale Lichtschwertkampf wirklich
gut. Kein Herumgestocher alter Männer wie in Eine neue Hoffnung und kein
sinnloses Herumgewirbel wie in den übrigen Prequels. Ich kann mich jedenfalls
nicht mehr daran erinnern, wie oft ich mit überlangen Stöcken im Garten eines
Freundes das Duell zwischen Darth Maul, Qui-Gon und Obi-Wan nachgestellt habe.
3. Welcher 90er-Film ist dein persönliches Guilty Pleasure?
Eindeutig Batman & Robin. Ganz ehrlich, ein Batsuit mit
Nippeln und die Batman-Kreditkarte machen selbst dem legendären Haifisch-Spray
der Adam-West-Serie Konkurrenz. Bescheuerte Nahaufnahmen von Gürtelschnallen,
Enterhaken und Latex-Ärschen setzen noch einen drauf. Dazu ist dieses Kabinett
des Grauens lächerlich gespielt und noch lächerlicher geschrieben. Mr. Freeze
möchte die Welt einfrieren, Poison Ivy will sie mit Pflanzen überziehen. Völlig
logisch, dass sie sich zusammentun. Keine Ahnung, was du mit einem lauen
Samstagabend anfangen sollst? Trink einen Kurzen zu jedem grottigen Wortspiel
von Arnold Schwarzenegger und Uma Thurman. Solltest du überleben, kannst du
deinen Enkeln noch von dieser Heldentat berichten!
4. Auf einer Skala von 1 (gähn) bis 10 (brillant) - wie gut waren die 90er in filmischer Hinsicht?
9,0. Man sollte hier nicht nach all dem Mist gehen, sondern schauen, wie viele großartige Filme es gab. Und diese Liste ist schier unglaublich. Jetzt überhaupt eine anzusetzen, ergäbe keinen Sinn, müsste man schließlich doch viel zu viele Lieblinge unerwähnt lassen.
5. Welcher 90er Jahre-Film würde sich besonders gut als Serie eignen?
Ein Crossover aus Reservoir Dogs und Pulp Fiction. Die
Vega-Brüder gemeinsam auf Tour. Mehr Raum für abgedrehte Dialoge, skurrile
Tanzeinlagen und opernhaft inszenierte Gewalt geht nicht. Dazu könnte das
Tarantino-Universum weiter miteinander verknüpft werden als nur durch Kahuna-Burger
etc. Folge 1: Die Vegas im Titty Twister? Ich wäre an Bord.
6. Welche Schauspielleistung der 90er ist bis heute deine liebste?
Ich verehre die Café-Szene aus Heat. Sich aber zwischen
Robert de Niro und Al Pacino zu entscheiden, ist unmöglich. Auch mein
Lieblingsfilm der 90er, Sieben, ist durchweg großartig gespielt, wenngleich
Kevin Spaceys Kurzauftritt wohl den größten Eindruck hinterlässt. Knapp
entscheide ich mich dennoch für Johnny Depp als Hunter S. Thompsons Alter Ego namens
Raoul Duke in Fear and Loathing in Las Vegas. Völlig egal, ob es der Acid-Trip
im Hotel ist oder die Szene im Bad – Depp verkörpert jede Nuance des wahnsinnigen
Drogensumpfes. Bei allem Respekt vor Terry Gilliams Regie: Erst durch Johnnie
Depps Performance wird Fear and Loathing in Las Vegas zum Meisterwerk und Raoul
Duke zur absoluten Kultfigur.
7. Welchen 90er Jahre-Film hast du wohl am öftesten gesehen?
Zweifellos Star Wars: Episode I. Es gab einfach keinen
Kindergeburtstag ohne diesen Film und noch Jahre nach dem VHS-Release stolperte
zu meiner Beschämung Jar Jar Binks in Dauerrotation über die alte Röhre. Als
mir während einer der zahllosen Sichtungen mitgeteilt wurde, dass mein Opa gestorben
war, blieb der Film dem Kassettenrekorder eine sehr lange Zeit fern. Mit 17 sah
ich mir Die Dunkle Bedrohung wieder an. Trotz mancher gelungenen Szene
funktioniert dieser Film einfach kein Stück. Schön messbare Midi-Chlorianer
statt der religiösen Tiefe der Macht, plumpe Jesus-Analogien, lahme
Senatssitzungen…kurz gesagt: Die Einstellung, in der Jar Jar auf Tatooine
in einen Haufen Scheiße tritt, ist Sinnbild genug. Tja, das nennt man wohl
Coming-of-Age.